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Sammeln: Hobby oder Kulturtechnik?

Das Jagen und Sammeln stellte bereits bei urzeitlichen Völkern einen neuen Schritt in der Entwicklung dar. Diese Tätigkeiten liegen uns als eine Form der Überlebensstrategie gewissermaßen im Blut. Doch schon seit vielen Generationen sind die Menschen vor allem in den hoch entwickelten Ländern nicht mehr auf ein Dasein als Jäger und Sammler beschränkt – Nahrung kann auf ganz andere Weise beschafft werden. Dennoch übt gerade das Sammeln eine nach wie vor große Anziehungskraft aus und wird von vielen immer noch praktiziert. Steckt noch mehr dahinter?

Sammlung von kleinen Modellautos

unsplash.com, Karen Vardazanryan

Beinahe jeder Mensch tut es oder hat es schon einmal getan: Dinge (an)sammeln. Ob es Briefmarken sind, Aufkleber, Steine und Mineralien oder einfach nur schöne Muscheln vom Strand. Scheinbar können wir gar nicht anders, als Gegenstände, die uns besonders faszinieren aufzuheben, zu verwahren, sie beieinander zu legen und sie vielleicht sogar zu sortieren und zu katalogisieren.

Ursprünge liegen viel tiefer

Dabei fangen wir Menschen noch viel früher mit dem Sammeln an, als es uns vielleicht bewusst ist. Bereits im Kleinkindalter neigen wir dazu, ähnliche Dinge zusammenzutragen oder auch einfach nur Gegenstände anzusammeln, die uns interessieren und die zunächst keinen klaren Zusammenhang aufweisen.

Im Grunde ist dies eine Technik, um uns unsere Umgebung und die Welt ringsum begreifbarer zu machen. In den ersten Lebensmonaten und Jahren entwickeln wir uns in rasanter Geschwindigkeit weiter und machen täglich ganz neue Erfahrungen und Entdeckungen. Indem wir Dinge sammeln, sie zusammentragen, miteinander in einen Kontext stellen oder sie ordnen, entwickeln wir gleichzeitig unser ganz eigenes Bild von der Welt.

Das Sammeln dient also als Hilfe dabei, uns die Welt begreiflicher zu machen und Konzepte und Strukturen für sie zu entwickeln. Auf diese Weise fällt es uns leichter, Dinge einzuordnen und Zusammenhänge herzustellen.
Gleichzeitig ist das Sammeln auch eine ästhetische Erfahrung. Mit steigendem Alter wird dann beim Spaziergang nicht mehr jede beliebige Kastanie aufgehoben, sondern etwa nur noch solche, die den Kindern ganz besonders schön erscheinen. Durch das Sammeln lernen wir gleichzeitig auch Dinge miteinander zu vergleichen, sie zu bewerten und dafür auch bestimmte Kriterien zur Einschätzung zu entwickeln.

Typische Sammelgebiete

Während Kinder zunächst alles Mögliche sammeln, was sie in die Finger bekommen – schließlich ist alles erst einmal neu – zeigen sich oft schnell schon bestimmte Präferenzen. Je nachdem, wo die persönlichen Interessen liegen, tun sich mögliche Sammelgebiete auf. Dabei ist es ganz natürlich, dass sich die Interessen gerade bei Kindern und Jugendlichen noch häufig verändern können.

Briefmarken sind generationenübergreifend ein beliebtes Sammelobjekt.

fotolia.com, liveostockimages

Vom Ansammeln beliebiger Gegenstände entwickelt sich eine Sammelleidenschaft dann oft als Hobby. Sehr häufig werden beispielsweise Bücher gesammelt, Auto- und Techniknarren konzentrieren sich auf maßstabsgetreue Modelle von Fahrzeugen oder anderen technischen Dingen. Auch Münzen, Briefmarken oder Uhren stehen ganz oben auf der Liste der beliebtesten Sammelstücke.

Vielen Frauen wird eine besondere Leidenschaft für Schuhe nachgesagt. Tatsächlich scheint das weibliche Geschlecht öfter eine Neigung zu haben, Schuhe zu sammeln. Eine Umfrage ergab, dass Frauen im Durchschnitt deutlich mehr Schuhe besitzen, als Männer. Auch für diese Leidenschaft gibt es eine psychologische Erklärung. Schuhe sind ein Gegenstand, auf den sich persönliche Wünsche und Sehnsüchte sehr gut projizieren lassen. 

Egal ob elegant, sportlich oder sexy, wer sich ein Paar kauft, kauft immer auch ganz bestimmte Emotionen mit. Die Schuhe haben sich dabei längst vom bloßen Schutz der Füße zu einem emotional aufgeladenen Accessoire und Kulturgut entwickelt, das die verschiedensten Stimmungen und Stile widerspiegelt. Die Hersteller und Händler befeuern diese Passion für Schuhe mit ständig neuen Trends, Formen und Farben, passend zu den jeweiligen modischen Strömungen.   

Um sich in eine bestimmte Stimmung zu versetzen, können die passenden Schuhe dann den schnellsten Weg darstellen. Auch, wenn viele Paare vielleicht gar nicht (häufig) getragen werden, gibt die Sammlung im Schuhschrank dem Besitzer oder der Besitzerin ein gutes Gefühl.

Besitzen und Beherrschen

In gewisser Weise trägt das Sammeln auch noch zur Befriedigung weiterer Bedürfnisse bei. Durch das Ansammeln von Dingen häufen wir oft auch einen gewissen materiellen Besitz an. Unter Gleichgesinnten kann man mit einer umfangreichen Sammlung oder besonders seltenen Stücken auch das persönliche Ansehen verbessern.

Für Menschen, die sich sonst im Leben schwertun, Kontakte zu knüpfen oder sich zu behaupten, kann die Beschäftigung mit einem solchen Hobby einen passenden Ausgleich schaffen. Auf einem beschränkten Gebiet kann durch die Sammelleidenschaft Expertenwissen in einem bestimmten Bereich erlangt werden. Im Kreis anderer Sammler lässt sich so Anerkennung gewinnen.  

Auch wenn die Sammelobjekte in vielen Fällen eher einen ideellen und emotionalen Wert haben, kann eine Sammlung mitunter auch sehr wertvoll sein. Seltene Oldtimer, wertvolle Uhren oder besonders hochwertige Instrumente und Einzelstücke können so auch als Geldanlage dienen.

Souvenirs und Mitbringsel aus dem Urlaub werden ebenfalls gerne gesammelt.

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Wirtschaftliche Bedeutung des Sammelns

Nicht nur die Schuhindustrie, auch andere Wirtschaftszweige profitieren von der Sammelwut der Menschen oder befeuern diese noch. Regelmäßig durchstreifen leidenschaftliche Sammler die Flohmärkte rund um den Globus, um unentdeckte Schätze aufzuspüren, die in der ganz persönlichen Sammlung noch fehlen. Schon die Kinder werden zum Kauf von Überraschungseiern mit Sammelfiguren oder beim nächsten Fußballereignis zum Sammeln der Aufkleber ihrer sportlichen Idole angeregt.

Die Sammelalben etwa für Fußballbildchen haben zudem noch einen visuellen Effekt. Durch den systematischen Aufbau mit den freien Feldern für jedes einzelne Sammelbild wird ganz klar deutlich, wo noch Lücken sind und einzelne Stücke fehlen. Auf diese Weise wird der Sammeltrieb bestärkt.  

Nippes und Souvenirs sind ebenfalls Dinge, die von vielen Menschen gerne gesammelt werden. Von Reisen oder aus dem Urlaub mitgebracht stellen sie eine wichtige Erinnerung an die schöne Zeit oder an einen besonderen Ort dar. Die zahlreichen Andenkenläden sind aus touristischen Gebieten nicht mehr wegzudenken und tragen dort einen großen Teil zur lokalen Wirtschaft bei.  

Einige Sammlungen haben auch einen wissenschaftlichen Wert.

unsplash.com, Victoria Kure-Wu

Wissenschaftliche Bedeutung des Sammelns

Darüber hinaus hat das Sammeln auch für die Wissenschaft eine wichtige Bedeutung. Vor allem sammeleifrige Naturforscher haben mit ihren ganz persönlichen Sammlungen einen Beitrag zur systematischen Kategorisierung der unterschiedlichsten Bereiche beigetragen. Durch die Sammlungen sind umfangreiche Bestandsaufnahmen entstanden, die jeweils eine spezielle Disziplin betreffen. So ist es möglich, bestimmte Dinge zu dokumentieren und sie eventuell auch für spätere Zeiten zu konservieren. Sammlungen wie etwa die von Pflanzen in botanischen Gärten können auf diese Weise zur Erhaltung seltener Arten beitragen.

Auch heute noch gelten wissenschaftliche Sammlungen als Basis weiterführender Forschungstätigkeiten. In Museen dienen sie der Wissensvermittlung für die allgemeine Bevölkerung. Aus den unterschiedlichsten Orten der Erde zusammengetragen, können wir dort exotische Dinge anderer Kulturen betrachten und kennenlernen und so unser Weltbild erweitern.

Sammeln als Spiegel der aktuellen Zeit

Viele Bereiche und Objekte waren bereits vor Jahrhunderten beliebt und begehrt und haben bis heute nichts an ihrer Anziehungskraft verloren. Waffen, Schmuckstücke, Uhren oder besondere Dinge aus der Natur wie Steine oder Perlen sind Beispiele dafür.

Dennoch spiegelt die Sammelleidenschaft der Menschen immer auch die speziellen Interessen ganzer Generationen wider. Galten Schmetterlinge früher als beliebte Sammelobjekte, können sich heute nur noch wenige auf diese Art für die filigranen Falter begeistern. Heute findet das Sammeln auch in virtueller Form statt. Das Augmented-Reality Spiel Pokémon Go setz unter anderem auf unseren Sammeltrieb und animiert uns so zum Spielen.

Die umfangreiche Plattensammlung galt lange Zeit unter eingefleischten Vinyl-Fans als Muss und typischer Zeitvertreib. Nachdem die Schallplatte nach und nach von anderen Tonträgern und zuletzt von digitalen Speicherformaten verdrängt wurde, erlebt sie derzeit ein regelrechtes Revival. Alte Sammlungen mit besonderen Raritäten sind jetzt wieder gefragt – genauso wie limitierte Neupressungen aktueller Alben. 

Fazit

Sammeln ist beides: Hobby und Kulturtechnik. Der Sammeltrieb ist tief im Menschen verwurzelt und hilft ihm die komplexe Welt zu begreifen. Gleichzeitig macht das Sammeln auch einfach Spaß und befriedigt unsere Wünsche nach Besitz, vermittelt uns ein gutes Gefühl und ist ein Weg, unser Wissen zu erweitern.

Viele beliebte Sammelobjekte haben sich dabei im Laufe der Geschichte immer wieder geändert und zeigen auf besondere Weise den jeweiligen Zeitgeist. Andere hingegen haben nach wie vor nichts von ihrer Faszination verloren.