Lexikon
Wiener Kongrẹss
der vom 18. 9. 1814 bis zum 9. 6. 1815 in Wien unter Leitung des österreichischen Staatskanzlers Fürst Metternich sowie unter starkem Einfluss des russischen Zaren Alexander I. und Englands abgehaltene Kongress von Herrschern und Staatsmännern aller europäischen Staaten (ohne Osmanisches Reich) zur Neuordnung Europas nach den Kriegen gegen Napoleon I. Preußen war durch Friedrich Wilhelm III., den Staatskanzler Fürst Hardenberg und W. von Humboldt, England durch Castlereagh, Frankreich durch Talleyrand vertreten. Der Kongress wurde durch die Rückkehr Napoleons von Elba unterbrochen.
Die Neuordnung Europas erfolgte einmal unter dem Gesichtspunkt der Wiederherstellung der vorrevolutionären politischen Ordnung, zum anderen als territoriale Neugliederung unter dem Gesichtspunkt des Gleichgewichts der Mächte. Der Wiener Kongress fand seinen Abschluss mit der Wiener Schlussakte.
Während der 1. Pariser Frieden (30. 5. 1814) die Grenzen Frankreichs auf den Stand von 1792 (revidiert durch den 2. Pariser Frieden vom 20. 11. 1815 auf den Stand von 1789) festgelegt und die der süddeutschen Rheinbundstaaten durch Sonderverträge mit Österreich garantiert worden waren, entstanden im Osten schwere Differenzen wegen Russlands Anspruch auf den größten Teil Polens auf Kosten Preußens. Dieses beanspruchte als Entschädigung ganz Sachsen, da Friedrich August I. bis zur Völkerschlacht bei Leipzig auf Seiten Napoleons gestanden hatte; dagegen wandten sich Österreich, England und Frankreich, die am 3. 1. 1815 ein Bündnis gegen Preußen schlossen. Sachsen wurde schließlich geteilt; Preußen erhielt den größeren nördlichen Teil und als weitere Entschädigung das Rheinland, Westfalen und Pommern. Österreich verzichtete auf seine alten Besitzungen am Oberrhein und auf die Österreichischen Niederlande (die mit den Generalstaaten zum Königreich der Vereinigten Niederlande zusammengeschlossen wurden), sicherte sich jedoch mit dem Lombardo-Venezianischen Königreich die Vorrangstellung in Italien. Norwegen musste die Vereinigung mit Schweden hinnehmen.
Durch seine legitimistische und restaurative Politik geriet der Wiener Kongress in scharfen Gegensatz zu den liberalen und nationalen Strömungen des 19. Jahrhunderts. Deutschland erhielt statt des erhofften Nationalstaats nur die lose Form des Deutschen Bundes (Bundesakte vom 8. 6. 1815), Italien wurde die Einheit versagt, Polen erneut unter Russland, Preußen und Österreich aufgeteilt. Die Ergebnisse des Kongresses waren deshalb Gegenstand heftiger Kritik der liberalen und nationalen Geschichtsschreibung. Doch darf man nicht übersehen, dass die durch den Kongress für Europa geschaffene Ordnung dem Kontinent bis zum Krimkrieg 40 Friedensjahre gesichert hat.
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