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Philip Glass' Koyaanisqatsi: Düsterer Minimalismus

Worum geht es in dem Film »Koyaanisqatsi«?

Zentrales Thema des Films ist die Zerstörung der Natur durch den Menschen, der sich dabei auch noch selbst versklavt und sich Lebensbedingungen auferlegt, die seinem Wesen zuwiderlaufen. Der Titel des Films stammt aus der Sprache der nordamerikanischen Hopi-Indianer und bedeutet »Welt, die aus den Fugen gerät«. Mit seinem Soundtrack zu diesem wortlosen Film schuf der amerikanische Komponist Philip Glass ein Meisterwerk des musikalischen Minimalismus, das inzwischen Kultstatus erreicht hat.

Vor welchem Hintergrund entstanden der Film und die Musik?

Das Thema »Mensch und Natur« lag in der Luft. 1972 hatte die internationale Vereinigung »Club of Rome« ihre Aufsehen erregende Studie über »Die Grenzen des Wachstums« veröffentlicht, die erstmals die Gefahren der hemmungslosen Ausbeutung der Natur deutlich aufzeigte. Politiker, Journalisten, Philosophen und Filmemacher nahmen sich des Themas an. Der Filmemacher Godfrey Reggio drehte mit »Koyaanisqatsi« – erster Teil der »Qatsi«-Trilogie über die Position des Menschen im Spannungsfeld zwischen Natur, Tradition und Moderne – eine der eindrucksvollsten optischen Umsetzungen der düsteren Vorhersagen. Im Jahr 1940 in New Orleans geboren und als Klosterschüler isoliert von der Außenwelt aufgewachsen, gehörte der unkonventionelle Regisseur zu den Mitbegründern mehrerer Non-Profit-Organisationen, die sich kritisch mit den Machenschaften der Medien wie der Mächtigen auseinandersetzten.

Mit welchen Mitteln arbeitet »Koyaanisqatsi«?

Reggio sammelte zwischen 1975 und 1982 Filmeindrücke in natürlichem, urbanem und industriellem Ambiente, die er zu einer Dokumentarcollage zusammensetzte. Die Idee war ebenso simpel wie verblüffend. Reggio kontrastierte unkommentierte Schnipsel aus Natur und vom Menschen gemachter Welt, deren Abfolge er schrittweise beschleunigte.

Die extreme Geschwindigkeit der Bilder gegen Ende des Films war in einer Zeit ohne Videoclips ein Affront gegen die Wahrnehmungsgewohnheiten, der zugleich irritierte und berauschte. Die eigentliche Wirkung von »Koyaanisqatsi« entstand aber durch das gekonnte Zusammenspiel der Bilder des Films und der Musik von Philip Glass.

Was charakterisiert die Musik von Philip Glass?

Der Komponist Philip Glass (geb. 1937) war seit den späten 1960er Jahren neben Terry Riley und Steve Reich der wichtigste Protagonist des musikalischen Minimalismus geworden. Seine Opern, Ballette und Kammermusikwerke waren von der Reduktion der gestalterischen Mittel auf einzelne, prägnante und immer wiederkehrende Motive bestimmt, die in Reihungen und Schichtungen miteinander verknüpft komplexe, sich langsam verändernde Klangarchitekturen entwickeln. Glass war fasziniert von der Idee zu dem Film, die idealtypisch mit seinen eigenen Strukturvorstellungen harmonierte.

Wie ist die Filmmusik angelegt?

Glass komponierte eine achtteilige Suite zu den Bildern, die minutiös auf die optische Wirkung abgestimmt wurde (»Koyaanisqatsi / Organic / Cloudscape / Resource / Vessels / Pruit Igoe / The Grid / Prophecies«). Das große Vokal- und Instrumentalensemble kombinierte dabei elektronische Soundelemente, orchestrales Pathos und finstere Hopi-Gesänge zu einem fugenlosen Klangteppich. Gruppiert um die Prophetie des Untergangs aus den Hopi-Überlieferungen, die mit sonorem Bassgesang die Stimmung des Werks prägen, entwickelte Glass ein flirrendes Netzwerk von akustischen Assoziationen, das die provokante Bildbotschaft zivilisationsbedingter Selbstzerstörung eindrucksvoll unterstützte.

Welche Resonanz hatte der Film?

Von der Premiere am 11. November 1983 an wurde über den Film »Koyaanisqatsi« äußerst heftig diskutiert. Die Reaktionen des Publikums reichten von einem Verdikt der kulturpessimistischen Propaganda bis hin zum verschreckten Bewusstwerden der eigenen Bedeutungslosigkeit angesichts der globalen Zerstörung. Der Film bekam zahlreiche Preise vom São Paulo Film Festival bis zum Critics Award in Lissabon, für den Komponisten Philip Glass brachte er den internationalen Durchbruch. Das US-amerikanische »Time Magazine« wählte die Musik unter die zehn besten Klassikveröffentlichungen des Jahres. An der Schwelle zur Postmoderne beschwor sie noch einmal die Bedeutungsmacht der Klänge.

Wie verlief Philip Glass' musikalische Entwicklung?

Der am 31. Januar 1937 in Baltimore, Maryland geborene Philip Glass studierte Klavier und Komposition an der renommierten Juilliard School of Music in New York und verfeinerte seine Kompositionstechnik bei Nadia Boulanger in Paris. Er war seit den späten 1960er Jahren ein wichtiger Protagonist des musikalischen Minimalismus. Einem breiteren Publikum ist er durch seine Soundtracks bekannt. So schrieb er neben »Koyaanisqatsi« (1983) noch eine ganze Reihe von zum Teil preisgekrönten Filmmusiken (»Die Truman Show« 1998, »The Hours« 2002). Daneben ist er ein äußerst produktiver und erfolgreicher Opernkomponist (»Einstein on the Beach«, 1976). Das Repertoire des vielseitigen Komponisten umfasst aber auch Orchester- und Chorwerke, Stücke für Orgel und Kammermusik.

Wussten Sie, dass …

die Studie »Die Grenzen des Wachstums« 1972 den Startschuss für eine Vielzahl von Umweltschutzinitiativen gab? Sie brachte, mit Statistiken und Zahlen untermauert, den skeptischen Zeitgeist zu Beginn der 1970er Jahre auf den Punkt.

der Buddhist Philip Glass sich gegen die Unterdrückung der Bevölkerung in Tibet engagiert?

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