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Coronavirus in Deutschland – Was tun?
Innerhalb von gut zwei Monaten hat sich das Coronavirus SARS-CoV-2 von China aus auf nahezu alle Kontinente ausgebreitet. Zwar bildet Asien noch immer den Schwerpunkt der Epidemie, aber auch in Afrika, in Nordamerika, Australien und Europa gibt es inzwischen Covid-Fälle.
Das Coronavirus in Deutschland
In Deutschland sind in Nordrhein-Westfalen, in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz erstmals neue Covid-Fälle aufgetreten, bei denen nicht klar ist, wie und wo sich diese Patienten angesteckt haben – sie hatten weder Kontakt nach China oder nach Italien. Erschwerend kommt hinzu, dass beispielsweise die Patienten aus dem Rheinland vor ihrer Erkrankung noch am Karneval teilgenommen hatten, die Frau ist zudem Kindergärtnerin. Es steht daher zu befürchten, dass weitere Menschen angesteckt wurden.
Noch wird versucht, eine weitere Ausbreitung einzudämmen – unter anderem durch Quarantäne von Verdachtsfällen und das Aufspüren möglicher Kontaktpersonen. "In der Frühphase einer Ausbreitung ist eine strikte Umsetzung von Isolation- und Quarantänemaßnahmen sinnvoll", erklärt Ulrichs. "Damit kann die weitere Verbreitung zumindest verlangsamt werden, was Zeiträume für weitere Gegenmaßnahmen eröffnet." Allerdings sind diese Maßnahmen kaum noch wirksam, wenn es schon mehrere Ausbruchsherde gibt.
Bei den ersten deutschen Covid-Fällen in Bayern, die sich bei einer chinesischen Geschäftsfrau angesteckt hatten, funktionierte diese Form der Eindämmung noch sehr gut. Bei jetzt neu aufgetretenen Fällen jedoch könnte dies wegen kaum noch nachvollziehbarer Kontakte und Infektionsketten schwierig werden, wie auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn am Mittwoch zugab. Man müsse sich darauf einstellen, dass sich das Coronavirus auch in Deutschland weiter ausbreiten werde.
Was tun bei Verdacht auf Ansteckung?
Wer den Verdacht hat, dass er selbst mit den Coronavirus angesteckt worden ist, sollte auf keinen Fall zum Hausarzt oder in die Notaufnahme gehen – das würde nur weitere Menschen gefährden. Mediziner raten stattdessen dazu, zunächst zuhause zu bleiben und die Kontakte zu anderen möglichst zu minimieren. Diese Strategie der "sozialen Distanzierung", wie es die Experten nennen, gilt als beste Methode, um eine Übertragung des Erregers einzudämmen.
In vielen Fällen verläuft die Infektion mild und mit Symptomen ähnlich einer Erkältung – eine spezielle Behandlung ist dann nicht nötig. Treten jedoch schwerere Symptome auf wie starker Husten und hohes Fieber, sollte man den Hausarzt oder das örtliche Gesundheitsamt anrufen. Diese veranlassen dann gegebenenfalls einen Test, klären, ob man in ein Krankenhaus muss und organisieren den Transport.
Wie kann man sich schützen?
Der beste Schutz ist das Meiden von Menschenmassen jeder Art und eine Kombination aus Abstandhalten und strikter Hygiene: Nach Möglichkeit sollte man anderen Menschen nicht näher als ein bis zwei Meter kommen und auf Begrüßungen mit Handschlag verzichten. Da sich das Coronavirus auch über Oberflächen übertragen kann und vermutlich auf ihnen längere Zeit infektiös bleibt, sollte man in Bahnen, Bussen und anderen öffentlichen Orten so wenig wie möglich anfassen. Häufiges Händewaschen gilt als wichtigster Schutz.
Wer Erkältungssymptome hat, sollte zum Schutz anderer nicht in den Raum husten oder niesen, sondern in die Armbeuge. Auch ein Nasen-Mundschutz kann helfen, die Verbreitung des Erregers durch Tröpfcheninfektion einzudämmen. Gesunden Personen hilft eine solche Maske aber gängigen Informationen nach wahrscheinlich wenig, denn die Filter sind für die Viren durchlässig. Auch sogenannte FFP-Masken schützen maximal ein paar Stunden. Bei Desinfektionsmitteln sollte man darauf achten, dass dieses als "begrenzt viruzid" eingestuft ist – nur dann wirkt es gegen Viren wie das Coronavirus.
Wie aggressiv ist SARS-CoV-2?
Bisher ist nicht eindeutig geklärt, wie hoch die Rate schwerer Erkrankungen und Todesfälle tatsächlich ist. Weil viele Infizierte keine oder kaum Symptome entwickeln, wird der Anteil schwerer Verläufe und Todesfälle vermutlich bislang überschätzt. Hinzu kommt, dass Covid-19 offenbar vor allem bei älteren Menschen und bei Patienten mit Vorerkrankungen schwere Verläufe zeigt und dass die medizinische Versorgung der Erkrankten beeinflusst, ob diese überleben.
Den Erfahrungen aus China zufolge verläuft die Infektion bei 80 Prozent der Betroffenen milde, 16 Prozent bekommen schwerere Symptome wie Atemnot und Lungenentzündung und müssen behandelt werden. Bei sechs Prozent der Fälle verläuft die Erkrankung so schwer, dass eine Behandlung auf der Intensivstation nötig wird.
In Bezug auf die Tödlichkeit des Coronavirus geht die WHO bisher von einer "Case Fatality Rate" (CFR) von zwei bis vier Prozent in der Provinz Hubei aus, aber nur von 0,7 Prozent im Rest Chinas - das wären sieben Todesfälle pro 1.000 Infizierte. In Südkorea liegt die Letalität bei 0,95 Prozent. Das Coronavirus hat dort demnach möglicherweise eine etwas höhere Letalität als die Influenza mit rund 0,1 bis 0,2 Todesfällen pro Infektion. In den Ausbruchsregionen in Europa und im Iran ist noch unklar, wie hoch die tatsächliche Rate der Todesfälle ist. Denn dort ist die Dunkelziffer der leichten Fälle vermutlich noch sehr hoch.
Die Pandemie ist längst da
"Hat dieses Virus pandemisches Potenzial? Absolut, das hat es", sagte WHO-Generaldirektor Tedros Ghebreyesus kürzlich. Bisher allerdings hat die WHO gezögert, die Covid-Epidemie offiziell zur Pandemie zu erklären. Viele Experten sind jedoch der Meinung, dass die Kriterien dafür längst erfüllt sind. Nach diesen muss sich der Erreger auf mindestens zwei Kontinenten ausbreiten und auch dies auch unabhängig vom ursprünglichen Infektionsherd.
Spätestens der Ausbruch in Italien mit inzwischen mehr als 450 Fällen, aber auch gut 130 Covid-Erkrankten im Iran und die 1.600 Fälle in Südkorea sprechen dafür, dass sich das Coronavirus inzwischen unabhängig von China ausbreitet. "Was auch immer die WHO sagt, ich denke, dass die epidemiologischen Bedingungen für eine Pandemie erreicht sind", kommentierte der US-Epidemiologe Marc Lipsitch in "Nature News".
Ähnlich sieht es auch Timo Ulrichs von der Akkon-Hochschule für Humanwissenschaften in Berlin: "Eine Pandemie liegt dann vor, wenn zwei oder mehr Kontinente betroffen sind. Und wenn der Erreger dorthin nicht nur eingeschleppt wurde, sondern sich auch direkt ausbreiten kann. Diese Kriterien sind bereits erfüllt."