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Sexualität im Alter
Wer heute die 50 überschritten hat, der wuchs je nach Region in einem prüden Umfeld auf – die sexuelle Revolution der 60er und 70er, von der heute in der Retrospektive so oft die Rede ist, kam in manchen Teilen Deutschlands erst in den 80ern an – für die heutige Generation von Senioren zu spät, um sie noch als Jugendlicher oder junger Erwachsener zu erleben. Weil aber gerade die dann gemachten Erfahrungen sich auf das restliche Leben auswirken, haben viele Ältere heute ein Problem. Denn Sexualität im Alter ist in der Öffentlichkeit noch ein Tabuthema. Und gleichsam wird von der Werbung vorgelebt, dass nur jung gleich sexy ist. Das führt bei Senioren vielfach dazu, dass sie ihrem Sexualleben kaum noch Aufmerksamkeit schenken. Besonders gravierend ist das angesichts der Tatsache, dass auch im Alter noch sämtliche körperlichen Funktionen vorhanden sind und gerade dann der Sex vor allem auf psychischer Ebene äußerst erfüllend sein kann. Aus diesem Grund will der folgende Artikel mit den größten Irrtümern und Halbwissen aufräumen, die sich rund um Sexualität im Alter gebildet haben.
1. Allgemein
Grundsätzlich gib es keinen Grund, der Sex im Alter ausschließt. Allerdings ändern sich sowohl bei Männern als auch Frauen Wahrnehmungen und teilweise auch körperliche Voraussetzungen. Was jedoch falsch ist, sind Ansichten wie:
- Im Alter fühlt man sich nicht mehr zueinander hingezogen. Das ist ein Irrglaube, der vielen vom Jugendwahn der Werbung injiziert wird. Ein Partner wird Sie so lieben, wie sie sind. Ob mit grauen Schamhaaren oder altersbedingtem Hängebusen. Sexuelle Begierde ist mehr als Äußerlichkeiten.
- Aufgrund der reduzierten Leistungsfähigkeit ist Sex anstrengender. Man ist so alt, wie man sich fühlt. Natürlich gibt es Menschen, bei denen die Gelenke gewisse Stellungen nicht mehr zulassen. Das sollte aber kein Grund sein, den Sex ganz aufzugeben.
- Mein Partner könnte mich als „Lustgreis“ ansehen. Auch das ist ein Irrglaube. Kein Partner wird sie für einen Lustgreis halten – das Problem ist hier vor allem mangelnde Kommunikation: Reden Sie miteinander über Ihre Lüste. Insbesondere dann, wenn sie schon seit Jahrzehnten zusammen sind. Wenn man sich dann nicht alles sagen kann, wann dann? Außerdem gibt es auch Webforen, wie zum Beispiel das 50plus-Treff Portal, in denen Sexualität im Alter unter Gleichgesinnten ausführlich diskutiert werden kann.
Nochmals: Es gibt wirklich keinen Grund, warum alte Menschen keinen Sex haben sollen. Wenn beide Spaß daran haben, dann sollte alles andere (und erst Recht falsche Moralvorstellungen einer prüden Erziehung) hintenan stehen. Wichtigste Grundlage ist, dass Schamgefühle fallen gelassen werden. Wer seinen Körper nie richtig entdeckte, wird sich auch im Alter nicht gehen lassen können. Ein Tipp noch: Bei beiden Geschlechtern verläuft die Erregungskurve jetzt flacher. Dem Vorspiel sollte daher maximale Bedeutung zukommen. Lassen Sie sich Zeit.
2. Für Männer
Im Alter machen die Arterien oft Probleme. Das bedeutet, es kann eine gewisse Zeit dauern, bis genügend Blut in die Schwellkörper fließt und zu einer harten Erektion verhilft. Verzweifeln sollten Männer daran doch nicht. Einerseits gilt auch beim „besten Stück“: Im Alter wird alles etwas langsamer. Und andererseits gibt es heute genügend Präparate, die dieses physische Problem aus der Welt schaffen.
Außerdem: Ab 40 müssen Männer wesentlich seltener mit vorzeitigem Erguss kämpfen – der Sex wird also länger. Und wenn Gelenkprobleme Stellungen schmerzhaft werden lassen, sucht man sich eben eine andere. Zudem: Nicht jeder Sex muss eine Penetration beinhalten. Auch im Alter kann es sehr lustvoll sein, sich gegenseitig mit Händen und Zunge zu stimulieren, besonders an den Tagen, an denen „er“ nicht so will wie sein Besitzer. Und auch als Rentner kann man sich selbst noch trainieren: Eine US-Studie fand heraus, dass über die Hälfte aller älteren Männer in Partnerschaften onanieren.
3. Für Frauen
Bei Frauen treten im Alter ebenfalls körperliche Gebrechen auf. Das für den Sex dringlichste ist die mangelnde Lubrikation der Scheide nach den Wechseljahren. Die einfachste Lösung lautet hier: Gleitgel. Und zwar so viel wie möglich. Das verhindert jeglichen Reibungsschmerz und damit einhergehende Schamgefühle.
Außerdem sollten Frauen nach den Wechseljahren sich etwas Positives vergegenwärtigen: Sie müssen jetzt auf keinerlei Verhütung mehr achten. Bloß gilt auch hier: Erzählen Sie Ihrem Partner, was Sie möchten und was sie erregt. Nur dann können Sie es auch bekommen und den Sex wirklich genießen und nicht nur als „Akt“ sehen, der hoffentlich bald vorbei ist.
Auch für Frauen gilt die Regel: Selbstbefriedigung hilft immens dabei, die eigenen Bedürfnisse kennenzulernen – sie ist die ideale Trockenübung für den eigentlichen Sex. Das ist insbesondere deshalb wichtig, weil durch im Alter vermindertes Fettgewebe der Schambereich insgesamt empfindlicher (auch im negativen Sinn) wird. Hier muss die eigene Empfindungsschwelle neu justiert werden – und das geht nur durch Selbstentdeckung. Selbstbefriedigung hat folgende Vorteile:
- Aktiviert den Kreislauf
- Trainiert das Herz
- Baut Spannungen ab
- Setzt Glückshormone frei
- Stärkt Beckenbodenmuskeln und beugt so Harninkontinenz vor
Und vor allem letzteres kann vielen Frauen den Spaß am Sex verleiden: Die altersbedingt schlechtere Durchblutung macht auch vor Darm und Blase nicht halt. Es kann also während des Orgasmus zu gewissen Undichtigkeiten kommen. Doch auch dies lässt sich vergleichsweise sehr einfach regeln: Einfach vor dem Liebesspiel die Toilette aufsuchen. Und wenn es passiert: Auch dafür hat ein liebevoller Partner Verständnis.
Fazit
Im Alter macht Sex genau so viel, wenn nicht gar mehr Spaß, als in früheren Jahren. Wichtig ist nur, dass keine Schranke im Kopf entsteht, und man sich ohne Angst und Scham an die neuen körperlichen Realitäten gewöhnt. Sex ist immer schön, ob mit 19 oder 79.