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Feldhasen – die echten Vorbilder des Osterhasen

Obwohl der Osterhase meist aussieht wie ein Kaninchen, ist sein reales Vorbild der Feldhase – ein einst auf unseren Feldern und Wiesen häufiges Wildtier. Der eigentlich eher scheue, einzelgängerische Hase wird gerade jetzt im Frühjahr ziemlich auffällig: Die Hasenmännchen treffen sich auf bestimmten Wiesen und liefern sich dort wilde Kämpfe und Wettrennen. Doch was unterschiedet den Feldhasen vom Kaninchen? Und warum bringt ausgerechnet er die Ostereier?
NPO, 06.04.2023
Wachsamer Feldhase in einem Rapsfeld

© DamianKuzdak, GettyImages

Schon im 17. Jahrhundert galt der Feldhase hierzulande als österlicher Eierlieferant – allerdings musst er sich den Job da noch mit dem Kranich und dem Fuchs teilen. Erst später setzte sich der "Osterhase" im deutschsprachigen Raum vollständig durch. Und auch in Großbritannien ist es der "Easter hare", der Feldhase, der für Ostern steht. Aber warum eigentlich?

Warum wurde gerade der Feldhase zum Osterhasen?

Einer der Gründe für den Feldhasen als österlichem Eierbringer ist seine außergewöhnliche Fruchtbarkeit:  "Eine Häsin hat bis zu vier Würfe im Jahr mit jeweils bis zu fünf Junghasen", erklärt Andreas Kinser von der Deutschen Wildtier Stiftung. Möglich wird dies, weil das Hasenweibchen doppelt schwanger werden kann: Noch während sie eine Gruppe von Junge austrägt, paart sie sich und kann erneut befruchtet werden. In einem Horn ihrer Gebärmutter wachsen dann die älteren Jungen heran, im zweiten die jüngeren des zweiten Wurfs. In der Biologie wird dies als Superfötation bezeichnet.

Ein weiterer Grund sind die Hasennester: Anders als beim Kaninchen kommen die jungen Hasen nicht nackt und blind zur Welt, sondern sind Nestflüchter. Schon von Anfang an haben sie ein Fell und können sehen. Das müssen sie auch, denn sie kommen nicht in gut geschützten unterirdischen Bauten zur Welt wie die Kaninchen.  Stattdessen legt die Hasenmutter ein Nest in einer von hohem Gras oder anderen Pflanzen gut getarnten Mulde an. Die Hasenkinder müssen daher schon von Anfang an flüchten können, wenn ihnen Gefahr durch ein Raubtier droht. Dieses Hasennest, die Sasse, ist wahrscheinlich das Vorbild für das Osternest.

Und noch einen Grund gibt es: Normalerweise sind Hasen eher scheu und nur in der Dämmerung aktiv. Man bekommt sie daher nur selten zu Gesicht. Aber im Frühjahr ändert sich dies drastisch: in der Paarungszeit wagen sich die Langohren auch tagsüber aus der Deckung und sammeln sich auf sogenannte Rammelplätzen. Dort balgen sich Männchen und Weibchen um ihre Wunschpartner und liefern sich auch Wettrennen. Anders als die gedrungenen, kleineren Kaninchen ist der Feldhase dabei ein echter Sprinter: Er kann kurzzeitig bis zu 80 Stundenkilometer schnell werden.

Feldhasen an einem Rammelplatz
Balgende Hasen auf einem Feld

© Andyworks, GettyImages

Was sind die Unterschiede zum Kaninchen?

Der Feldhase ist deutlich größer und schlanker als das Wildkaninchen: Er bringt rund drei bis fünf Kilogramm auf die Waage, das Kaninchen wiegt nur knapp die Hälfte. Außerdem hat der Hase längere Ohren, längere Hinterbeine und eher stromlinienförmigen als gedrungenen Körper. Ebenfalls unterschiedlich ist die Herkunft der beiden zu den Hasenartigen gehörenden Arten:  Das Wildkaninchen stammt ursprünglich aus Nordafrika und Südwesteuropa. Der Feldhase hat seinen Ursprung dagegen in den weiten Steppen Zentralasiens. Deshalb bevorzugt er noch heute offene, nicht so dicht bewaldete Landschaften.

Kotfressen als Verdauungshilfe

Feldhasen und Kaninchen gemeinsam ist eine Eigenart ihrer Ernährung: Beide sind reine Pflanzenfresser, die vor allem Gras, Wildkräuter und im Falle der Hasen auch Knollen und Wurzeln fressen. Weil sie aber die Zellulose in dieser Pflanzennahrung nur zum Teil verdauen können, haben sie eine ungewöhnliche Lösung entwickelt: Nach dem Fressen wird der Nahrungsbrei zunächst in ihrem gut entwickelten Blinddarm durch spezielle Darmbakterien vorverdaut.

Am Morgen scheiden die Feldhasen und Kaninchen diesen Brei in Form weicher Kügelchen aus – und fressen diesen Blinddarmkot wieder auf. Erst bei dieser zweiten Passage wird die Nahrung komplett verdaut und dem vorbehandelten Pflanzenbrei werden nun alle Nährstoffe und der größte Teil des Wassers entzogen. Das Ergebnis ist dann der echte Kot der Hasen: harte schwarze und nicht mehr essbare Kügelchen.

Feldhase in Hasengalopp
Hasengalopp - im Gegensatz zu Pferden setzen Hasen ihre Hinterbeine beim Galopp parallel und gleichzeitig auf.

© Wirestock, GettyImages

Wie viele Feldhasen gibt es in Deutschland?

Der Feldhase war einst in Deutschlands sehr häufig, aber die Monokulturen der modernen Landwirtschaft, Siedlungen und Straßen haben seinen Lebensraum immer stärker dezimiert. Dem Hasen fehlen Brachflächen und krautreiche Feldränder, die ihm Nahrung und Schutz bieten. Deshalb haben die Bestände der Feldhasen in Deutschland seit den 1960er-Jahren deutlich abgenommen.

Heute gibt es bei uns im Schnitt noch rund 16 Feldhasen pro Quadratkilometer – im Westen und Norden mehr, im Osten weniger. "Das hat viel mit der Art der Landwirtschaft zu tun. Sie ist im Westen kleinteiliger. Auf den riesigen Ackerschlägen des Ostens findet der Hase kaum Verstecke vor seinen vielen Feinden ", erklärt Wildbiologe Andreas Kinser von der Deutschen Wildtier Stiftung.

Doch wie zählt man eigentlich Feldhasen? Um herauszufinden, wie viele Feldhasen es in Deutschland noch gibt und wie sich die Bestände entwickeln, gibt es jedes Jahr im Frühjahr und Herbst eine große Hasenzählung. Dafür legen sich Biologen und Jäger in 463 Referenzgebieten in ganz Deutschland abends auf die Lauer und richten genormten Scheinwerfer auf genau festgelegte Strecken. Alle Feldhasen, die im Lichtkegel auftauchen, werden gezählt. Durch die zweifache Zählung im Frühjahr und Herbst lässt sich ermitteln, wie sich die Population durch das Hinzukommen der Jungtiere entwickelt – und ob die Zuwachsrate die Todesrate ausgleichen kann.

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