Lexikon
Landwirtschaft
Deutschland: Ernteeinsatz
Mähdrescher
© Fendt, Marktoberdorf
In Abhängigkeit von Klima und Boden haben sich weltweit unterschiedliche Formen der Landwirtschaft ausgeprägt. In den ständig feuchten inneren Tropen dominiert eine hochentwickelte Plantagenwirtschaft mit Monokultur (Bananen, Kautschuk, Kakao, Rohrzucker) sowie eine Subsistenzwirtschaft (Mais, Maniok, Hirse). In den Savannen und ausgedehnten Grasländern der wechselfeuchten äußeren Tropen (u. a. Teile von Vorder- und Hinterindien, Südamerika, Afrika, Australien) ist außerdem die Viehhaltung verbreitet. In den Trockengebieten der Subtropen (Nordafrika, Arabien, Innerasien, der Süden Russlands, Südwestafrika, Westküste Südamerikas und Westaustralien) wird eine extensive Weidewirtschaft betrieben (Kamele, Rinder, Schafe), in Afrika und Gebieten Russlands z. T. noch in Form des Nomadismus oder Halbnomadismus, in Südamerika, Ostafrika und Australien auf ausgedehnten Rinderfarmen. Die monsunalen Sommerregengebiete (Hinterindien, Japan, China, der Süden der USA, Südostafrika, Südaustralien) zeichnen sich durch eine intensive Landwirtschaft aus. Aufgrund der dichten Besiedlung gibt es hier pro Kopf nur kleine landwirtschaftliche Nutzflächen, die aber durch den Terrassenbau gut genutzt werden. In Südostasien ist Reisanbau vorherrschend, es werden aber auch Tee, Kaffee und Kautschuk angebaut. Auf der Südhalbkugel dominiert Weizenanbau. In den Winterregengebieten, z. B. im Mittelmeerraum und Kalifornien, ist die Terrassenbewirtschaftung besonders ausgeprägt. Hier werden vor allem Zitrusfrüchte, Wein und Oliven angebaut. In der kühlgemäßigten Zone ist die Landwirtschaft besonders weit entwickelt und technologisiert. Vor allem Getreide, Gemüse, Obst und Wein werden angebaut. Auch Milchwirtschaft ist von Bedeutung. In der kontinentalen kühlgemäßigten Zone Osteuropas sowie in Teilen von Nordostasien und Nordamerika kommen sowohl extensive Landnutzung (Nomadismus), aber auch intensive Landwirtschaft vor. Hier liegen ausgedehnte Getreideanbauflächen und die größten Viehzuchtgebiete.
In den Industrieländern hat sich die Agrarstruktur in den letzten Jahrzehnten erheblich gewandelt. In den 1950er Jahren setzte die Mechanisierung der Landwirtschaft ein, in den 1960er Jahren kam der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln hinzu. Fortschritte im Bereich der Pflanzenzüchtung brachten bedeutende Ertragssteigerungen. Elektronik und Computer ermöglichten ein rationelleres Arbeiten sowie die automatische Steuerung und Kontrolle verschiedener Arbeitsprozesse. Aus dem traditionell bäuerlichen Familienbetrieb entwickelten sich leistungsstarke Unternehmen mit industrieller Organisation. Durch Rationalisierungsmaßnahmen ging die Zahl der Betriebe stark zurück. Gleichzeitig wurden die Anbauflächen vergrößert, so dass die Durchschnittsgröße der Betriebe stieg. Große agroindustrielle Betriebe verdrängten den bäuerlichen Familienbetrieb. Viele Vollerwerbsbetriebe wurden auf Neben- oder Zuerwerb umgestellt. So wandelte sich auch die Beschäftigtenstruktur in der Landwirtschaft. Waren bisher vor allem Familienangehörige in der Landwirtschaft tätig, werden jetzt lohnabhängige Fachkräfte eingestellt. In Deutschland ging die Zahl der Betriebe von 1,65 Mio. 1949 (Westdeutschland) auf rund 500 000 (West- und Ostdeutschland) im Jahr 2000 zurück. Die landwirtschaftlich genutzte Fläche verringerte sich im gleichen Zeitraum von 13,3 Mio. ha auf 11,5 Mio. ha (Westdeutschland). Die Zahl der in der Landwirtschaft Beschäftigten sank allein im Zeitraum 1979–2000 von 2,15 Mio. auf 1 Mio. in Gesamtdeutschland.
Die Industrialisierung der Landwirtschaft hatte beträchtliche Auswirkungen auf die Umwelt. Ausgedehnte Ackerflächen der Großbetriebe sind von Monokulturen bestimmt. Vielen Pflanzen- und Tierarten wurde damit Lebensraum genommen. Durch die Großflächenbewirtschaftung werden Austrocknung des Ackerbodens und Bodenerosion begünstigt. Verstärkter Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden steigert die landwirtschaftlichen Erträge, beeinträchtigt jedoch auch in weiten Teilen die natürliche Tier- und Pflanzenwelt. Aus ethischer Sicht sowie aus Qualitätsgesichtspunkten stößt auch die Massentierhaltung auf Kritik. In den Industrieländern, vor allem in Deutschland, der Schweiz, Frankreich und den Niederlanden, hat sich ein alternativer, biologisch kontrollierter Landbau entwickelt.
Die Schaffung eines gemeinsamen europäischen Agrarmarktes hat für die Landwirtschaft besondere Probleme aufgeworfen. Die bei der Gründung formulierten Ziele einer Produktivitätssteigerung und die Gewährleistung einer ausreichenden Versorgung der Bevölkerung zu angemessenen Preisen waren vom Nahrungsmangel der Nachkriegszeit geprägt und bestärkten die Mitgliedstaaten in einer Sonderbehandlung des Agrarsektors. Eine weitreichende Subventionspolitik führte zur Ausschaltung des Marktmechanismus in der Landwirtschaft, zugesagte Abnahmepreise, die weit über den Marktpreisen lagen, sowie eine Absatzgarantie führten zum forcierten Ausbau der Erzeugerkapazitäten und zu einer Intensivierung der Landwirtschaft, die gewaltige Überkapazitäten schuf. Insgesamt werden die jährlichen Agrarsubventionen der westlichen Industrieländer auf ca. 350 Mrd. Dollar geschätzt.
In den Entwicklungsländern besteht häufig noch eine traditionell feudale Struktur der Landwirtschaft mit ausgedehnten Ländereien (Latifundien), die der Grundbesitzer an abhängige Bauern und Kleinbauern verpachtet. Die Landwirtschaft ist in den meisten Entwicklungsländern noch der wichtigste Wirtschaftszweig (häufig in Form der Subsistenzwirtschaft), kann aber oft trotz großer Produktionssteigerungen und Ausweitung der landwirtschaftlichen Nutzfläche die Versorgung der schnell wachsenden Bevölkerung nicht sicherstellen. In vielen Ländern ist eine Agrarreform überfällig, um über eine Änderung der Eigentumsverhältnisse am Grundbesitz eine Intensivierung der Landwirtschaft herzustellen.
In den ehemals sozialistischen Staaten wurde die Landwirtschaft in den frühen 1930er Jahren kollektiviert und in Produktionsgenossenschaften (Kolchosen, LPGs) oder Staatsgütern (Sowchosen) zusammengefasst. Ab Mitte der 1980er Jahre wurden marktwirtschaftliche Umstrukturierungen in der Landwirtschaft vorgenommen, um die Produktivität zu erhöhen. Nach ersten Erfolgen fiel die landwirtschaftliche Ertragsstärke Ende der 1990er Jahre wieder unter das Niveau der sozialistischen Wirtschaftsweise zurück. Gründe dafür waren u. a. der Zusammenbruch des Bankensystems, der den Kauf von Saatgut, Dünger und Maschinen behinderte, die Verschlechterung der Infrastruktur, aber auch Verhaltensweisen von Beamten und Politikern, die Ansätze zu wirksamen Reformen sabotierten.
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