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PFAS-Chemikalien: Unsichtbare Gefahr

Ob Backpapier, Waffeleisen, Regenjacke oder Zahnseide: In all diesen und unzähligen weiteren Produkten des täglichen Bedarfs stecken sogenannte PFAS. Die Industriechemikalien sind jedoch potenziell giftig und stehen unter anderem im Verdacht, leberschädigend und krebserregend zu sein. Doch was genau sind PFAS? Wie gelangen sie in unseren Körper? Und was lässt sich gegen sie unternehmen?
AMA, 16.08.2023
Symbolbild Umweltgifte

© patriziomartorana, GettyImages

PFAS steht für Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen und bezeichnet eine Gruppe von mehr als 10.000 verschiedenen Industriechemikalien, die erst seit den späten 1940ern hergestellt werden. Sie bestehen aus Kohlenstoffketten verschiedener Längen, deren Wasserstoffatome entweder vollständig („perfluoriert“) oder teilweise („polyfluoriert“) durch Fluoratome ersetzt sind. Das macht PFAS wasser-, fett-, und schmutzabweisend sowie sehr langlebig.

In welchen Produkten stecken PFAS?

All diese Eigenschaften sind äußerst nützlich für verschiedenste Produkte des täglichen Bedarfs. PFAS stecken daher unter anderem in der Beschichtung von Pfannen, Raclette-Grills, Waffeleisen und Sandwichmakern, aber auch in der wachsartigen Schicht auf Backpapier und Fast Food-Verpackungen wie Burgerboxen und Pommestüten. Fernab der Kulinarik sind PFAS in vielen weiteren Produkten enthalten, darunter Zahnseide, Imprägniersprays für Textilien und Schuhe, Regenjacken, Pflanzenschutzmitteln, Farben, Lacken, Feuerlöschschäumen und so weiter und so fort. Die Liste der PFAS-Produkte ist lang und jeden Tag halten wir mit hoher Wahrscheinlichkeit mindestens eines davon in der Hand. Doch das ist ein Problem.

Warum sind PFAS gefährlich?

Die Eigenschaften, die PFAS so praktisch machen, machen sie gleichzeitig auch gefährlich. Denn ihre Langlebigkeit und abweisende Wirkung sorgen dafür, dass sie sich – einmal im menschlichen Körper oder der Umwelt angekommen – nicht zersetzen und dort im Laufe der Zeit anreichern. Nehmen wir etwa langkettige PFAS wie die Perfluoroktansäure (PFOA) über Trinkwasser, Luft und Lebensmittel auf, verweilen diese über Jahre hinweg in unserem Körper, bevor wir sie schließlich wieder ausscheiden.

Bislang wurden PFAS bereits in unserem Blut und in der Muttermilch nachgewiesen. Und auch sonst sind die Chemikalien allgegenwärtig. Forschende fanden sie sogar in menschenleeren Gegenden wie dem Polarkreis und in der Tiefsee. Das bedeutet gleichzeitig: „Selbst wenn alle Freisetzungen von PFAS morgen eingestellt würden, wären sie noch über Generationen hinweg in der Umwelt und im Menschen vorhanden“, erklärt die Europäische Chemikalienagentur.

Gesundheitliche Auswirkungen durch PFAS-Exposition
Gesundheitliche Auswirkungen durch PFAS-Exposition

© Europäische Umweltagentur (original image), Mrmw (vectorization) / CC BY 2.5 dk

Wie schaden PFAS unserer Gesundheit?

Welche Folgen die PFAS-Anreicherung für unsere Gesundheit hat, ist bisher nur in Teilen verstanden. Wir wissen allerdings, dass die Industriechemikalien unseren Cholesterinspiegel und die Konzentration eines bestimmten Leberenzyms erhöhen können. Außerdem führen hohe PFAS-Gehalte zu einem niedrigeren Geburtsgewicht und beeinträchtigen das Immunsystem bei Kindern. Forschende haben zum Beispiel beobachtet, dass Kinder mit hohem PFAS-Gehalt im Blutserum weniger Antikörper nach einer Impfung bilden und dadurch schlechter gegen die entsprechende Krankheit geschützt sind.

Aus Tierversuchen ist zudem bekannt, dass viele PFAS die Leber schädigen sowie die körperliche Entwicklung, die Fortpflanzung, den Fettstoffwechsel und den Schilddrüsenhormonspiegel beeinträchtigen können. „Einige PFAS stehen außerdem im Verdacht, bei Versuchstieren Krebs zu erzeugen. Diese Substanzen verändern jedoch nach derzeitigem Kenntnisstand das Erbgut nicht direkt und wirken im Tierversuch erst bei Dosierungen krebserzeugend, die oberhalb der Mengen liegen, die der Mensch über Lebensmittel zu sich nimmt“, klärt das Bundesamt für Risikobewertung auf.

Wie gelangen PFAS in unseren Körper?

Wir kommen im Alltag auf viele verschiedene Weisen mit PFAS in Kontakt und nehmen diese aus unterschiedlichen Quellen auf. Zum Beispiel, indem wir sie in Form von Imprägniersprays oder Verbindungen aus Teppichbeschichtungen einatmen. Die Hauptquelle für PFAS im menschlichen Körper sind allerdings Trinkwasser und Nahrung. Vor allem tierische Lebensmittel wie Fleisch, Fisch, Meeresfrüchte, Milch und Eier sind laut der europäischen Lebensmittelbehörde mit PFAS belastet. Besonders hohe Konzentrationen lassen sich in den Innereien von Wildtieren nachweisen, zum Beispiel in Wildschweinleber.

Die Wildtiere wiederum nehmen das PFAS aus der Umwelt auf, in die es auf verschiedenen Wegen gelangt. Bereits bei der Herstellung landen Reste der Chemikalien in Luft und Wasser. Außerdem verunreinigen kontaminierte Klärschlämme die Böden in großem Maßstab. Und auch unsachgemäß entsorgte Produkte sowie das Waschen von PFAS-beschichteten Textilien machen den Weg frei für eine Ablagerung in der Natur. Dort reichern sich die Chemikalien dann in der Nahrungskette an und landen schließlich wieder auf unserem Teller. Der Kreis schließt sich.

Was lässt sich gegen das Problem tun?

Das PFAS-Problem ist der Politik bekannt und hat in der Vergangenheit bereits zu mehreren Verboten und Einschränkungen geführt. Die Verwendung von Perfluoroctansulfonsäure (PFOS) ist zum Beispiel bereits seit 2006 und die von PFOA seit Juli 2020 in der EU weitgehend verboten. Am 7. Februar 2023 hat die Europäische Chemikalienagentur außerdem einen Vorschlag für ein ganzheitliches Verbot aller PFAS vorgelegt. Noch ist allerdings unklar, was darauf folgen wird.

Zwar lässt sich mit Verboten die Herstellung neuer PFAS verhindern, doch gegen bereits in die Umwelt gelangte Chemikalien gibt es aktuell keine breit wirksamen Maßnahmen. Das liegt laut Bundesumweltministerium sowohl an fehlenden Strukturen als auch an hohen Kosten: „Die Sanierung ist aufgrund der besonderen Eigenschaften der PFAS kompliziert und aufwändig. Das wiederum macht die Sanierung sehr kostspielig. Denn eine vollständige Beseitigung wäre nur in hochtemperierten Sonderabfallverbrennungsanlagen möglich. Diese Anlagen sowie Deponien, die die kontaminierten Mengen aufnehmen könnten, stehen in der benötigten Kapazität nicht zur Verfügung.“

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