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Woher kommt der Adventskranz?
Er gehört wie auch der Adventskalender einfach zur Vorweihnachtszeit dazu: Ein von der Decke herabhängender oder auf einem Tisch stehender Kranz aus Tannengrün, der oft mit weihnachtlihen Accessoires wie getrockneten Orangenschalen, Zimtstangen oder Schleifen dekoriert ist. Auf dem Kranz stecken vier Kerzen, die nach und nach an den vier Adventssonntagen angezündet werden. Leuchten sie alle, wissen wir, dass das Weihnachtsfest unmittelbar bevor steht.
Woher kommt der Brauch?
Seinen Ursprung hat der Adventskranz vermutlich Anfang des 19. Jahrhunderts. In Norddeutschland lebten zu dieser Zeit viele Familien in Armut und Elend. Der in Hamburg gebürtige, evangelische Theologe Johann Hinrich Wichern kümmerte sich um die aus den armen Familien stammenden Kinder. Er gründete dafür in einer Bauernscheune außerhalb der Stadt eine Unterkunft und einen Zufluchtsort, der heute als „Rauhes Haus” bekannt ist. Hier waren die Kinder sicher, bekamen zu Essen und konnten sogar am Schulunterricht teilnehmen.
So wie alle Kinder freuten sich auch Wicherns Kinder auf Weihnachten. Um ihnen die aufregende Zeit und das Warten zu erleichtern, steckte der Theologe im Dezember 1839 einige rote und vier weiße Kerzen auf ein Wagenrad und hängte es an die Decke. Ab dem ersten Adventssonntag zündete er jeden Sonntag eine weiße Kerze und an allen weiteren Tagen eine rote Kerze an. Dadurch wussten die Kinder jeden Tag, wie viele Nächte sie noch schlafen mussten, bevor es Weihnachten war. Der Wichern-Adventskranz war geboren – in Form eines Weihnachtskalenders.
Als die Idee des Theologen auch anderen gefiel
Den Brauch führte Wichern mit den Kindern auch in den nächsten Jahren fort: Die Zahl der roten Kerzen bis zum Heiligen Abend war dabei jedes Jahr unterschiedlich. Sie variierten zwischen 18 und 24 – je nachdem auf welches Datum der erste Adventsonntag fiel. Als Nebeneffekt übten die in Armut lebenden Kinder dabei auf einfache Weise das Zählen.
Erst um 1860, als Wichern schon über zwanzig Jahre lang diese Tradition pflegte, setzte sich der Kranz schließlich auch in den evangelischen Kirchen und Privathaushalten durch. Im Jahr 1925 wurde dann erstmals ein Kranz auch in einer katholischen Kirche in Köln aufgehängt, fünf Jahre später dann in München. Und spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg verbreitete sich der Brauch in aller Welt. Der Unterschied: Im Gegensatz zum traditionellen Wichern-Kranz schmückten die Menschen ihn nun häufig mit Tannengrün und steckten nur noch vier Kerzen für die vier Adventssonntage darauf.
Warum die Tradition blieb
Der Kranz begleitet uns noch heute in der Vorweihnachtszeit – aber nicht mehr nur, um uns das Warten zu erleichtern: Mittlerweile haben sich noch andere symbolischen Deutungen rund um den Adventskranz entwickelt.
Für viele Christen ist zum Beispiel das Tannengrün ein Zeichen der Hoffnung, denn selbst bei Eis und Schnee, Kälte und Dunkel bleibt das Grün im Winter erhalten – ähnlich wie die Zuwendung Gottes. Die Tannennadeln erinnern außerdem an die Dornenkrone auf Jesu Kopf bei der Kreuzigung. Auch die Kreisform des Adventskranz ist bedeutend, denn der Kranz hat dadurch keinen Anfang und kein Ende. Die Unendlichkeit steht im christlichen Denken für die Auferstehung und für die Gemeinschaft.
Außerdem verbinden einige das zunehmende Licht auf dem Kranz mit dem Nahen der Geburt Jesu Christi, der im christlichen Glauben als „Licht der Welt“ bezeichnet wird. Die Anzahl der Kerzen auf dem Kranz wird manchmal auch als die vier Himmelsrichtungen auf dem Erdkreis gedeutet. Und die traditionelle rote Farbe steht oft für die Liebe, mit der Christus zu den Menschen gekommen sein soll.
Manchmal rot, manchmal bunt
Doch die Farbsymbolik der Kerzen wird nicht überall derart gedeutet. Im Laufe der Zeit entscheiden sich Christen weltweit für ganz verschiedene Kerzenfarben: Im Erzgebirge werden die Adventkränze traditionell ausschließlich mit roten Kerzen geschmückt. Doch in einigen katholischen Kirchen kommt es auch vor, dass die Adventkranz-Kerzen in Violett und Rosa gefärbt sind. Dann sind von den vier Kerzen meist drei Kerzen violett und eine Kerze rosa – wie auch das priesterliche Gewand in der Vorweihnachtszeit.
In Norwegen werden grundsätzlich vier violette Kerzen verwendet. In Schweden hingegen ist die erste Kerze weiß - sie soll das Paradies symbolisieren. In Österreich wird der Adventkranz häufig mit Kerzen in den Farben Violett, Rot, Rosa und Weiß geschmückt, die in dieser Reihenfolge entzündet werden. Eine besondere Ausnahme bilden die katholischen Kirchen in Irland: Zu den drei violetten und einer rosa Kerze nutzen sie noch eine zusätzliche weiße Kerze. Diese fünfte Kerze steht in der Mitte des Adventkranzes und wird am Heiligabend entzündet. In manchen italienischen Gemeinden trägt der Kranz sogar sechs Kerzen, weil dort sechs Wochen Advent gefeiert wird.
Hauptsache der Kranz gefällt
Bei uns sind es aber sehr häufig einfach ästhetische Gesichtspunkte, die das Aussehen des Adventskranzes prägen. So kann der Adventskranz aus einem Stroh- oder Mooskranz bestehen, der mit Tannengrün umwickelt wird. Darauf setzen die meisten vier Kerzenhalter mit roten, goldenen oder weißen Kerzen. Je nach Geschmack wird er zusätzlich beispielsweise mit kleinen Weihnachtskugeln oder Zimtstangen verziert.
Neben diesen Standatf-Varianten gibt es heute auch Kränze aus Frottee, aus Plastik oder aus Porzellan. Vermehrt sieht man auch eine moderne Interpretation des Adventskranzes, die aus vier Teelichtern auf einem Tablett mit etwas Tannengrün besteht.
Vermutlich wird einzig im Rauhen Haus in Hamburg bis heute die originale Wichern-Tradition aufrecht erhalten: Hier gibt es in der Vorweihnachtszeit noch immer den Adventskranz nach Wichern mit seinen vier weißen und mehreren roten Kerzen auf dem Wagenrad. Vielleicht könnte auch das eine Idee sein, die nun der ein oder anderen zu Hause umsetzt – Hauptsache der Kranz gefällt.