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Damit Fußballer besser zuhören

Vorn steht der Lehrer und bespricht seit Ewigkeiten die Arbeit eines Mitschülers. Der Rest der Klasse beschäftigt sich mit Zettelchen schreiben, schaut sich die Fotogalerie auf dem Handy an oder starrt einfach nur apathisch aus dem Fenster. Dieses Desinteresse ist meist gar nicht bös' gemeint. Es ist einfach nur menschlich, dass die Aufmerksamkeit abschweift, wenn man sich nicht persönlich, beziehungsweise emotional vom Vortrag oder Vortragenden angesprochen fühlt. Und das geht auch Fußballspielern nicht anders. Nun ist aber nicht zu erwarten, dass Jogi Löw und seine Kollegen mit jedem Spieler in Einzelgesprächen die letzten Spiele analysieren oder ihnen zu jeder Theoriestunde einen Kuchen backen. Das neu gegründete Institut für Spieleanalyse hat dagegen eine effiziente Methode entwickelt, damit Fußballer endlich besser zuhören und sich auch merken, was der Trainer ihnen zuvor so verzweifelt einzubläuen versucht hat.

von Karsten Görsdorf, Institut für Spieleanalyse

In welche Ecke schießt der Elfmeterschütze am häufigsten?

Mit der Qualitativen Spielbeobachtung haben Professor Martin Lames von der TU München und sein Team eine Methode für Sportwissenschaftler und Trainer entwickelt, die helfen soll, die Informationen aus Training und Wettkampf besser und nachhaltiger zu koppeln. Die Ergebnisse können auf alle möglichen Mannschaftssportarten angewendet werden. Dazu werden Spielszenen rekonsturiert und interpertiert, die zuvor mit Computer-Video-Sets aufgezeichnet wurden. Es geht um Fragen wie: Wo sind unsere Stärken, wo haben wir noch Steigerungspotential? Welche Spielmuster hat unser nächster Gegner? Warum gelang es unserem Gegner in den letzten Spielen, Tore über Standardsituationen zu erzielen? In welche Ecke schießt der Elfmeterschütze am häufigsten?

In ihren Dissertationsprojekten gingen die Trainingswissenschaftler Dr. Christoph Dreckmann und Dr. Karsten Görsdorf noch einen Schritt weiter und fragten, welche Wege es geben könnte, damit die aus der Spielanalyse gewonnenen Infos nicht nur an Trainer und Analysten, sondern auch an die Spieler vermittelt werden könnten. Dreckmann erklärt: "Klassischerweise werden Spielanalysen der gesamten Mannschaft vorgestellt. Dabei fühlen sich die meisten Spieler aber nicht direkt angesprochen, sie schalten ab. Das ist wie in der Schule, wenn der Kunstlehrer das Bild eines Schülers bespricht. Da knacken die anderen ein." Görsdorf ergänzt: "Das läuft in den Mannschaften häufig ab wie in der Sportschau: Der Moderator, also der Trainer, kommentiert das Spiel und die Zuschauer, hier die Spieler, konsumieren. Da bleibt oftmals nicht viel hängen."

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