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Gegen das Vergessen – was bringt das Alzheimer-Medikament Leqembi?
Weltweit sind etwa 400 Millionen Menschen an Alzheimer erkrankt. Diese Form der Demenz äußert sich durch Gedächtnis-, Orientierungs- und Konzentrationsprobleme, die immer weiter fortschreiten. Im Endstadium erkennen Alzheimer-Erkrankte selbst engste Familienmitglieder nicht mehr, sind völlig orientierungslos und können nicht mehr kommunizieren.
In 99 Prozent der Fälle erkranken Betroffene ohne erkennbaren direkten Auslöser an Alzheimer. Bestimmte Gene und Umweltfaktoren können das Erkrankungsrisiko jedoch beeinflussen – ein hohes Alter ist der größte Risikofaktor. Des Weiteren gelten Rauchen, Bluthochdruck, starkes Übergewicht und Bewegungsmangel, aber auch Luftverschmutzung, Kopfverletzungen und eine eingeschränkte Hörfähigkeit als Risikofaktoren für Alzheimer. Aber was genau passiert eigentlich bei Erkrankten im Gehirn?
Proteinablagerungen im Gehirn
Bei Alzheimer-Patienten lagern sich fehlgefaltete Amyloid-Beta- und Tau-Proteine im Hirn ab. Beide Proteine kommen auf natürliche Weise im Gehirn vor. Forschende vermuten, dass sogenannte Plaques des Amyloid-Beta-Proteins mit der Zeit sowohl die Kommunikation zwischen den Zellen als auch deren Versorgung mit Nährstoffen stören. Dadurch sterben Nervenzellen ab und der Erkrankte baut zunehmend geistig ab.
Das Tau-Protein ist eigentlich für die Stabilität und Nährstoffversorgung der Gehirnzellen verantwortlich. Ist es – wie bei Alzheimer üblich – falsch zusammengefaltet und verklumpt, kann es seiner Funktion jedoch nicht mehr nachkommen und die Zelle verliert Form und Funktion. Warum sich die beiden Proteine verändern und in Plaques ablagern, ist bislang unklar.
So wirkt Leqembi
Antikörper-Präparate wie Leqembi sollen die schädlichen Ablagerungen des Amyloid-Beta-Proteins im Gehirn binden und so den Körper dazu bringen, sie abzubauen. Die Antikörper setzen aber nicht an bereits fertig gebildeten Amyloid-Plaques an, sondern lösen „nur“ deren Vorläufer auf. Bereits bestehende Proteinablagerungen und dadurch verursachte Nervenschäden kann das Antikörper-Präparat daher nicht rückgängig machen.
Es heilt die Krankheit also nicht, kann aber bei Menschen in einem frühen Demenz-Stadium die geistigen Beeinträchtigungen zumindest hinauszögern und das Fortschreiten der Erkrankung abbremsen. In einer Studie verlangsamte Leqembi den geistigen Abbau der Probanden nach 18 Monaten um durchschnittlich 31 Prozent.
Erstes in der EU zugelassenes Alzheimer-Präparat
Die EU-Kommission hat Leqembi im April 2025 unter strengen Auflagen für den europäischen Markt zugelassen – damit ist das Medikament das erste in der EU zugelassene Antikörper-Präparat gegen Alzheimer. Die zuständige Arzneimittelbehörde EMA (European Medicines Agency) hat Leqembi zuvor als sicher und wirksam bewertet. Demnach überwiegen die Vorteile gegenüber Risiken und möglichen Nebenwirkungen.
Für manche Demenzerkrankte ist das Präparat eine Chance. Verabreicht wird Leqembi ihnen alle zwei Wochen per Infusion. Vor Beginn und während des Behandlungszeitraums sind MRT-Untersuchungen notwendig, um mögliche Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen oder -blutungen frühzeitig zu erkennen. Zusätzlich ist die Teilnahme an einem EU-weiten Register verpflichtend, weshalb Patienten der Weitergabe ihrer Behandlungsdaten zustimmen müssen.
Keine eierlegende Wollmilchsau
Eine „ultimative Lösung“ für alle Betroffenen ist das Medikament nicht, denn eine Behandlung mit Leqembi eignet sich nur für wenige Alzheimer-Patienten: Sie dürfen nur eine oder keine Kopie des ApoE4-Gens besitzen, welches als Risikogen für Alzheimer gilt. Betroffene mit zwei Kopien des Gens haben ein besonders hohes Demenzrisiko und zugleich ein höheres Risiko für durch Leqembi verursachte Hirnschwellungen und -blutungen.
Zusätzlich müssen sich die Patienten noch in einem frühen Stadium der Demenz befinden, in dem nur milde kognitive Einschränkungen auftreten, und dürfen keine gerinnungshemmenden Medikamente gegen andere Beschwerden einnehmen. Gerade die frühzeitige Diagnose ist jedoch nach wie vor schwierig und eine große Hürde: Weder Betroffene noch Ärzte erkennen die ersten Anzeichen zuverlässig oder sie warten zu lange ab, ob sich die Symptome anderweitig erklären lassen oder verschlechtern. Deswegen können nur wenige Alzheimer-Erkrankte Leqembi erhalten.