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Als wir um 3 Uhr morgens mit Papa aufstanden…

Es gehört zum kollektiven Erfahrungsschatz der heute 35- bis 45-Jährigen: Mitten in der Nacht um 3 Uhr klingelte der Wecker und man durfte sich mit Papa vor den Fernseher setzen. Boxen gucken war angesagt. Das deutsche Fernsehen verzeichnete im Morgengrauen traumhafte Einschaltquoten. Im Ring Muhammad Ali, das beste Aushängeschild, das der Boxsport je hatte. Ali hat in Triumph und Niederlage die Faszination des Boxens geradezu verkörpert. Sein boxerisches Können und sein wortgewaltiger Witz, sein Charisma und seine Intelligenz haben viele eines Besseren belehrt, die den Boxsport bis dahin nur für ein primitiv-archaisches Ritual gehalten haben. Die großen Ali-Fights der 1970er Jahre gegen Boxer wie Jerry Quarry, Ken Norton, Joe Frazier, George Foreman und Leon Spinks sind bis heute unvergessen: als sporthistorische Highlights, als bestes Entertainment und als schicksalhafte Ringschlachten eines Mannes, dessen Persönlichkeit und Lebensweg die Menschen auf der ganzen Welt fasziniert.

Die Ali-Kampagne: der Tanz auf dem Hochseil

Seine Voraussage “Ich bin super, in der fünften fällt Cooper” – den k.o. in der fünften Runde löste Cassius Clay am 18.11.1963 im Kampf gegen Henry Cooper ein.
dpa

In den 1970er Jahren stand Ali bereits im Herbst seiner großartigen Karriere. 1967 war dem zum Islam übergetretenen Schwergewichts-Weltmeister wegen Wehrdienstverweigerung der Titel aberkannt worden. Nach einer dreijährigen Zwangspause es wären seine besten Jahre gewesen kehrte er am 26. Oktober mit einem K.o.-Sieg in der dritten Runde gegen Jerry Quarry wieder in den Ring zurück.

Ali galt in der Vergangenheit als “Amerikas größtes Ego, wie es der amerikanische Schriftsteller und Fan Norman Mailer einmal ausdrückte. Cassius Marcellus Clay der seinen “Sklavennamen ablegte und sich Muhammad Ali nannte war in der Tat für einen schwarzen Boxer der 1960er Jahre alles andere als bescheiden. Er hatte eine provokative Kampagne unter der Parole “I am the Greatest geführt. In einer bislang einzigartigen Form von Selbstinszenierung verkündete er erläuternd “Ich bin der großartige, kühnste, schnellste und schönste Berufsboxer der Welt oder auch: “Ich bin so schnell, dass ich im Bett bin, bevor die Lampe ausgeht.

Von seinem zehnten Kampf an hatte er die Runde angesagt, in der er seine Gegner k.o. schlagen würde. Das hörte sich dann so an und wurde auch eingelöst: “Moore in four oder “Ich bin super, in der fünften fällt Cooper. Das Zuschauerinteresse an seinen Kämpfen speiste sich zu einem großen Teil daraus, dass man dieses Großmaul endlich gestopft sehen wollte.

Wenn Ali in die Mikrofone dichtete (vielen gilt er als der erste Rapper), hörte sich das so an: “Ich habe mit einem Alligator gerungen/ Ich hatte Streit mit einem Wal/ Ich habe einen Blitz gefesselt/ Ich habe Donner eingesperrt/ Ich kann durch einen Hurrikan rennen/ Ohne nass zu werden/ Gerade letzte Woche habe ich einen Felsen erschlagen/ Einen Stein verletzt/ Einen Backstein ins Krankenhaus geschickt/ Ich bin so böse, ich mache sogar Medizin krank.

Aber Ali war nicht nur ein Großmaul: Er war 1960 in Rom Olympiasieger im Halbschwergewicht geworden und hatte am 25. Februar 1964 den 5:1-Favoriten und Schwergewichts-Weltmeister Sonny Liston entthront. Und er war unbestritten der schnellste, beste und eleganteste Schwergewichtler seiner Zeit.

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