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"Sanfte" Medizin - Heilpraktiker-Beruf im Zwielicht
Wer in Deutschland als Arzt arbeitet, hat ein aufwendiges Studium abgeschlossen. Für eine Kassenzulassung kommt noch die mehrjährige Spezialisierung als Facharzt hinzu - und die Verpflichtung, sich regelmäßig fortzubilden. Wer in Deutschland als Heilpraktiker arbeitet, hat in einer einzigen Prüfung unter Beweis gestellt, dass er mit der Ausübung seiner Heilkunde keine Gefahr für seine Patienten darstellt. Nach dieser Prüfung gilt er als "staatlich anerkannt".
Eine verbindliche Berufsordnung gibt es nicht. Eine Ausbildung brauchen Heilpraktiker nicht, zumindest nicht zwangsläufig. Trotz dieser überschaubaren Qualifizierungsleistung dürfen Heilpraktiker hierzulande über nahezu alle Fachgebiete hinweg Therapien anbieten und zum Beispiel auch Injektionen setzen. Oftmals vertrauen sie dabei auf Methoden der Naturheilkunde und der Alternativmedizin: Da wird geschröpft, akupunktiert und mit homöopathischen Mittelchen behandelt - mitunter jenseits aller wissenschaftlichen Evidenz.
Heilsame Wirkung?
Der fehlende Wirksamkeitsnachweis tut der Beliebtheit heilpraktischer Behandlungsangebote keinen Abbruch. Bei vielen Menschen kommt das Walten der Heilpraktiker gut an: "Schulmediziner sind häufig sehr kurz angebunden. Naturheilkundlich ausgerichtete Mediziner nehmen sich mehr Zeit, haben mehr Empathie, bauen eine bessere Patienten-Beziehung auf. Das ist sozusagen eine Art Psychotherapie, die da wirksam ist", äußerte sich Edzard Ernst, damaliger Leiter der Komplementärmedizin an der University of Exeter vor einigen Jahren im Magazin "Technology Review" zu diesem Phänomen.
Ein Besuch beim Heilpraktiker kann demnach tatsächlich heilsame Wirkung entfalten. Er kann aber auch das genaue Gegenteil herbeiführen: Nämlich dann, wenn schwerkranken Patienten dadurch wirksamere, schulmedizinische Therapien vorenthalten werden. Oder wenn der Heilpraktiker eine möglicherweise gefährliche Substanz verabreicht.
Skandal um verstorbene Patienten
So hat es sich jüngst bei dem Fall des Heilpraktikers Klaus Ross zugetragen, der bundesweit durch die Medien ging. Der Alternativmediziner hatte im Sommer 2016 Patienten in seiner Krebspraxis mit einem experimentellen Wirkstoff behandelt - ein Wirkstoff, über dessen Wirkung am Menschen keine aussagekräftigen Studien existieren.
Drei Menschen starben innerhalb von vier Tagen nach der Behandlung. Die Staatsanwaltschaft ermittelt seitdem wegen fahrlässiger Tötung. Ob Anklage erhoben werden kann, ist aber nach wie vor ungewiss. Denn: Heilpraktiker dürfen ihren Patienten zwar keine verschreibungspflichtigen Arzneimittel geben. Bei Substanzen, die nicht den Status einer Arznei haben, haben sie im Prinzip jedoch freie Hand.