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Burnout: Warum Pendeln das Risiko für Stresserkrankungen erhöhen kann

Ob mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem eigenen Auto: Kilometerweites Pendeln gehört für viele Deutsche zum Alltag. Die langen Fahrten zum Arbeitsort kosten die Pendler einiges an Nerven. Schon das Gefühl, Zeit zu vergeuden, nagt an vielen, ganz zu schweigen von Ärgernissen wie verspäteten Bahnen, Staus und Co. Dieser Dauerstress aber kann Folgen haben, wie sich jetzt herausstellte: Pendler sind besonders stark vom Burnout gefährdet.
RPA

Hohe Verkehrsdichte und viele Staus sind nicht nur in Deutschland das tägliche Brot vieler Pendler.

alexandragl1, thinkstock.com

In Deutschland sind über acht Millionen Beschäftigte jeden Tag länger als eine Stunde lang zwischen Wohnung und Arbeitsplatz unterwegs. Hinzu kommen etwa eine Million Wochenendpendler. Und die Tendenz ist steigend. Durch knappe Arbeitsplätze zur Mobilität gezwungen, nehmen Pendler immer längere Strecken in Kauf. 2004 betrug die Distanz zwischen Haustür und Büro im Schnitt noch weniger als 15 Kilometer. Letztes Jahr waren es bereits 17 Kilometer.

Egal, ob die Pendler mit dem eigenen Auto oder Bus und Bahn unterwegs sind: Es ist nicht verwunderlich, dass die tägliche Reise Stress verursacht. Pendler bekommen weniger Schlaf, haben weniger Freizeitaktivitäten, treiben nicht so viel Sport und können sich weniger erholen. Eine kanadische Studie hat jetzt festgestellt, dass auch ein größeres Risiko für Burnout besteht.

Ab 20 Minuten steigt das Risiko

Annie Barreck von der Université de Montréal analysierte für ihre Studie das Pendelverhalten von 1.942 Berufstätigen in der kanadischen Provinz Quebec. Sie untersuchte, ob Faktoren wie die Streckenlänge und Zeitdauer des Arbeitsweges, sowie die benutzten Verkehrsmittel sich auf die Wahrscheinlichkeit für  das Auftreten von drei Hauptsymptomen für Burnout auswirkten:  emotionale Erschöpfung, Zynismus, nachlassende Leistungsfähigkeit.

Und tatsächlich: Die Forscherin stieß auf signifikante Zusammenhänge zwischen dem Pendelverhalten und der Häufigkeit von Burnout-Symptomen. So spielt beispielsweise  die Länge des Arbeitsweges eine Rolle: Das Risiko für Burnout-Symptome nimmt deutlich zu, wenn die Fahrt zum Büro länger als 20 Minuten dauert. Ab 35 Minuten steigt das Risiko für eine zynische Einstellung zur Arbeit.  „Es gibt eine Korrelation zwischen pendelbezogenen Stressfaktoren und der Wahrscheinlichkeit, ein Burnout zu erleiden“, erklärt Barreck. „Wie stark diese ist, hängt jedoch von verschiedenen Faktoren ab. Sie variiert nach Persönlichkeit, Reisebedingungen, und Arbeitsplatz.“

Auf das Wie kommt es an

Wenig überraschend: Je größer die Stadt, desto aufreibender der Arbeitsweg -  zumindest für Leute, die mit dem Auto unterwegs sind. „Menschen, die in ländliche Gegenden pendeln oder selbst in Vororte, fühlen sich weniger gestresst“ so Barreck. Bemerkenswert ist allerdings, dass dabei Mitfahrer größeren Anspannungen ausgesetzt sind als die Fahrer. „Passagiere in Fahrgemeinschaften fühlen sich, als hätten sie keine Kontrolle. Das verursacht ihnen Stress, bevor sie überhaupt am Arbeitsplatz ankommen.“

Doch auch das Pendeln per Bus oder Bahn ist nicht immer entspannend: Vor allem Pendler in ländlichen Gebieten fühlen sich häufiger gestresst und empfinden sich als weniger produktiv am Arbeitsplatz. „Öffentliche Verkehrsmittel bedeuten Zug- oder Busverbindungen. Ländliche Regionen sind in dieser Richtung oft nicht gut versorgt", erklärt Barreck. "Das Risiko von unvorhersehbaren und nicht kontrollierbaren Verzögerungen ist deshalb noch größer. Dieser Stress kann in den Arbeitstag verschleppt werden.“ Das Gegenteil gilt für Pendler in Großstadtzentren: Die große Auswahl an Verkehrsmitteln und flexible Abfahrzeiten machen den täglichen Weg zur Arbeit entspannter.

Fahrrad fahren hat ebenfalls Vor- und Nachteile, je nachdem, in welcher Gegend der Pendler seinen Arbeitsplatz hat. Durch das ständig steigende Verkehrsaufkommen in den Vorstädten ist insbesondere dort das Radfahren eine nervenaufreibende Angelegenheit. „In der Stadt gibt es Sicherheitseinrichtungen wie Radwege und Zebrastreifen. Dies verleiht Radfahrern und Fußgängern ein Gefühl von mehr Kontrolle“ glaubt Barreck. Auf dem Land dagegen benutzen Fußgänger und Radfahrer ruhige Landstraßen, die vergleichsweise weniger anstrengend sind.

Was hilft gegen den Pendel-Stress?

Was aber kann man tun, um den Pendelstress wenigstens abzumildern und das Burnout-Risiko zu senken? Für Bahn- oder Busfahrer kann es sinnvoll sein, die Verbindungen noch einmal genau zu prüfen: Wo lässt sich vielleicht stressiges Umsteigen vermeiden, selbst wenn man dafür ein bisschen früher aufstehen muss? Stresssenkend wirkt es auch, wenn man die Fahrt sinnvoll nutzen kann – sei es mit Lesen, dem Hören eines Hörbuchs oder auch Handarbeiten.

Autofahrer, die jeden Morgen im Stau stehen, könnten überlegen, ob öffentliche Verkehrsmittel vielleicht doch eine entspanntere Alternative wären. Auf jeden Fall sollten sie sich per Radio oder Internet auf dem Laufenden halten, was die Verkehrslage betrifft. Auch bei ihnen kann ein Hörbuch oder Musik helfen, die Zeit angenehmer zu vertreiben.

Vielen Pendlern würden auch flexiblere Arbeitszeit-Regelungen der Arbeitgeber helfen. So muss man keine Angst haben, zu spät zu kommen, und kann möglicherweise auch dem Berufsverkehr zeitlich ausweichen. Barreck ist überzeugt: „Mehr Flexibilität in dieser Richtung würde die Effizienz der Angestellten steigern und die Firma attraktiver für Arbeitskräfte machen.“

 

RPA, 08.06.2015

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