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Ludwig II.: Träumer auf dem Thron
War Ludwig dem königlichen Amt gewachsen?
Wie sich im Verlauf seiner Regierungszeit herausstellen sollte, eher nicht. Die zu jener Zeit übliche, streng hierarchische Erziehung am Königshof und der frühe Verlust des Vaters führten dazu, dass Erbprinz Ludwig schlecht auf sein Amt vorbereitet war, als er mit gerade 18 Jahren den Thron bestieg. Die strenge Hofetikette verbot soziale Kontakte mit Gleichaltrigen und formte aus ihm einen Sonderling und Einzelgänger.
Dabei entsprach der am Geburtstag seines Großvaters König Ludwig I., dem 25. August 1845 als Sohn von Kronprinz Maximilian und der Hohenzollern-Prinzessin Marie in Schloss Nymphenburg geborene Thronfolger in jungen Jahren dem Bild eines Herrschers auf fast ideale Weise: groß und schlank, eine leuchtende Schönheit. Sehr zu seinem Missvergnügen war die Macht des Königs aufgrund der bayerischen Verfassung deutlich eingeschränkt. Er hatte zum Beispiel keinen Zugriff auf staatliche Gelder und erhielt vom Parlament nur festgesetzte Summen als Apanage, wie das bis heute in konstitutionellen Monarchien üblich ist. Aber Ludwig II. war ein Monarch, der seine Träume rigoros zu leben trachtete und dabei jene Freiheit suchte, die ihm sein hohes Amt verweigerte. Nur – versunken in absolutistische Fantastereien vermochte der schwärmerische König kaum die Erwartungen seiner Untertanen zu erfüllen.
Von wem wurde Bayern wirklich regiert?
Von den Ministern. Ludwig wurde die königliche Würde zunehmend zur Bürde. Voller Verachtung für die »Niederungen« des Alltags, zog er sich immer mehr in seine Welt zurück. Seine Residenzstadt München bekam ihn kaum je zu sehen. Das Regieren überließ er den Ministern. Während der Entscheidungsphase im Vorfeld der Kriege von 1866 und 1870/71 flüchtete Ludwig in seine geliebten bayerischen Berge. Er versuchte zwar, Bayern aus den Kriegshandlungen herauszuhalten, aber eigener politischer Gestaltungswille war ihm genauso wenig gegeben wie die Fähigkeit, dem Druck seiner Kamarilla standzuhalten. Letztlich vollzog er nur per Unterschrift, was andere ihm vorschrieben; sogar der berühmte Kaiserbrief von 1871, mit dem er Preußen die Kaiserkrone anbot, war diktiert – von Bismarck.
Auf die Beitrittsverhandlungen zur Gründung des Deutschen Reichs nahm Ludwig keinerlei Einfluss – eine Verweigerungshaltung, die er mit Unpässlichkeit und Weltflucht begleitete. Seine Rücktrittsdrohungen nahm niemand ernst, er selbst wohl auch nicht. Dass in Bayern, das mit der deutschen Einigung von 1871 einen Teil seiner Souveränität hatte aufgeben müssen, reichsfeindliche und reichsfreundliche Kräfte miteinander rangen, war ein Politikum. Ludwig bekam natürlich dessen Sogwirkung zu spüren, ohne allerdings die Ursache wirklich zu erkennen, zumal einer seiner wenigen Vertrauten, der Oberstallmeister Graf Holnstein, auf beiden Seiten agierte. So geriet der König in einem politischen Machtkampf hinter den Kulissen zwischen die Mühlsteine der verschiedenen Interessen.
Welchen Leidenschaften frönte Ludwig?
Ludwig hatte nur zwei leidenschaftliche Vorlieben: Richard Wagner und das Bauen von Schlössern. Der abgöttisch verehrte Wagner wirkte auf den »Romantiker auf dem Thron« wie eine Droge. Der egomanische Komponist versuchte die bayerische Politik zu beeinflussen und den Monarchen finanziell auszuplündern. Sein Lebenswandel rief allgemeine Empörung hervor und erinnerte das Volk an die Lola-Montez-Affäre, die 1848 König Ludwig I., dem Großvater, den Thron gekostet hatte.
Die Schlösser Neuschwanstein, Linderhof und Herrenchiemsee – steingewordene Träume absolutistischer Herrschaft und Zufluchtsort – ließen der königlichen Bauwut freien Lauf. Er finanzierte sie aus seiner Privatschatulle, die am Ende selbstredend hoffnungslos überschuldet war. Die Gesamtkosten seiner bis auf Linderhof nie vollendeten Märchenschlösser beliefen sich auf die gewaltige Summe von 31,21 Millionen Mark. Aber sie setzten Bauwirtschaft und Handwerk in Arbeit und Brot; gerade das bayerische Kunsthandwerk profitierte enorm von Ludwigs Vorliebe für aufwändiges Interieur.
Verhielt sich der König standesgemäß?
Nein! Ludwigs seltsame Neigungen sowie die melancholische und verschrobene Art waren immer wieder Anlass für Gerede: seine nach wenigen Monaten wieder gelöste Verlobung mit seiner Cousine Sophie in Bayern, der Schwester der österreichischen Kaiserin Elisabeth, die nächtlichen Schlittenfahrten, die exzessiven Trinkgelage in ausschließlich männlicher, ganz und gar nicht standesgemäßer Gesellschaft! All dies war politische Munition, die nur darauf wartete, gezündet zu werden.
War der König verrückt?
Ein von der Regierung in Auftrag gegebenes ärztliches Gutachten bescheinigte dem König geistige Umnachtung und Unzurechnungsfähigkeit, woraufhin Ludwig am 9. Juni 1886 entmündigt wurde. Wie sich herausstellte, handelte es sich um ein Komplott, denn ein Arzt hatte Ludwig nie umfassend und gründlich untersucht. Wer aber wie Ludwig die Normen des Königtums sprengte, musste mit Widerstand rechnen. Sein mysteriöser Tod in der Nacht des 13. Juni 1886 bei Berg im Starnberger See hat die Spekulationen bis heute nicht verstummen lassen. War es Mord, Selbstmord, ein Unfall? Dem Mythos Ludwig war dieser Tod jedenfalls zuträglich.
Wussten Sie, dass …
der technikbegeisterte König Ludwig II. bereits zwei Jahre vor Patentanmeldung der Glühbirne (Kohlefadenglühlampe) durch Thomas Alva Edison im Jahr 1879 schon mit einer »elektrischen Beleuchtung« am Schlitten durch das Graswangtal zum Schloss Linderhof fuhr?
Schloss Linderhof mit den neuesten Errungenschaften der Technik ausgestattet war, wie zum Beispiel einem W.C., und dass die Raumtemperatur in der berühmten Grotte von einer richtigen Klimaanlage gesteuert werden konnte?
in der Münchener Residenz 1882 auf Drängen Ludwigs II. ein Telefon installiert wurde?
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