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Der Jaguar – Gejagter Jäger Brasiliens
“Der mit einem Schlag tötet“
Geschmeidig und elegant pirscht er in der Abenddämmerung durch sein Revier, ringförmige Flecken auf dem goldgelb glänzenden Fell. Bei jedem Schritt erheben sich majestätisch die Schulterknochen und betonen seinen kräftigen Körperbau. Deutlich zeichnen sich die Muskeln seiner Beinen ab: Panthera onca, der Jaguar, ist auf Beutezug.
Nicht seine Schnelligkeit ist es, die ihn zu einem besonders gefährlichen Jäger macht. Seine effektivste Waffe ist das vor Kraft strotzende Gebiss. Während andere Großkatzen ihre Beute ersticken oder per Genickbruch töten, erledigt der Jaguar das mit einem einzigen gezielten Biss. Meist kurz hinter dem Ohr treibt er einen Eckzahn durch den Schädelknochen seiner Beute. Dabei hat er doppelt soviel Bisskraft wie ein Löwe und wartet so mit dem zweitstärksten Gebiss aller an Land lebenden Raubtiere auf. “Der mit einem Schlag tötet“. Mit diesem Beinamen des Jaguars brachten es die Ureinwohner Brasiliens auf den Punkt.
Leben im Wechsel von Dürre und Überflutung
War der Jaguar über lange Zeit fast im gesamten Amerika beheimatet, so wurde er vom Menschen nach und nach immer weiter verdrängt. Die größte Populationsdichte der stolzen Raubkatzen findet sich heute im Amazonasbecken, vor allem in der Region des Pantanals. Über ganze 230.000 Quadratkilometer erstreckt sich dieses weltweit größte Feuchtgebiet im Südwesten Brasiliens. Dürreperioden wechseln sich mit Überschwemmungszeiten ab, in denen es monatelang “Land Unter“ heißt. Seit 2000 zählt das Pantanal zu den UNESCO-Weltnaturerben, was es zu einer besonders schützenswerten Region macht. Das gibt Grund zu der Annahme, dass der Jaguar sich auch in Zukunft keine neue Heimat zu suchen braucht. Oder etwa doch?
Gefährliche Nähe
Nicht nur die Jaguardichte, sondern auch die Dichte an Rinderfarmen ist im Pantanal besonders groß. Rund acht Millionen Rinder weiden in der Region und sind eine leichte Beute für die räuberische Großkatze. Mit fatalen Folgen: Um ihren Viehbestand zu schützen greifen Farmer der Region zum Gewehr und machen Jagd auf den vierpfotigen Jäger.
Hinzu kommt eine weitere Entwicklung, die den von Natur aus sehr scheuen Jaguar immer näher an besiedelte Gebiete lockt: “Jaguar-Safari im Pantanal“, “Jaguar-Beobachtung im Pantanal“. Mit diesen Slogan locken Reiseveranstalter Touristen in die Region. Immer häufiger legen sie auch Fleisch an den Ufern der Flüsse aus, um die stolze vierbeinige Touristenattraktion anzulocken. Nach und nach verliert der Jaguar so seine natürliche Scheu vor den Menschen. Und genau das macht ihn zu einer umso leichteren Beute für die Cowboys der Region.
Den gegenseitigen Nutzen erkennen
Zweischneidig ist das Schwert des Jaguar-Tourismus im Pantanal: Zum Einen bringt der Tourismus den Jaguar immer näher an den Menschen heran und so in die Schusslinie der Cowboys. Auf der anderen Seite aber macht ihn sein wirtschaftlicher Nutzen für die Tourismusbranche zu einem besonders lukrativen und somit auch schützenswerten Bewohner der Region. Umwelt- und Tierschutzorganisationen, wie etwa das Panthera-Projekt und der WWF arbeiten an Lösungen für dieses Problem. So gibt es im Pantanal bereits ausgewiesene Nationalparks, in denen Touristen den Jaguar beobachten können und in denen er geschützt leben kann.
Außerdem wurden Projekte ins Leben gerufen, bei denen es in erster Linie darum geht, mit den Farmern der Region in Dialog zu treten und sie über die Lebens- und Verhaltensweise des Jaguars aufzuklären. Wissen die Viehzüchter, wie sie ihre Farmen am besten anlegen, um ihre Rinder vor der gefährlichen Raubkatze zu schützen, dann können sie in Zukunft vielleicht auf den traditionellen Griff zum Gewehr verzichten.
Ausführliche Informationen rund um das Thema Pantanal finden Sie hier: http://www.scinexx.de/dossier-338-1.html