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Wie ein Film den Bubikopf zum Trend machte

Kurze Haare bei Frauen? Das war Anfang des 20. Jahrhunderts noch verpönt. Stattdessen galten lange Haare, Zöpfe oder der Dutt als Inbegriff der Weiblichkeit. Aber in den 1920er-Jahren, heute vor einem Jahrhundert, setzte sich ein neuer Trend durch: der Bubikopf. Dafür schnitten die Frauen ihre Haare so ab, dass sie nur noch knapp über die Ohren reichten. Wie kam es dazu? Und was machte die Frisur so besonders?
ABO, 10.02.2021

Traditionsbruch: Filmstar Louise Brooks mit Bubikopf

Bain News Service  / Public domain

Über Jahrhunderte hinweg waren lange Haare bei Frauen – und teilweise auch bei Männern - der Standard. Im 19. Jahrhunderts war es dann in begüterten Kreisen üblich, dass sich Frauen ihre Haare zu aufwendigen Frisuren aufsteckten und mit Nadeln und Spangen schmückten. Bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein waren leicht gewellte bis gelockte Haare im Trend, oft wurde dafür mit einer heißen Presse nachgeholfen. Auch schlichte Frisuren wie ein Knoten oder Dutt oder zum Beispiel lange Zöpfe waren verbreitet. Das lange Haar galt damals als ein Zeichen der Weiblichkeit.

Coco Chanel als Vorreiterin

Doch ab 1910 wandelte sich diese typische Frisur: Die französische Modedesignerin Gabrielle Chanel - als „Coco“ bekannt - eröffnete ihre erste Boutique "Chanel Modes" in Paris. Darin präsentierte sie nicht nur erstmals schlichte, locker und ohne Korsett sitzende Kleider und Röcke aus Jersey. Sie selbst  schnitt sich auch ihre Haare zu einer Kurzhaarfrisur im Bob-Stil ab, dem Bubikopf.

Damit reichten Coco Chanels Haare nur noch knapp über die Ohren und ähnelten eher einem Männerhaarschnitt – revolutionär für die damalige Zeit. Mit ihrer neuen und funktionalen Frauenmode und den kurzen Haaren war sie eine der Ersten, die eine Gegenbewegung zu dem damals für Frauen üblichen Aussehen initiierte.

Das androgyne Styling Asta Nielsens in der Hamlet-Verfilmung von 1921 verhalf der Kurzhaarfrisur auch in Deutschland zum Durchbruch.

Franz Peffer, Verlagsdruckerei Meissner & Buch

Film löst Modewelle aus

In Deutschland kam dieser Trend zum Bubikopf allerdings erst mit einigen Jahren Verspätung an – und Anstoß dafür gab ein Kinofilm: In der Verfilmung von Shakespeares „Hamlet“ trug die Schauspielerin Asta Nielsen in der Hauptrolle den „männlichen“ Bubikopf und einen Pony. Damit begeisterte sie die weiblichen Zuschauer und löste nach der Filmpremiere am 9. Februar 1921 - vor genau 100 Jahren - einen wahren Boom dieser neuen Haarmode aus.

Der neue Bubikopf-Haarschnitt galt als Symbol für die in den 1920er-Jahren aufkommende Emanzipation der Frauen eund war außerdem praktisch: Nach dem Ersten Weltkrieg waren erstmals fast 40 Prozent der Berufstätigen weiblich, weil viele Männer gefallen waren oder im Krieg verwundet wurden. Dadurch, dass viele Frauen nicht mehr als Hausfrau oder Mutter arbeiteten, hatten sie noch weniger Zeit für aufwendiges Frisieren und das Kämmen der langen Haare – der Kurzhaarschnitt war die Lösung.

Vorbild Asta Nielsen mit Bubikopf


Alexander Binder - EYE Film Institute Netherlands / Gemeinfrei

Die neue Frau

Mit dem Bubikopfhaarschnitt und der Möglichkeit, arbeiten zu gehen und auch ohne einen Ehemann Geld zu verdienen, wurden die Frauen immer selbstständiger.

Mit der „frechen“ Frisur eroberte so schließlich ein neuer, moderner Frauentyp die Straßen der europäischen Großstädte wie Berlin und Paris, aber auch in Städten der USA. Ob mit Pony oder Seitenscheitel, glattgekämmt oder mit Wellen – den Bubikopf gab es im Laufe der 1920er Jahres in immer mehr Varianten. Auch die weiße Bubikopf-Perücke oder Sonderformen wie der „Pagenschnitt“, bei dem die Haare am Hinterkopf so kurz waren wie bei den Männern, wurden immer beliebter – zumindest bei den Frauen.

Die Gegner des Bubikopfs

Während viele Frauen dieser neuen Frisurenmode folgten, kritisierten die Männerwelt sowie konservative Kreise den "neumodischen" Kurzhaarschnitt. Er war in ihren Augen ein Symbol für den Sittenverfall der Gesellschaft und insbesondere der emanzipierten Frauen. Mit dieser Frisur seien Frauen ja kaum mehr von Männern unterscheidbar, hieß es. . Auch die evangelische Kirche äußerte sich damals zum Bubikopf und bezeichnete ihn als "undeutsch".

Tatsächlich erlebten der Bubikopf und mit ihm die Emanzipation der Frau in Deutschland nur eine kurze erste Blüte:   Mit dem Erstarken des Nationalsozialismus wurde auch die Rolle der Frau wieder konservativ und ganz im Sinne des Patriarchats definiert: Frauen hatten Mutter und Hausfrau zu sein, eine Berufstätigkeit war bei der verheirateten Frau nicht erwünscht. .

In den USA setzte die Regierung dem Bubikopf sogar durch amtliche Regelungen ein Ende. Im US-Bundesstaat Connecticut brauchten Frauen sogar eine staatliche Sondergenehmigung, um sich die Haare schneiden zu lassen. Doch der Emanzipations-Gedanke blieb auch ohne Bubikopf bestehen. Und spätestens ab den 1960er-Jahren wurde der Kurzhaarschnitt weltweit wiederentdeckt und erlebte eine Renaissance. Bis heute ist die symbolträchtige Frisur nie wieder ganz aus der Mode gekommen.

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