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30 Jahre Tschernobyl: Der größte Atomunfall der Geschichte

Am 26. April 1986 ereignete sich der bisher größte Atomunfall der Geschichte: Im Atomkraftwerk von Tschernobyl explodiert ein ganzer Reaktorblock und schleudert Tonnen hochradioaktives Material in die Atmosphäre. Der radioaktive Fallout überzieht halb Europa. Noch heute, 30 Jahre nach dem GAU, geht von der Reaktorruine tödliche Strahlung aus.
NPO, 26.04.2016

Blick auf den Sarkophag der Reaktorruine von Tschernobyl und ein an den Atomunfall erinnerndes Denkmal.
Die Explosion

Die Atomkatastrophe von Tschernobyl beruht auf einer Verkettung fataler Umstände – wie oft bei solchen Ereignissen. Schwachstellen im Reaktorkonzept, Sicherheitsverstöße der Bedienmannschaft und Fehleinschätzungen der Situation führen am 26. April 1986 dazu, dass ein Sicherheitstest am Reaktorblock 4 des Kraftwerks plötzlich außer Kontrolle gerät. Eigentlich wollen die Ingenieure nur testen, ob die Turbinen bei einem Stromausfall lange genug laufen, um die Kühlung so lange in Gang zu halten, bis die Diesel-Notstromgeneratoren starten.

Doch das Experiment geht fatal schief: Um 01:32 Uhr nachts ist der Reaktor so überhitzt, dass der Schichtleiter eine Notabschaltung veranlasst. Aber zu spät. Bevor die Steuerstäbe die Kettenreaktionen stoppen können, ereignen sich zwei schnell aufeinanderfolgende Explosionen aus. Ihre Wucht hebt die rund 3.000 Tonnen schwere Abdeckplatte des Reaktors in die Höhe, zerstört das Dach des Gebäudes und schleudert mehrere Tonnen radioaktiven Kernbrennstoffs vermischt mit verseuchten Trümmern in die Umgebung.

Die Hitze entzündet nun das Graphit und der gesamte Reaktorblock beginnt zu brennen. Der uranhaltige Kernbrennstoff schmilzt und bildet eine glühende radioaktive Lava am Grund des Reaktors – die Kernschmelze ist eingetreten. Der Aufstrom heißer Luft aus dem Reaktor reißt radioaktive Partikel bis zu 2.000 Meter weit in die Höhe. Zehn Tage lang strömen dadurch Cäsium-137, Jod-31, Strontium-90 und 23 weitere Radionuklide nahezu ungehindert in die Atmosphäre.

An der Karte des radioaktiven Niederschlags rund um das Kraftwerk lässt sich erkennen, dass zum Zeitpunkt der Katastrophe vorwiegend südliche bis östliche Winde wehten - daher rührt die vergleichweise starke Falloutbelastung Skandinaviens.

Sting; Bearbeitungen: Luxo, Devil m25, Enricopedia /  CC BY-SA 2.5

Der Fallout

Trotz verzweifelter Versuche, die Brände und die Strahlung unter Kontrolle zu bekommen, dauert es zehn Tage, bis Kraftwerksarbeiter und Militär zumindest die weitere Freisetzung von radioaktivem Fallout halbwegs eindämmen können. Die Bilanz ist fatal: Insgesamt wird nach Schätzungen von Experten eine radioaktive Fracht von gut fünf Trillionen Becquerel freigesetzt. Allein vom radioaktiven Cäsium-137 und Iod-131 sind es die zehnfache Menge des Atomunfalls von Fukushima im März 2011.

Der vorherrschende Südostwind bläst den radioaktiven Fallout zunächst nach Nordwesten in Richtung Skandinavien, dann nach Mitteleuropa und auf den Balkan. Insgesamt werden 40 Prozent Europas allein durch Cäsium-137 mit mehr als 4.00 Becquerel pro Quadratmeter kontaminiert. In Süddeutschland erreichen die Werte stellenweise bis zu 75.000 Becquerel pro Quadratmeter. Die International Atomic Energy Agency (IAEA) stuft das Atomunglück von Tschernobyl als ersten Atomunfall überhaupt in die höchste Kategorie sieben ein - damit ist dieses Ereignis offiziell die größte Nuklearkatastrophe der Geschichte.

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