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Wie entstehen Erdbeben?

Wenn die Erde bebt, kann das in bewohnten Gebieten eine Schneise der Zerstörung hinterlassen. Häuser stürzen ein, Menschen sterben, es kommt zu Erdrutschen und manchmal auch meterhohen Flutwellen. Gerade erst hat ein starkes Erdbeben in Marokko tausende Leben gefordert. Doch wie kommt es überhaupt zu Erdbeben? Warum kann man sie nur schwer vorhersagen? Und wie wahrscheinlich sind starke Beben in Deutschland?
AMA, 13.09.2023
Seismograph

© adventtr, GettyImages

Am späten Freitagabend hat ein Erdbeben der Stärke 6,8 Marokko erschüttert. 75 Kilometer südlich von Marrakesch bebte die Erde so stark, dass mindestens 2.800 Menschen starben und 2.500 verletzt wurden. Viele weitere werden vermisst, doch die Wahrscheinlichkeit, sie jetzt noch lebend unter Schutt und Trümmern zu finden, schwindet von Stunde zu Stunde.

Schwere Erdbeben wie das in Marokko kommen in der ganzen Welt vor. So forderte im Jahr 2004 ein Erdbeben der Stärke 9,1 in Indonesien rund 230.000 Tote. 2011 sorgte ein Seebeben dafür, dass Japan von einem Tsunami überrollt wurde, der unter anderem das Kernkraftwerk in Fukushima zerstörte.

Wie entsteht ein Erdbeben?

Doch wie genau entstehen Erdbeben überhaupt? Um diese Form der Naturgewalt zu verstehen, müssen wir uns zunächst den Aufbau der Erde genauer anschauen. Unser Planet besteht aus mehreren Schichten, ähnlich wie ein Apfel. In der Mitte befindet sich ein fester, über 5.000 Grad heißer Kern aus Eisen und Nickel. Um ihn herum folgt zunächst der flüssige äußere Kern und dann der Erdmantel. Dessen äußere Schicht kann man sich als zähflüssigen „Ozean“ aus geschmolzenem Gestein vorstellen, der stets in Bewegung ist.

Auf diesem feurigen Ozean „schwimmen“ die tektonischen Platten der Erdkruste – das Land, auf dem wir leben. Jedes Jahr bewegen sich diese Platten um mehrere Zentimeter: auseinander, aufeinander zu oder aneinander vorbei. Man spricht auch von der sogenannten Plattentektonik. Wo auch immer die Platten aufeinandertreffen, entstehen gewaltige Spannungen. Etwa indem ihre Ränder aneinander reiben oder sich ineinander verkeilen. Wenn sich diese Spannungen dann mit einem Mal ruckartig lösen, bebt die Erde.

All das geschieht viele Kilometer tief unter unseren Füßen. Der Ort der Spannungsentladung heißt Erdbebenherd oder Hypozentrum. In der Berichterstattung über Erdbeben ist allerdings meist die Rede vom Epizentrum. Damit ist jener Punkt gemeint, der senkrecht über dem Hypozentrum an der Erdoberfläche liegt. Rund um das Epizentrum entfaltet ein Erdbeben seine verheerendsten Wirkungen. Liegt das Epizentrum mitten im Ozean, kann es sogar einen Tsunami auslösen.

Infografik zur Entstehung von Erdbeben
Entstehung von Erdbeben

Wie schaden Erdbeben einer Region?

Neben direkten Erdbebenfolgen wie einstürzenden Gebäuden, Erdrutschen, Rissen im Boden und Überflutungen fordern auch die indirekten Folgen regelmäßig zahlreiche Leben. Etwa indem Menschen durch das Erdbeben obdachlos werden, die Versorgung mit Nahrungsmitteln abgeschnitten wurde oder das Trinkwasser verunreinigt ist. Häufig herrschen vor Ort dann verheerende Hygienebedingungen, die wiederum die Ausbreitung von Infektionskrankheiten begünstigen. 

Welche Orte sind am stärksten betroffen?

Die Orte, die die negativen Auswirkungen der Plattentektonik am stärksten und häufigsten zu spüren bekommen, liegen direkt am Rand der Kontinentalplatten. Kollidiert die eigene Platte mit einer anderen, liegen die Ränder mitten im Geschehen. Besonders oft auf Kollisionskurs mit anderen Platten ist die Pazifische Platte. Sie umspannt die Westküste Südamerikas und den Osten Asiens ebenso wie Australien. Aber auch der Westen Nordamerikas, die Türkei, Italien, Griechenland und Island werden immer wieder von Starkbeben getroffen.

Blick vom Tempelkomplex Borobudur zum 30 Kilometer nordwestlich gelegenen Vulkan Merapi
In kaum einem anderen Land bebt die Erde so viel wie in Indonesien. Die zahlreichen Erdbeben und Vulkanausbrüche stehen in direktem Zusammenhang mit der komplexen Tektonik der Region.

© chrisinthai, GettyImages

Kann es auch in Deutschland zu Erdbeben kommen?

Deutschland ist zwar weit entfernt vom nächsten Plattenrand, doch auch hier kommt es pro Jahr zu zahlreichen Erdbeben. Allerdings fallen diese so schwach aus, dass wir sie entweder gar nicht oder nur leicht spüren. Ein für Deutschland verhältnismäßig starkes Beben hat gerade erst Pfungstadt in Südhessen erlebt. Obwohl seine Stärke von 3,1 längst noch nicht ausreicht, um ganze Gebäude einstürzen zu lassen, haben es die Menschen vor Ort trotzdem deutlich gespürt. Die Anwohner berichten unter anderem von wackelnden Betten und Knallgeräuschen. Ein Facebook-Nutzer beschreibt bildlich: „Ich dachte, es fährt ein Güterzug durchs Schlafzimmer.“

Erheblich stärkere Erdbeben als das in Südhessen sind hierzulande aber nicht zu erwarten. Denn die Erde bebt hier quasi nur indirekt durch das Aufeinandertreffen zweier tektonischer Platten. Die Erdbeben, die wir in Deutschland spüren, sind meist Ausläufer von der Kollision der Afrikanischen mit der Eurasischen Platte. Der dabei entstehende Druck ist so stark, dass er sogar die Alpen aufgefaltet hat. Doch dieser Druck äußerst sich in Deutschland nur an verschiedenen „Schwachstellen“, an denen ohnehin schon Risse und Verwerfungen den Boden durchziehen. Das ist zum Beispiel am Oberrheingraben der Fall.

Wie misst man Erdbeben?

Wie stark ein Erdbeben ist, lässt sich mithilfe eines Seismometers ermitteln, der die Erschütterungen der Erde misst. Die Erdbebenstärke wird dann mithilfe der Richterskala angegeben. Benannt ist sie nach dem US-amerikanischen Seismologen Charles Francis Richter, der sie in den 1930er Jahren entwickelt hat. Die Skala reicht von 0 bis 10, wobei die nächsthöhere Zahl jeweils zehnmal so starke Erschütterungen bedeutet wie die vorangegangene.

Erdbeben, die auf der Richterskala einen Wert von drei oder weniger erzielen, sind sehr schwach und oft nicht einmal spürbar. Von drei bis fünf sind bereits Erschütterungsgeräusche zu hören und Zimmergegenstände bewegen sich. Ab fünf wird es schließlich so gefährlich, dass Häuser Schäden davontragen und einstürzen können. Bei einer Erdbebenstärke von acht bis neun erstrecken sich diese Schäden bereits über hunderte, bei neun bis zehn sogar über tausende Kilometer. Ein Erdbeben stärker als zehn wurde zwar noch nie gemessen, hätte aber verheerende Auswirkungen in einem weiten Radius.

Kann man Erdbeben vorhersagen?

Ein Erdbeben frühzeitig ankündigen zu können, würde viele Menschenleben retten. Doch leider ist eine solche Vorhersage nur bedingt möglich. Zwar sind in besonders gefährdeten Regionen zahlreiche Seismografen aufgestellt, die bereits kleinste Erschütterungen wahrnehmen, doch selbst sie können ein Erdbeben maximal eine Minute im Voraus detektieren. Das gelingt ihnen, indem sie auf sogenannte Primärwellen anspringen, die wir Menschen kaum wahrnehmen. Bei einem Erdbeben gehen sie typischerweise den Sekundärwellen voran, die letzten Endes für die Zerstörung ganzer Städte sorgen.

Zwischen Primär- und Sekundärwellen können wenige Sekunden bis hin zu einer Minute liegen. Das reicht zwar nicht, um ganze Gebiete zu evakuieren, aber zum Beispiel, um Warnsirenen einzuschalten, Züge zu stoppen, Gasleitungen abzusperren und Ampeln auf Rot zu schalten. So können immerhin einige Situationen vermieden werden, die während eines Erdbebens typischerweise zu Todesfällen führen. Unter anderem wird dieses Vorgehen aktuell in Mexiko und Japan angewandt.

Eine Frühwarnmethode, die Erdbeben womöglich Stunden oder sogar Tage im Voraus ankündigen könnte, befindet sich aktuell noch in den Kinderschuhen und mutet gleichzeitig nahezu biblisch an. Denn Wissenschaftler haben gemerkt, dass einige Tiere ihr Verhalten ändern, bevor die Erde bebt. So bringen sich etwa Ziegen, Vögel und Kröten lange vorher in Sicherheit. Wie genau sich dieses Verhalten allerdings wissenschaftlich nutzen lässt, muss noch weiter erforscht werden.

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