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Hyperhidrose: Schweißgebadet - nicht nur bei großer Hitze

Wenn es heiß ist, schwitzen wir. Das ist ganz normal und sorgt dafür, dass unser Körper nicht überhitzt. Auch beim Sport oder wenn wir zu warm angezogen sind, rinnt oft der Schweiß. Doch manche Menschen schwitzen selbst dann übermäßig, wenn es kalt ist oder sie sich kaum bewegen. Sie leiden unter einer Hyperhidrose. Was das ist und was man dagegen tun kann, erklärt Fachärztin Ute Bergander von der Kö-Klinik in Düsseldorf.
NPO / abc healthcare

Hyperhidrose - auch unter den Achseln läuft die Schweißproduktion auf Hochtouren
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In Deutschland sind rund eine Million Menschen von der Hyperhidrose betroffen. Sie beginnen oft plötzlich zu schwitzen, ohne dass es einen ersichtlichen Auslöser dafür gibt. Meist überziehen sich dann besonders die Handflächen, Fußsohlen und Stirn schnell mit einem Schweißfilm und auch unter den Achseln läuft die Schweißproduktion auf Hochtouren. Was diese primäre Hyperhidrose auslöst, ist bis heute unklar, oft beginnen die Symptome aber schon in der Kindheit.

Warum schwitzen wir überhaupt?

Bergander: Schwitzen ist eine natürliche Funktion des Körpers. Zwei bis drei Millionen Schweißdrüsen in unserer Haut sorgen dafür, dass unsere Körpertemperatur konstant bei circa 37 Grad bleibt. Wenn wir schwitzen, verdunstet der Schweiß an unserer Haut und kühlt den Körper ab. So verlieren wir über den Tag verteilt ein bis zwei Liter Wasser. Wie viel jemand schwitzt, ist individuell unterschiedlich und richtet sich unter anderem nach Geschlecht und dem Grad der körperlichen Aktivität.

Doch übermäßiges Schwitzen kann auch krankhaft sein. Dieses Phänomen wird im medizinischen Fachjargon Hyperhidrose genannt. Betroffene schwitzen unabhängig von der Tages- und Jahreszeit. Ursächlich für die Krankheit kann eine Überfunktion des sympathischen Nervensystems sein, welches die Funktion der Schweißdrüsen steuert.

Woran lässt sich eine Hyperhidrose erkennen?

Bergander: Ein klares Symptom einer Hyperhidrose ist das übermäßige Schwitzen an Körperarealen wie Händen, Füßen und Achseln. Der Arzt sollte in diesem Fall eine Gravimetrie oder einen Jod-Stärke-Test bei dem Patienten durchführen. Bei einer Gravimetrie wird die Schweißbildung auf einem saugfähigen Filterpapier nachgewiesen. Bei dem Jod-Stärke-Test hingegen werden die betroffenen Areale mit einer Jodlösung eingepinselt und dann mit Stärkepulver bestreut. Bereiche, die von der Hyperhidrose betroffen sind, färben sich braun.

Gibt es bei einer Hyperhidrose unterschiedliche Erkrankungsgrade?

Bergander: In der Medizin werden unterschiedliche Hyperhidrose-Formen unterschieden. Von einer generalisierten Hyperhidrose spricht man, wenn der ganze Körper von der übermäßigen Schweißproduktion betroffen ist. Anders ist es bei der lokalen Hyperhidrose, bei der nur bestimmte Bereiche des Körpers, wie Achselhöhle, Hände oder Füße betroffen sind. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Erkrankungsursache. Man unterscheidet zwischen primärer und sekundärer Hyperhidrose. Letztere liegt vor, wenn das übermäßige Schwitzen als Folge einer vorhergegangenen Erkrankung, zum Beispiel an der Schilddrüse oder einer Krebserkrankung, aufgetreten ist.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Bergander: Betroffene müssen nicht zwangsläufig mit ihrer Erkrankung leben. Die Hyperhidrose lässt sich mittlerweile gut behandeln. Es gibt verschiedene Ansätze, die Hyperhidrose zu therapieren. Der Erfolg der einzelnen Behandlungen ist jedoch individuell und richtet sich nach der Ausprägung der Hyperhidrose und der gewählten Therapie. Die Therapie sollte sich immer nach dem jeweiligen Erkrankungstypus richten.

Bei weniger schweren Fällen kann es schon helfen, Antitranspirante zu benutzen – schweißstoppende Mittel, die Aluminiumchlorid enthalten. Sie können als Deoroller, Gel, Pulver oder Lotionen auf die stark schwitzenden Partien aufgetragen werden. Auch Salbeiextrakte können das Schwitzen lindern. Bei der sogenannten Iontophorese setzt elektrischer Strom die Aktivität der Schweißdrüsen herab. Dazu werden Hände und Füße in ein Wasserbad gehalten, durch das leichter Strom fließt.

Helfen diese Methoden nicht, kann auch Botulinumtoxin helfen – das gute alte Botox. "Zur Hyperhidrose-Therapie spritzt man das Botulinum mittels Mikroinjektion unter die Haut. Der Effekt: Die Nervenleitung wird blockiert, der Reiz zu Schwitzen kann nicht mehr auf die Schweißdrüsen übertragen werden", erklärt Bergander. Die Wirkung des Botulinums lässt allerdings nach ungefähr einem halben Jahr nach.

In ganz hartnäckigen, schweren Fällen kommen auch operative Methoden in Frage, sie sind allerdings, wie alle Operationen, mit einem Risiko behaftet. Neben einer Entfernung ganzer Hautpartien samt Schweißdrüsen gibt es auch minimalinvasive Verfahren, bei denen Schweißdrüsen mit einer Sonde abgesaugt werden. Eine andere Methode ist die Nervenblockade: Dabei wird gezielt der Nervenast durchtrennt, der den Schweißdrüsen die anregenden Impulse gibt. Diese Eingriffe sollte jedoch nur das Mittel der letzten Wahl sein.

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