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Lockdown-Effekt: Kinder und Jugendliche werden zu Stubenhockern

Mannschafts- und Schulsport fallen aus, Sportplätze sind gesperrt und Fitnessstudios bleiben geschlossen – sich im coronabedingten Lockdown zu bewegen und Sport zu machen, ist deutlich schwieriger als sonst. Und ohne Trainer und die Kameraden macht das Trainieren alleine auf Dauer wenig Spaß. Wie wirkt sich das auf die körperliche Aktivität von Kindern und Jugendlichen derzeit aus? Wie viel Sport machen sie noch?
ABO, 06.05.2021

Der der Hinweis Sport "möglichst im Freien" zu betreiben, klärt nicht, was zu tun ist, wenn dies gerade in der kalten Jahreszeit nicht möglich ist.

GettyImages, FatCamera

Dass Sport die Gesundheit fördert, ist nichts Neues: Regelmäßige körperliche Aktivität wirkt Übergewicht und Stoffwechselerkrankungen entgegen, soll das Gehirn fit halten und das Herz stärken. Kinder lernen zudem Motorik und Koordination und können sich durch die tägliche Bewegung beispielsweise im Unterricht besser konzentrieren. Deshalb rät auch die Weltgesundheitsorganisation Kindern zu mindestens 60 Minuten Bewegung pro Tag.

Wie viel Bewegung bleibt noch?

Aber ob das Fußballspielen im Verein, der Schwimmunterricht in der Schule oder das gemeinsame Toben auf dem Klettergerüst mit Freunden – all das fällt in Zeiten der Corona-Pandemie und vor allem im coronabedingten Lockdown weg. Stattdessen verbringen Kinder und Jugendliche viel Zeit zu Hause vor dem Computer und Smartphone, haben Online-Unterricht und sehen ihre Freunde nur über den Bildschirm.

Wie viel Sport machen Kinder und Jugendliche dann im Lockdown noch? Der Frage sind Forscher um Alexander Woll vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) auf den Grund gegangen. Mit ihrer sogenannten Motorik-Modul-Studie (MoMo) erforschen sie seit Jahren die körperliche Fitness aller Kinder und Jugendlichen, die in Deutschland leben. Dazu befragt das Forscherteam regelmäßig Kinder und Jugendliche zwischen vier und 17 Jahren – so auch im ersten und zweiten Lockdown.

Zweiter Lockdown wirkte sich stärker aus

Das Ergebnis: Im ersten Lockdown vor einem Jahr zogen die Experten tatsächlich eine positive Gesamtbilanz. Die Kinder und Jugendlichen hatten sich alternative Bewegungsmöglichkeiten im Alltag gesucht – und sich sogar mehr bewegt.

Das hat sich mittlerweile aber geändert: Seit Dezember 2020 beträgt die durchschnittliche Bewegungszeit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland nur noch 75 Minuten am Tag, aktuell sind es sogar oft noch weniger. „Waren es im Frühjahr 2020 noch 144 Minuten Bewegungszeit am Tag, sind es jetzt nur noch 61 Minuten“, erklärt Woll. „Das Niveau liegt nun auch unter dem vor der Corona-Pandemie. Vorher bewegten sich die Kinder und Jugendlichen etwa 107 Minuten täglich“, so der Forscher.

Zusätzlich hat sich die Zeit, die die Kinder und Jugendlichen in ihrer Freizeit vor dem Bildschirm verbringen, um 28 Minuten auf nun insgesamt 222 Minuten am Tag erhöht. „Durch die höhere Inaktivität gab fast die Hälfte der Befragten nach eigener Einschätzung an, dass ihre Fitness stark gesunken sei“, berichtete der Experte. „Bei knapp 30 Prozent sei das Gewicht gestiegen.“

Der monatelange Stillstand im Amateur- und Freizeitsport zeigt Wirkung.

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Dem Wetter und der Frustration geschuldet

Aber warum unterscheiden sich die Ergebnisse der beiden Lockdowns so stark, wenn doch in beiden Fällen der Großteil der Sportmöglichkeiten nicht möglich waren? Woll und seine Kollegen haben dafür eine Erklärung: Im ersten Lockdown war das Wetter für diese Jahreszeit verhältnismäßig gut, die Kinder und Jugendlichen konnten sich sehr viel draußen aufhalten und haben sich folglich mehr bewegt. Das war im Winter jedoch nicht mehr in dem Maße möglich.

„Im Gegensatz zum ersten Lockdown hat sich außerdem die verplante Zeit wieder erhöht“, ergänzt Woll. „Im ersten Lockdown fiel beispielsweise mehr Unterricht aus, da alles neu organisiert werden musste. Dadurch hatten die Kinder mehr Freizeit. Jetzt müssen sie wieder mehr Zeit für den Unterricht aufbringen“, so der Forscher.  Er vermutet außerdem, dass der Frust über die Gesamtsituation bei den Kindern und Jugendlichen gestiegen ist und sie deshalb weniger motiviert sind, sich zu bewegen.

Aktuell besonders bedenklich

Das Problem: Die wenige Bewegung kann nicht nur generell der Gesundheit der Kinder und Jugendlichen schaden, sondern gerade zu Zeiten von Corona noch einmal besonders. „Die Ergebnisse der Studie sind sehr bedenklich, denn Bewegung fördert nicht nur die Fitness, sondern auch das eigene Wohlbefinden und letztlich auch die Abwehrkräfte – was in Zeiten einer Pandemie umso wichtiger ist“, betont der Experte. Und über einen so langen Zeitraum kann den Kindern und Jugendlichen auch dauerhaft die Lust am Sport vergehen.

Aus diesem Grund raten die Forscher dringend dazu, dass es bald wieder bessere Möglichkeiten geben sollte, um auch in Situationen wie einer Pandemie die Bewegung von Kindern und Jugendlichen zu fördern.

Und einige Möglichkeiten gibt es schon: Beispielsweise werden digitale Sportkurse oder Videos mit Workouts zum Mitmachen angeboten. Auch Spaziergänge mit der Familie und der Gang zum Spielplatz oder Supermarkt mit den Geschwistern können bereits guttun. Kleine Challenges, wie zum Beispiel jeden Tag einen Handstand zu machen, können einen zudem noch mehr motivieren. Wer noch etwas weiter gehen möchte und mehr Abwechslung braucht, kann sich auch Equipment für zu Hause wie Springseile, Hanteln oder Hula-Hoop-Reifen besorgen.

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