Lexikon

Belgien

Belgien im 20. und 21. Jahrhundert

Trotz erklärter Neutralität wurde Belgien im 1. wie im 2. Weltkrieg Kriegsschauplatz. Beide Male marschierten deutsche Truppen ein und okkupierten das Land. Im Versailler Vertrag erhielt Belgien die preußischen Kreise Eupen, Malmédy und St.-Vith. Nach der Befreiung durch die Alliierten 1944 gelang Belgien ein rascher wirtschaftlicher Aufschwung.
Außenpolitisch war das Land Initiator und Gründungsmitglied internationaler Organisationen wie der NATO, der Montanunion und der Europäischen Gemeinschaft. 1960 gab Belgien dem ehemaligen Belgisch-Kongo und 1962 Rwanda und Urundi die Unabhängigkeit. Das alles beherrschende innenpolitische Thema blieb aber der Dauerkonflikt zwischen Flamen und Wallonen, dem alle Nachkriegsregierungen Tribut zollen mussten. In mehreren
Belgien: Verwaltungsgliederung
Belgien: Verwaltungsgliederung
RegionFläche (in km2 )Einwohner (in 1000)
Brüssel (Hauptstadtregion)162992
Flandern13 5215 996
Wallonien16 8453 368
Verfassungsreformen übertrugen sie den Regionen immer weitere Kompetenzen. Die damit einhergehende Zersplitterung der politischen und rechtlichen Institutionen bildete aber auch den Hintergrund für eine schwere Vertrauenskrise, in die das Land in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre stürzte, als Korruptionsfälle und Justizskandale das Ansehen von Staat und Regierung untergruben. 1993 starb König Baudouin. Sein Bruder wurde als Albert II. neuer Regent. Polizei- und Justizskandale 1996 sowie ein Dioxinskandal 1999 erschütterten das Vertrauen der Öffentlichkeit in die politischen Institutionen.
Bei den Wahlen 1999 mussten die seit 1958 fast ununterbrochen regierenden Christdemokraten eine Niederlage hinnehmen. Neuer Ministerpräsident wurde der liberale Guy Verhofstadt an der Spitze einer „Regenbogenkoalition“ aus Liberalen, Sozialisten und Grünen. 2002 erhielten die Regionen weitere politische Zuständigkeiten, z. B. für Landwirtschaft und Außenhandel. 2003 trat ein Beschluss zum langfristigen Ausstieg aus der Kernenergie in Kraft. Nach den Wahlen im selben Jahr setzte Verhofstadt die Regierungsarbeit ohne die Grünen fort. In der Außenpolitik stand neben dem Engagement in den Konfliktregionen Afghanistan und Zentralafrika vor allem das Bemühen um die Weiterentwicklung der EU im Mittelpunkt.
Die flämischen Christdemokraten unter Führung von Yves Leterme gewannen bei den Parlamentswahlen 2007 die meisten Mandate. Leterme scheiterte jedoch zunächst mit der Regierungsbildung, da in den Koalitionsverhandlungen aufgrund des flämisch-wallonischen Gegensatzes keine Einigung über eine Staatsreform erzielt werden konnte. Zur Beilegung der innenpolitischen Krise bildete Guy Verhofstadt im Dezember 2007 eine Übergangsregierung aus flämischen und wallonischen Liberalen bzw. Christdemokraten (VLD, MR, CD&V, CDH) sowie dem Parti Socialiste.
Im März 2008 verständigten sich die fünf bereits an der Übergangsregierung beteiligten Parteien auf eine Koalitionsregierung mit Yves Leterme als neuem Ministerpräsidenten. Diese konnte sich nicht auf eine Neugestaltung des Staatsaufbaus mit größerer Autonomie für die Regionen einigen. Deshalb reichte Leterme bereits im Juli 2008 bei König Albert II. seinen Rücktritt ein. Der König lehnte das Rücktrittsgesuch jedoch ab. Nach Vorwürfen der Beeinflussung der Justiz im Zusamenhang mit dem Verkauf des Finanzunternehmens Fortis reichte Leterme im Dezember 2008 erneut den Rücktritt ein. Diesmal akzeptierte der König das Gesuch. Nachfolger Letermes als Regierungschef wurde der Christdemokrat Herman Van Rompuy. Nachdem Van Rompuy 2009 zum Präsidenten des Europäischen Rates ernannt wurde, kehrte Leterme wieder an die Spitze der Regierung zurück. Im Zusammenhang mit der Frage der Wahlkreiseinteilung in der Region Brüssel führte der flämisch-wallonische Gegensatz im April 2010 zum Bruch der Regierungskoalition. Bei Parlamentswahlen im Juni 2010 wurde die Nieuw - Vlaamse Alliantie (N-VA) zur stärksten politischen Kraft. Vor allem die konträren Ansichten von N-VA und PS über eine Staatsreform verhinderten eine zügige Regierungsbildung. Mehreren von König Albert II. ernannten Vermittlern gelang es nicht, einen Kompromiss zwischen den verschiedenen parteipolitischen Lagern zu finden. Die Regierung Leterme blieb daher zunächst weiter geschäftsführend im Amt. Insbesondere die Verschärfung der Euroschuldenkrise 2011 erhöhte den Druck auf die Parteien, eine Lösung für die Staatskrise zu finden, um eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit des Landes zu vermeiden. Schließlich einigten sich Sozialisten, Christdemokraten und Liberale auf die Bildung eines Kabinetts unter Führung von E.  Di Rupo (PS). Damit blieb die N-Va in der Opposition. Der König vereidigte die neue Regierung am 6. 12. 2011. Am 3. 7. 2013 gab König Albert II. aus Alters- und Gesundheitsgründen seine Abdankung zum 21. 7. 2013 zugunsten seines ältesten Sohnes Philippe bekannt.
  1. Einleitung
  2. Natur und Klima
    1. Atlantisches Klima
  3. Bevölkerung
    1. Ein Land drei Sprachen
  4. Bildung
  5. Staat und Politik
  6. Wirtschaft und Verkehr
    1. Altes Industrieland
    2. Produktive Landwirtschaft
    3. Dichtes Verkehrsnetz
  7. Geschichte
    1. Unter wechselnden Herrschaften
    2. Unabhängigkeit
    3. Belgien im 20. und 21. Jahrhundert
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