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Interview: Autonomes Fahren – wo sind die rechtlichen und ethischen Fallstricke?

Autos, die alleine fahren, während wir entspannt ein Video schauen oder eine E-Mail schreiben – noch ist das Zukunftsmusik. Aber die technischen Systeme, die ein solches autonomes Fahren ermöglichen, gibt es schon, ihr Einsatz ist daher wohl nur eine Frage der Zeit. Was aber, wenn es einen Unfall gibt? Wer ist schuld? Und was für ethische und rechtliche Probleme kann es geben?
GGS, 06.06.2016

Wir haben dazu Benjamin von Bodungen gefragt, Jura-Professor an der German Graduate School of Management and Law (GGS). Er ist nicht nur Experte für deutsches und internationales Handels- und Gesellschaftsrecht, sondern beschäftigt sich auch intensiv mit dem Transport-, Verkehrs- und Logistikrecht – und hat unter anderem erforscht, wo die rechtlichen Knackpunkte beim autonomen Fahren liegen.

Google Driverless Car
Automobilmanager bemängeln, dass fehlende gesetzliche Regelungen die höchste Hürde für automatisiertes Fahren darstellen. Ist das so?

Bei Herstellern und Zulieferern ist derzeit ein harter Wettbewerb um die Innovationsführerschaft im Gange. Es ist wahrscheinlich, dass Unternehmen wie Tesla noch vor 2020 einen „echten“ Autobahnpiloten präsentieren. Nach geltender Rechtslage muss allerdings der menschliche Fahrer sein Fahrzeug zu jedem Zeitpunkt beherrschen. Das steht der Einführung von Fahrsystemen höheren Automatisierungsgrades entgegen. Daher arbeiten derzeit Juristen, Politiker und Vertreter der Automobilindustrie gemeinsam an rechtlichen Lösungen für die vielfältigen Probleme, die sich etwa im Bereich der Zulassung, der Haftung und des Datenschutzes ergeben.

Welche rechtlichen Voraussetzungen gelten aktuell in Deutschland?

Das deutsche Straßenverkehrsrecht beruht zu weiten Teilen auf einem völkerrechtlichen Vertrag, dem Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr aus dem Jahre 1968. Dieses fordert unter anderem die permanente Beherrschung des Fahrzeugs durch seinen Fahrer, was momentan die Einführung höherer Entwicklungsstufen des automatisierten Fahrens ausschließt. Eine erste Änderung des Wiener Übereinkommens wird jedoch bereits im März in Kraft treten, ohne freilich sämtliche Rechtsunsicherheiten zu beseitigen.

Deswegen diskutieren die am Wiener Übereinkommen beteiligten Staaten weitere Anpassungen des Vertragstextes. Bei einem nationalen Alleingang bestünde die Gefahr, dass automatisierte Fahrsysteme an der Landesgrenze ausgeschaltet werden müssten oder entsprechend ausgerüstete Fahrzeuge im Ausland überhaupt nicht fahren dürften. Das sollte unbedingt vermieden werden.

Welche gesetzlichen Regelungen müssen gelten, damit ich beim autonomen Fahren die Hände vom Lenkrad nehmen und eine E-Mail schreiben darf, ohne einen Regelverstoß zu begehen?

Dafür muss insbesondere die Frage nach der Verantwortung für automatisierte Fahrsysteme geklärt sein. Deren Nutzen liegt ja gerade darin, den Fahrer zu entlasten und ihm die Ausübung anderer Tätigkeiten zu ermöglichen. Auf der Stufe des autonomen Fahrens wird der Mensch nur noch das Fahrtziel vorgeben und gar keine konkreten Fahrentscheidungen mehr treffen. Es wäre insofern widersprüchlich, den Nutzer eines autonomen Systems für einen Unfall nach Straßenverkehrshaftungsrecht oder gar Strafrecht zur Verantwortung zu ziehen, obwohl allein das System unfallursächlich ist.

In einem solchen Fall kommt vielmehr wie bisher der Halter beziehungsweise dessen Haftpflichtversicherung als Haftungsadressat in Betracht. Daneben wird in der Rechtsliteratur diskutiert, ob die Verantwortlichkeit des Fahrzeugherstellers nach Produkthaftungsrecht zu überdenken ist. Es wird argumentiert, dass ein automatisiertes Fahrzeug im Vergleich zu herkömmlichen Fahrzeugen ein erheblich komplexeres Produkt sei und dessen Verkehrsverhalten maßgeblich in den Händen des Herstellers liege.

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