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Der Bonsai – von der großen Kunst, ganz klein zu bleiben

Die Aufzucht und Pflege eines Bonsai-Baumes gehört mit zu den diffizilsten Aufgaben, denen sich Menschen mit „Grünem Daumen“ widmen können. Zudem erzielen fertige Exemplare wahre Höchstpreise von bis zu mehreren Zehntausend Euro. Dabei ist das Hobby selbst äußerst günstig – sofern alles selbst gemacht wird.

Denkt man an einen jahrzehntealten Baum, erscheint vor dem inneren Auge sicher eine hohe Eiche mit ausladender Krone und zerfurchter Rinde. Einmal von diesem inneren Bild weggezoomt, entpuppt sich der vermeintlich riesige Baum in diesem Fall allerdings als ein Zwerg, der vielleicht 30 Zentimeter in der Höhe misst. Die Rede ist vom Bonsai, der Kunst, einen Baum durch gezieltes Zurückschneiden, Verdrahten und Gestalten klein zu halten, ohne dass er sich außer in der Größe von einem normal gewachsenen Baum unterscheidet. Eine weitere Erklärung gibt es auch hier.

Seine historischen Wurzeln hat der Bonsai im China des zweiten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung. Dort begann zu dieser Zeit die Praxis, die kaiserlichen Paläste mit lebenden Miniatur-Landschaften zu verzieren. Im zehnten Jahrhundert brachten buddhistische Mönche die Idee nach Japan, wo sie sich zu einem festen Bestandteil der japanischen Gartenkunst entwickelte. Aus der japanischen Sprache stammt auch die Bezeichnung „Bonsai“, übersetzt bedeutet es „Baum im Topf“.

Als Basis für einen Bonsai eignen sich nahezu alle holzigen Baum- und Straucharten. Wie das Vorbild verlieren diese im Herbst auch ihre Blätter.

pixabay.com, T7 / Public Domain

Lieber Geld oder Arbeit investieren?

Wer ein solches Kunstwerk sein Eigen nennen möchte, der sollte von den sogenannten „Baumarkt-Bonsais“ die Finger lassen. Diese Bäumchen gibt es in einschlägigen Heimwerkermärkten für wenig Geld – allerdings hat diese Massenware aus Fernost außer der Größe nichts mit einem echten Bonsai zu tun. Den bekommen Interessierte nur in speziellen Bonsai-Baumschulen wie Luxury Trees oder sie müssen den geduldsamen Weg der Selbstaufzucht gehen.

Die erstgenannte Variante ist vor allem eine Kostenfrage: Denn die Preise für einen echten Bonsai nach traditioneller japanischer Methode beginnen im dreistelligen Bereich und sind nach oben hin weit offen. Wer seinen Außenbereich mit einem fertigen und etwas größeren Gartenbonsai verzieren möchte, ist schnell auch den Gegenwert eines Neuwagens los. Allerdings gibt es für solche Summen nicht einfach nur klein gehaltene Bäume sondern viele dutzende, manchmal sogar hunderte Jahre alte Kunstwerke, die von immenser Pflege und gärtnerischem Können zeugen. Jedoch hat dies den Nachteil, dass ein Laie mit mangelndem Wissen über diese extrem pflegebedürftigen Pflanzen sehr schnell viel Unheil anrichten kann.

Die zweite Variante besteht darin, selbst einen Baum zum Bonsai zu machen. Dies ist preislich ungleich günstiger setzt aber noch tieferes Befassen mit der Materie voraus. Zudem müssen angehende Bonsaibesitzer sich auch das passende Werkzeug zulegen, um sowohl Grund- als auch Pflegebeschnitte am Baum fachgerecht ausführen zu können.

Bei der Auswahl der Pflanzen ist natürlich der zukünftige Standort von entscheidender Bedeutung.

Drinnen oder draußen?

Zunächst ist die Wahl des zukünftigen Standortes von Bedeutung. Soll der kleine Bonsai die Wohnung schmücken, kann auf mediterrane bis tropische Pflanzen zurückgegriffen werden. Hier eignen sich generell die diversen Ficus-Arten vom Ficus benjamini bis zum Ficus nerifolia für den Einsteiger. Allerdings müssen auch solche Bäume, die nicht mit unseren Außentemperaturen in Kontakt kommen, robust sein. In ihren Heimatländern liegen Temperatur und Luftfeuchtigkeit wesentlich höher als in unseren Wohnungen. Das führt dazu, dass empfindliche Bäume schnell kränkeln oder eingehen. Abgesehen von den Ficus-Sorten sind Indoor-Bonsais daher ein Fall für Profis oder Laien mit sehr viel Pflegebereitschaft.

Wer hingegen Balkon oder Terrasse schmücken möchte, dem seien eher Bäume aus unseren Breiten angeraten. Sie kommen auch mit den kühleren mitteleuropäischen Temperaturen zurecht und sind daher etwas unkomplizierter zu handhaben. Hier bieten sich vor allem Hainbuche, Ahorn und Ulme an. Aber auch Nadelgewächse wie Lärche oder Eibe lassen sich zum Bonsai machen. Für Fans von Exotischem bieten sich zudem importierte Bäume aus Japan an, die ebenfalls winterfest sind. Mit solchen Gewächsen lässt sich dann auch ein kleiner Garten in eine beeindruckende Miniaturlandschaft verwandeln, in der ein Betrachter sich fast wie Gulliver fühlt. Generell gilt, dass sich ein Baum umso besser eignet, je kleiner seine Blätter sind und je unempfindlicher er auf Rückschnitt und andere unvermeidliche „Bambus-Behandlungen“ reagiert.

Qual der Wahl

Ausgangspunkt für alle Bonsai-Ambitionen bildet nach dem Kauf von entsprechender Fachliteratur und der Auswahl des Standortes die Fahrt zum Gartenfachhändler. Dort muss sich der Hobbyist nun entscheiden, welches Ausgangsmaterial er nimmt. Für einfache Jungpflanzen spricht der Preis im niedrigen zweistelligen Euro-Bereich. Allerdings muss hier auch die meiste Arbeit investiert werden, bevor sich erste Erfolgserlebnisse einstellen. Eine weitere Möglichkeit sind Bonsai-Rohlinge vom Fachmann. Diese sind in Grundzügen vorgestaltet, erfordern nicht mehr so viel, aber immer noch etwas Arbeit. Ja, und dann muss der neue Bonsai-Besitzer sich nur noch für eine der über 15 verschiedenen Gestaltungsformen des japanischen Bonsaistils entscheiden. Sie reichen von einfachen aufrechten Stämmen (Chokkan) bis hin zu so in der Natur kaum vorkommenden Formen wie der Halbskaskade (Han-Kengai). Dabei neigt sich der Baum weit über die Schale nach unten und wächst in einem Halbkreis nach unten.

Mehr als ein Ständer: Die Bonsai-Schale

Auf den ersten Blick wenig beachtet, will auch die Schale des kleinen Bonsais wohlgewählt sein. Denn sie ist viel mehr als bloß ein Schüsselchen voll Erde. In Japan werden sogar Schalen individuell für jeden Baum angefertigt. Dabei gibt es diverse gestalterische Regeln, die eingehalten werden wollen und die natürlich auch für den europäischen Bonsaibesitzer gelten, sofern er sich diesem Reglement unterwerfen möchte.

Eine Auswahl industriell gefertigter Bonsaischalen

Viele Jahre Spaß

Hat sich der Bonsai-Fan unter den vielen Optionen und Varianten des Bonsais eine passende Variante ausgesucht, vielleicht sogar schon erste Grundschnitte und Drahtungen ausgeführt, kann er sich zwar nicht zurücklehnen aber entspannt in die Zukunft blicken: Der Vorteil des Bonsais liegt nämlich auch und vielleicht besonders darin, dass er, konstante Zuwendung vorausgesetzt, ein Menschenleben überdauern kann. Einmal einen Grundstock an Material und Werkzeug angeschafft, fallen zudem kaum noch Kosten an. Und welches andere Hobby kann das schon von sich behaupten?

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