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Lebensmittel aus der Tonne - Was steckt hinter dem "Containern"?
Lebensmittelverschwendung beginnt nicht erst beim Käufer: Bereits bei der Produktion und in Supermärkten landet ein Teil noch essbarer Lebensmittel im Müll. Da dieses Essen häufig nur aufgrund von „Schönheitsfehlern“, kleinen Makeln oder bald ablaufendem Haltbarkeitsdatum weggeschmissen wird, gibt es immer mehr Menschen, die „containern“. Dabei suchen sie zum Beispiel in den Müllcontainern von Supermärkten nach Essbarem.
Gegen die Lebensmittelverschwendung
Viele dieser "Mülltaucher" tun dies aus Protest gegen die Lebensmittelverschwendung. Allein in Deutschland werden jährlich mindestens elf Millionen Tonnen Lebensmittel in Haushalten, Restaurants und Lebensmittelläden weggeworfen – pro Person sind das etwa 80 Kilogramm. Während bei uns und in vielen anderen Industrieländern das Essen im Müll landet, litten laut Angaben der Vereinten Nationen im Jahr 2019 weltweit 690 Millionen Menschen an Hunger. Viele Aktivisten halten es vor diesem Hintergrund für moralisch unverantwortlich, noch genießbare Lebensmittel zu vernichten.
Denn in der Regel werden Produkte weggeworfen, weil in einem Obstnetz zum Beispiel einzelne Produkte verdorben sind oder wenn Saisonprodukte wie Schoko-Osterhasen oder Lebkuchen an Ostern und Weihnachten raus müssen. Dabei besteht bei diesen Lebensmitteln selbst nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums kaum ein gesundheitliches Risiko - sie können meist problemlos verzehrt werden. Studien ergaben bereits, dass sich von den Millionen Tonnen essbaren Lebensmittel, die jährlich weltweit in den Müllcontainern landen, die gesamte Weltbevölkerung sogar mehrfach ernähren könnte.
Was sind die Beweggründe fürs Containern?
Das Containern wird häufig auch als Zeichen für ein umweltgerechtes Handeln und gegen die Verschwendung wichtiger Ressourcen gesehen. Seit 1988 hat sich das Sortiment in Supermärkten fast verdreifacht – ein Überfluss, der für viele Aktivisten unbegründet ist. Für die Müllfischer gilt ihr Handeln oft als Protest gegen die Wegwerf- und Konsumgesellschaft.
Und Mülltauchen ist im Trend: In sozialen Netzwerken tauschen sich Gleichgesinnte aus, geben Tipps, verabreden sich zum Containern und posten Bilder ihrer „Beute“ und dem daraus zubereiteten Essen. Damit wollen viele Beteiligte zum Beispiel zeigen, dass Lebensmittel auch nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums noch genießbar sind. Ihr Beispiel soll andere dazu anregen, Lebensmittelreste nicht wegzuwerfen, sondern zu verwerten.
Als netter Nebeneffekt, sparen „Mülltaucher“ auch Geld. Menschen, die sich hochwertiges Essen nicht leisten können, kommen kostenlos an noch essbare Produkte. Erwiesenermaßen können sich aber nur ein kleiner Teil der Menschen, die beim Mülltauchen mitmachen, den Einkauf der Lebensmittel ansonsten nicht leisten.
Ist das legal?
So positiv das Containern auch klingt: Wer Müll aus Abfallcontainern von Supermärkten fischt, macht sich in Deutschland strafbar. Denn Müll ist hierzulande nicht herrenlos. Er gehört den Supermärkten so lange, bis er abgeholt wird. Außerdem müssen häufig unberechtigt Grundstücke betreten oder Schlösser aufgebrochen werden, um an die weggeschmissenen Lebensmittel heranzukommen – auch das ist illegal.
Wer also den Müll von Supermärkten mitnimmt, muss mit einer strafrechtlichen Verfolgung rechnen. So verurteilte das Amtsgericht Düren zum Beispiel 2012 zwei Personen wegen Hausfriedensbruch und Diebstahl, nachdem sie Lebensmittel aus Containern eines Supermarktes genommen hatten. Und das Verbot hat noch mehr Gründe: Eine Legalisierung könnte schlimmstenfalls unkontrollierte Plünderungen auslösen, bis schließlich mehr Menschen containern als einzukaufen. Um ihre Mülleimer davor zu sichern, entstehen für die Unternehmen weitere Kosten.
Besonders umstritten ist das gesundheitliche Risiko beim Containern: Wer Lebensmittel aus Müllbehältern holt, kann nie sicher sein, ob die Produkte im Müll nicht mit gefährlichen Keimen befallen sind. Auch besteht im Sommer die Gefahr, dass die Nahrungsmittel in den Containern verderben, bevor sie wieder gekühlt werden.
Verschwendung vermeiden, bevor die Lebensmittel im Müll landen
Besser als die Lebensmittel aus dem Müll zu fischen wäre es allerdings, wenn sie dort gar nicht erst lande. Dafür kann es bereits helfen, besser darüber aufzuklären, wie zum Beispiel der Müll in Haushalten minimiert werden kann. So sollten zum Beispiel angemessene Mengen eingekauft und das Essen sachgerecht gelagert werden. Kunden und Supermärkte sollten zudem auf Rabattaktionen wie „3 zum Preis von 2“ verzichten, weil dies dazu verführt, mehr zu kaufen als man verwerten kann. Langfristig bestimmt die Nachfrage der Einkäufer das Angebot der Supermärkte: Je mehr wir also kaufen, desto größer bleibt das Sortiment.
Außerdem gibt es bereits einige Alternativen für Unternehmer, um Lebensmittelabfall zu sparen. Zum Beispiel nehmen karitative Einrichtungen wie die "Tafeln" dem Handel bereits Lebensmittel ab, wenn sie im Supermarkt nicht mehr verkauft werden können. In Frankreich wurde die Lebensmittelverschwendung sogar unter Strafe gestellt: Ein Gesetz verpflichtet Supermärkte mit mehr als 400 Quadratmetern Ladenfläche, unverkaufte Lebensmittel an Tafeln oder andere gemeinnützige Organisationen zu spenden. Jeder Verstoß wird seit Februar 2016 mit 3.750 Euro geahndet. Ähnliche Gesetze gibt es in Italien und in Tschechien.
In Großstädten finden sich auch häufig sogenannte Fair-Teiler: Privatpersonen aber auch Supermärkte können übrig gebliebene Lebensmittel zu diesen öffentlich zugänglichen Kühlschränken und Tonnen bringen. Zudem kooperieren Plattformen wie „Foodsharing.de“ oder „Too good to go“ vielerorts mit Supermärkten und Betrieben, bei denen sich Interessierte legal überschüssige Lebensmittel abholen können. Dabei landen brauchbare Lebensmittel gar nicht erst im Müll. Für die Betriebe fallen zudem Kosten und Aufwand für die Müllentsorgung weg.