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Watteaus Einschiffung nach Kythera: Sehnsucht pur
Zu welcher Zeit schuf Watteau die »Einschiffung nach Kythera«?
Frankreich im Jahr 1717 – das Ancien Régime sonnt sich im Glanz des Sonnenkönigs Ludwig XIV. Dessen Absolutismus bestimmt das Leben aller Untertanen, am Versailler Hof wie im ganzen Land. Der Geschmack der Zeit ist geprägt vom festlich-eleganten, heiter und verspielt gestimmten Rokoko. Ursprungsort und Hochburg dieser Epoche ist die Stadt Paris und ihr größter Maler, Antoine Watteau.
In dessen Bilderwelt, die sich auf wenige Sujets beschränkt, agieren auf den ersten Blick die seit dem 16. Jahrhundert vertrauten Figuren der italienischen Commedia dell'Arte. Doch kommt in seinen Werken eine moderne Weltanschauung zum Ausdruck, die neue Empfindsamkeit propagiert. Das gesellschaftliche Ideal dieser Zeit ist der Galan, der geistvolle, feinsinnige Höfling mit besten aristokratischen Umgangsformen und besonderem, sensiblem Respekt vor dem weiblichen Geschlecht. Diese neue Verhaltenskultur findet ihren Niederschlag im malerischen Sujet der Fêtes galantes. Watteau wurde durch sie weltberühmt.
Was drückt das Gemälde aus?
Watteaus Inselbild ist Ausdruck einer kollektiven Sehnsucht nach dem Paradies. Kythera vereint alle Wunschvorstellungen auf sich. Der Titel des Bildes stieß zunächst auf Unverständnis. Als Watteau es der königlichen Akademie 1717 vorlegte, strich der mit der Registratur beauftragte Sekretär mit Hinweis auf die Insel den Titel durch – und ersetzte ihn durch den Vermerk »ein galantes Fest«.
Wo ist das Bildgeschehen angesiedelt?
Das Bild zeigt eine vielgestaltige Fluss- und Gebirgslandschaft. Im dunstigen Licht der Ferne kann der Besucher Kythera nur erahnen. Steile Felsen und üppige Vegetation begrenzen den Bildraum zu beiden Seiten. Vom rechten Vordergrund her breitet sich dichtes Baum- und Buschwerk aus. Von dort führt ein schmaler Pfad in einer Kehre zum Ufer, wo eine prunkvolle Barke vor Anker liegt. Am Waldrand steht eine mit rosafarbenen Rosenblüten bekränzte Hermenfigur, die Büste der schönen Göttin Aphrodite.
Den bühnenartig inszenierten Vordergrund bedeckt eine schmale, abschüssige Wiese, auf der drei junge Paare bis zu ihrem Aufbruch mit dem Boot geruht haben. Nahe der Götterstatue kniet ein Kavalier vor seiner Dame und versucht, sie zur Überfahrt zu überreden. Ein kleiner Junge zu ihrer Linken zupft unterstützend am Rocksaum ihres seidenen Kleids. Das benachbarte Paar ist zum Aufbruch bereit. Hier reicht der Herr seiner Dame beide Hände, um ihr beim Aufstehen behilflich zu sein. Das dritte Paar wendet sich bereits dem Schiff zu. Während die Dame zu den noch Zaudernden zurückblickt, schiebt sie ihr Begleiter leicht mit dem Arm um die Taille voran.
Wie ist der Aufbruch gestaltet?
Der Entschluss, an der Fahrt zur Insel teilzunehmen, gestaltet sich als ein gefühlsbetonter Prozess, bei dem letzte Vorbehalte ausgeräumt sein wollen. Die übrige Gesellschaft steht wartend am Ufer und schickt sich an, das Schiff zu besteigen. Auch hier haben wir es mit Paaren zu tun, die eng beieinanderstehen und sich unterhalten. Während die vier Herrschaften zur Linken wohl dem Hofe angehören, handelt es sich bei den hinteren um Paare aus dem einfacheren Volk. So verhalten wie die Bewegung des Pilgerzugs, ist auch die Beziehung der Partner untereinander. Wir finden keine laute, raumgreifende Geste, keinen stürmischen Liebesbeweis, stattdessen eine zärtliche Umarmung oder ein behutsames Berühren der Schulter. Selbst die Blicke sind scheu und treffen sich kaum. Angesichts der werbenden Annäherung des Verehrers schlagen die Damen die Augen nieder oder wenden sich verlegen zu Seite. Vorsichtige Annäherung und Distanzierung bestimmen ihr Verhältnis zueinander. Die Kommunikation besteht aus Zu- und Abwendung, aus Geständnis und Verstellung und wirkt fragil und glaubwürdig in der Empfindung. Zugleich sind die Bildfiguren von zarter Eleganz. In ihren vorsichtigen, meist nur aus kleinen Regungen resultierenden Bewegungen ist Individualität spürbar. Ein leichtes Vorbeugen oder eine minimale Kopfwendung werden bereits als Ausdruck einer Gemütsverfassung fassbar. Watteaus Figurenwelt ist nicht dem Schein der verlogenen Hofetikette entsprungen, sondern legt kultivierte Umgangsformen an den Tag.
Wussten Sie, dass …
von »Der Einschiffung nach Kythera« drei verschiedene Fassungen existieren? Eine weitere befindet sich heute im Berliner Schloss Charlottenburg.
Watteaus Schilderung des galanten Festes als Utopie bereits den Keim der Opposition gegen die real existierenden Zustände am königlichen Hof zu Versailles in sich trägt?
derartige Utopien nicht nur zu Watteaus Zeiten oft auf Inseln angesiedelt wurden?
Watteau zu seinem Bild vom »Eiland Aphrodites« angeregt wurde? Hier ging der Sage nach die Liebesgöttin an Land, nachdem sie aus dem Meerschaum geboren worden war.
Wie verlief der Lebensweg des Rokokomalers?
Geboren 1684 in Valenciennes, kam der Maler 1702 nach Paris, wo er vor allem durch die niederländische Malerei der Renaissance beeinflusst wurde. Zunächst betätigte er sich für den Dekorationsmaler Audran als Gestalter von Wanddekorationen (Panneaux), von denen aber nur Stiche überliefert sind.
Um 1716 kam er in das Haus des Kunstsammlers Crozat und damit in Kontakt mit den wichtigsten der damaligen Kunstkenner. Aufgrund seines »Kythera«-Bildes wurde er 1717 in die Académie française aufgenommen. Seine Darstellungen von Schäferstücken und galanten Festen beeinflussten vor allem die Mode seiner Zeit: Frisuren, Kleider und Hüte auf seinen Bildern wurden in der französischen Gesellschaft eifrig nachgeahmt.
Trotz seiner Tuberkulosekrankheit, an der er erst 36-jährig starb, schuf Antoine Watteau zahlreiche Bilder voller Lebensgenuss und Heiterkeit.
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