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Erziehung: Wann und wie sollten Kinder lesen lernen?

Früher als man denkt: Studien zeigen, dass schon Dreijährige ein gewisses Verständnis für Buchstaben und geschriebene Worte entwickeln können. Um dies zu fördern, raten Experten zum Vorlesen bereits im Vorschulalter. So erleichtert man dem Nachwuchs später das Lesen- und Schreibenlernen in der Schule - und bekommt viele Stunden Familienspaß gratis dazu.
CLU, 30.03.2017

Sprache ist ein Kernaspekt unseres Alltags. Was wir Erwachsenen längst verinnerlicht haben, steht unseren Kindern noch bevor. Damit der Nachwuchs in unserer schnelllebigen und erfolgsorientierten Gesellschaft nicht ins Hintertreffen gerät, sollte er so früh wie möglich an Buchstaben und das geschriebene Wort herangeführt werden. Am besten schon im Vorschulalter mit ein bis zwei Jahren. Aber bitte, ohne das Gefühl von Zwang zu vermitteln oder das Kind unter Leistungsdruck zu setzen. Gar nicht so einfach, da den richtigen Weg zu finden. Wie also gelingt die erfolgreiche Herangehensweise an die Themen Spracherwerb und Lesen? Und wie profitieren unsere Kinder von frühzeitigem "Training"?

Bilderbücher nehmen in vielen Kindergärten und Kindertagesstätten eine zentrale Rolle ein.

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Gefühl für Worte

Ab welchem Alter können wir Kindern überhaupt zumuten, Lesen zu lernen? Oft werden die Kleinen im letzten Kindergarten-Jahr mit ersten Leseerfahrungen konfrontiert, manchmal sogar erst mit Eintritt in die Grundschule im sechsten oder siebten Lebensjahr. Das ist viel verschenkte Zeit, meinen Forscher einer US-Studie. Sie haben Hinweise darauf gefunden, dass schon Dreijährige in der Lage sind, geschriebene Wörter wiederzuerkennen.

In Ihrer Studie gaben die Forscher ihren kleinen Probanden Bilder, zum Beispiel von einem gezeichneten Stoffhund, und sagten dann in einem Wort, was darauf zu sehen war. Statt mit "Hund" bezeichneten sie das Bild manchmal aber auch mit "Kuscheltier" oder gaben dem abgebildeten Vierbeiner den Namen "Spot". Dies alles wurde von den Kindern ohne Anzeichen von Skepsis akzeptiert. Wenn die Studienleiter ihnen jedoch statt es Bildes einen Zettel mit der Aufschrift "Hund" zeigten, erkannten viele der drei- bis fünfjährigen Kinder, dass die Aussprache "Kuscheltier" nicht zu dem geschriebenen Wort auf dem Zettel passte.

"Kinder haben schon vor dem Vorschulalter ein gewisses Verständnis davon, dass geschriebene Wörter anders als Zeichnungen spezifische Ausdrücke repräsentieren. Das zeigt, dass das Wissen von kleinen Kindern über den Sinn des geschriebenen Worts deutlich höher entwickelt ist als angenommen," fasst Lori Markson, eine der Autorinnen der Studie, zusammen.

Wir können unseren Kindern also möglicherweise mehr zutrauen als gedacht. Natürlich darf niemand erwarten, dass der Nachwuchs schon im Vorschulalter selbstständig ganze Sätze liest. Aber wir können Kindern beiläufig, ungezwungen und spielerisch ein erstes Gefühl für Buchstaben und das geschriebene Wort vermitteln. Das naheliegende Geheimrezept dazu sind natürlich Bücher.

Schon Einjährige lieben es, Bilderbücher anzusehen.

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Vorlesen im Vorschulalter

Wer seinen Kindern regelmäßig vorliest, bringt sich und den Kleinen nicht nur eine Menge Spaß, sondern bereitet sie auch ganz nebenbei auf das Lernen von Lesen und Schreiben vor. Das haben kürzlich auch Psychologen der Technischen Universität Kaiserslautern bestätigt. Mit Kindern zwischen drei und fünf Jahren machten sie den Test: Einigen Kindern wurde zu Hause oder im Kindergarten regelmäßig vorgelesen, wobei sie auch zum miterzählen animiert wurden, während andere keine besondere Lesezeit bekamen.

Der Vergleich nach sechs Monaten zeigte, dass Kinder der Vorlese-Gruppen einen stärker gewachsenen aktiven Wortschatz hatten als die Kinder ohne zusätzliche Lesezeit. Und mehr noch: Auch die Vertrautheit mit Buchstaben war durch den regelmäßigen Kontakt zu Büchern erkennbar größer. So waren die Kinder besser in der Lage, Buchstaben von buchstabenähnlichen Zeichen zu unterscheiden.

"Ohne die Buchstaben unbedingt nennen zu können, entwickeln die Kinder ein Bewusstsein für die Form und die Rolle von Buchstaben", erklärt Patricia Wesseling, die die Studie mitbetreut hat. "Damit konnte zum ersten Mal gezeigt werden, dass regelmäßiges individuelles Vorlesen die Entwicklung von Vorläuferfertigkeiten für den Schriftspracherwerb fördert."

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