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Hört unser Smartphone uns heimlich ab?
Neulich sitze ich mit einer Freundin im Café, wir reden über einen bestimmten Pullover, den ich mir vielleicht kaufen will. Und zack! Kaum bin ich zu Hause, erscheint er auf meinem Handy: Werbung, genau für diesen Pullover. Das ist doch komisch. Viele Menschen nehmen nach solchen Erlebnissen an, dass unsere Smartphones uns per Mikrofon abhören. Es klingt plausibel, denn technisch wäre das theoretisch möglich. Immerhin reagieren ja auch KI-Programme wie Siri und Co auf unsere Spracheingaben. Dennoch halten Experten ein solches "Belauschen" für unwahrscheinlich: Denn dafür braucht es kein Mikrofon, die nötigen Daten liefern wir längst selbst.
Was unsere Smartphones über uns wissen
Unsere Smartphones wissen erstaunlich viel über uns. Sie registrieren, mit wem wir kommunizieren, wohin wir uns bewegen und was uns interessiert. Vielleicht hat mein Handy längst bemerkt, dass ich gestern in einem Geschäft war, das genau den Pullover hat, den ich vielleicht kaufen will. Selbst wenn wir es nur ein paar Stunden beiseitelegen – ob zum Aufladen oder weil wir schlafen, weiß dies unser Smartphone.
Doch nicht nur das Gerät selbst sammelt Informationen. Auch im Internet werden wir verfolgt – besonders von großen Plattformen wie dem Facebook-Konzern Meta. Bereits ein Klick auf einen Like-Button reicht, um unser Verhalten zu tracken. Schon 2015 zeigte eine Studie, dass der Facebook-Algorithmus nach nur 300 Likes einen Menschen besser einschätzen konnte als dessen eigene Partnerin oder sein eigener Partner. Das zeigt, wie präzise die digitalen Profile sind, die aus scheinbar belanglosen Interaktionen erzeugt werden. Vielleicht muss ich den Pullover gar nicht einmal erwähnt haben – es reicht womöglich schon, dass mein digitales Profil dem einer typischen Pullover-Käuferin ähnelt.
Wie Plattformen uns auch außerhalb ihrer Seiten verfolgen
Plattformen wie Meta oder Google beschränken ihr Tracking zudem längst nicht mehr auf ihre eigenen Seiten. Über eingebettete „Gefällt mir“-Buttons, Analysetools oder unsichtbare Skripte beobachten sie uns auf Millionen von Websites. Eine Untersuchung von mehr als 17.000 Android-Apps ergab, dass fast die Hälfte im Hintergrund Daten an Meta überträgt – selbst dann, wenn die App gerade nicht verwendet wird. So entsteht ein detailliertes digitales Profil, das weit über das hinausgeht, was wir bewusst von uns preisgeben.
Besonders bemerkenswert: Meta erstellt sogar Profile von Menschen, die gar keinen Facebook-Account besitzen. Wenn Bekannte von uns ihre Kontakte hochladen, landen auch Telefonnummern und E-Mail-Adressen von Personen ohne Account in sogenannten „Shadow Profiles“. Darüber lassen sich soziale Verbindungen herstellen, selbst zwischen Menschen, die nie Kontakt über Facebook hatten.
Warum das Abhören schwierig wäre
All das zeigt: Es braucht kein Mikrofon, um erstaunlich viel über uns herauszufinden. Trotzdem hält sich der Verdacht, unsere Smartphones könnten uns heimlich belauschen. Doch das wäre nicht nur technisch aufwendig, sondern auch wirtschaftlich wenig sinnvoll. Für Konzerne wäre es zu teuer, Milliarden Stunden Gespräche zu verarbeiten, wenn sie dieselben Informationen ohnehin über Klicks, Likes und Standortdaten erhalten. Eine solche Übertragung würde zudem spürbar Akkuleistung kosten.
Selbst wenn die Geräte die heimlich aufgezeichneten Sprachaufnahmen vorab filtern oder transkribieren könnten, wäre das ein komplexer Prozess, der sich kaum unbemerkt im Hintergrund abspielen ließe. Die Datenmenge wäre einfach zu groß. Außerdem wäre ein solcher „Lauschangriff“ nicht nur rechtlich unzulässig – er ist für Konzerne wie Meta oder Google heute schlicht überflüssig. Sie bekommen, was sie brauchen, auch ohne Mithören. Ich habe mir den Pullover übrigens doch nicht gekauft.