Lexikon
Deutsche Demokrạtische Republik
Politisches System
Die beherrschende politische Kraft der DDR war die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED). Sie beanspruchte die Führung in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Neben der SED gab es die vier sog. Blockparteien: Christlich-Demokratische Union Deutschlands (CDU), Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD), National-Demokratische Partei Deutschlands (NDPD) und Demokratische Bauernpartei Deutschlands (DBD). Jede von ihnen war im Staatsrat, im Ministerrat und in örtlichen Staatsorganen vertreten. Sie bekannten sich zum Sozialismus und zur führenden Rolle der SED; politisch waren sie einflusslos. Fünf gleichfalls von der SED abhängige Massenorganisationen waren in der Volkskammer vertreten: Freier Deutscher Gewerkschaftsbund (FDGB), Freie Deutsche Jugend (FDJ), Demokratischer Frauenbund Deutschlands (DFD), Kulturbund der DDR und Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe (VdgB).
Die erste Verfassung der DDR vom 7. 10. 1949 hatte ihrem Wortlaut nach parlamentarisch-demokratischen und bundesstaatlichen Charakter. Die sowjetische Besatzungsmacht und die SED lenkten jedoch die Entwicklung von Anfang an in Richtung auf ein kommunistisches Staatswesen nach sowjetischem Vorbild. Der Gegensatz zwischen Verfassungstext und Verfassungswirklichkeit vertiefte sich in dem Maße, wie die SED ihre Herrschaft festigte. Die bundesstaatlichen Elemente fielen bereits 1952 weg: Die fünf Länder Brandenburg, Mecklenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen wurden ohne Verfassungsänderung aufgehoben und durch 14 Bezirke ersetzt. Die Hauptstadt Ostberlins erhielt den Status eines 15. Bezirks mit einigen Sonderregelungen. Das Amt des Präsidenten der DDR wurde 1960, nach dem Tod seines ersten Inhaber Wilhelm Pieck, abgeschafft und durch den Staatsrat ersetzt
Am 6. 4. 1968 erhielt die DDR eine neue Verfassung, die den wirklichen Machtverhältnissen besser entsprach, besonders dadurch, dass sie in Artikel 1 die SED als führende Kraft erwähnte. Am 7. 10. 1974 wurde sie in wichtigen Punkten geändert; vor allem entfielen alle Hinweise auf den Fortbestand der deutschen Nation und eine mögliche Wiedervereinigung.
Nach dieser Verfassung war das oberste staatliche Machtorgan die Volkskammer. Sie bestand aus 500 Abgeordneten, die auf 5 Jahre gewählt wurden. Aktives und passives Wahlrecht erlangte man mit 18 Jahren. Das Recht zur Benennung von Kandidaten hatten die politischen Parteien und Massenorganisationen, die in der Nationalen Front der DDR zusammengeschlossen waren. Die Nationale Front stellte eine gemeinsame Kandidatenliste auf. Damit war die Zusammensetzung der Volkskammer bereits vor der Wahl entschieden, denn die Mandate wurden den einzelnen Parteien und Organisationen nach einem festen Schlüssel zugeteilt. Da die Abgeordneten der Massenorganisationen größtenteils der SED angehörten, besaß diese die absolute Mehrheit. Obwohl geheime Wahl vorgesehen war, wurde offene Stimmabgabe erwartet. Die Wahlbeteiligung betrug stets über 98 %, der Anteil der Ja-Stimmen für die Einheitsliste über 99 %. Die Volkskammer trat nur zwei- oder dreimal jährlich zu Plenartagungen zusammen. Mit einer einzigen Ausnahme (1972 beim Gesetz über den Schwangerschaftsabbruch) erfolgten ihre Beschlüsse einstimmig. Die Volkskammer wählte den Staatsrat, den Ministerrat und den Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates.
Der Staatsrat, ein Gremium mit etwa 30 Mitgliedern, war das kollektive Staatsoberhaupt der DDR. Sein Vorsitzender war der Parteichef der SED. In den 1960er Jahren, unter dem Vorsitz Walter Ulbrichts, erhielt der Staatsrat weit gehende Befugnisse und wurde zum wichtigsten staatlichen Machtorgan. Nach dem Sturz Ulbrichts (1971) wurde er zunächst faktisch und dann auch rechtlich auf repräsentative Aufgaben beschränkt; sein Vorsitzender nahm die herkömmlichen Funktionen eines Staatsoberhauptes wahr.
Der Ministerrat mit rd. 50 Mitgliedern war die Regierung der DDR, die aber eher den Charakter eines Verwaltungsorgans hatte, da die politischen Entscheidungen vom Politbüro der SED getroffen wurden. Den Vorsitzenden des Ministerrates stellte die stärkste Fraktion der Volkskammer (stets die SED). Neben den „klassischen“ Ministerien (für Auswärtiges, Inneres, Justiz usw.) gab es zahlreiche Ministerien für die Leitung der einzelnen Wirtschaftszweige.
Der Nationale Verteidigungsrat war das Führungsorgan für alle Fragen der Landesverteidigung. Vorsitzender war stets der Parteichef der SED, der damit den Oberbefehl über die Streitkräfte hatte.
Die DDR war ein Einheitsstaat. Es gab keine Selbstverwaltung der Gemeinden, Kreise und Bezirke. Die nach Einheitslisten gewählten Gemeindevertretungen, Stadtverordnetenversammlungen, Kreis- und Bezirkstage sowie ihre Exekutivorgane (Rat der Gemeinde usw.) wurden als örtliche Organe der Staatsmacht bezeichnet. Sie waren an die Weisungen der übergeordneten Staatsorgane gebunden.
Das Recht wurde in der DDR grundlegend im Sinne der „sozialistischen Gerechtigkeit“ umgestaltet. Wichtige neue Gesetzeswerke waren: Gerichtsverfassungsgesetz, Familiengesetzbuch, Gesetzbuch der Arbeit, Straf- und Zivilgesetzbuch. Der Gerichtsaufbau war dreistufig: Kreisgerichte, Bezirksgerichte, Oberstes Gericht. Daneben bestanden besondere Militärgerichte. Eine Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit gab es nicht. Die Gerichte waren wie alle Staatsorgane dem Willen der SED unterworfen; die in der Verfassung garantierte Unabhängigkeit der Richter war nicht gegeben.
Außerhalb aller Gesetze wirkte die politische Geheimpolizei, der Staatssicherheitsdienst; er war nur der SED-Führung verantwortlich.
Die klassischen Freiheitsrechte wie Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit waren in der Verfassung zwar garantiert, aber meist mit einschränkenden Zusätzen versehen. Da es keine gerichtlichen Instanzen gab, bei denen Bürger diese Rechte hätten einklagen können, hatte ihre Aufzählung ohnehin nur deklamatorischen Charakter.
Durch die Umwälzung von 1989/90 wurde das bisherige politische System faktisch und in mehreren Schritten auch rechtlich beseitigt. In den letzten Monaten ihres Bestandes hatte die DDR die wesentlichen Züge eines parlamentarisch-demokratischen Rechtsstaates.
- Einleitung
- Entstehung
- Politisches System
- Geschichte
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