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Temu, Shein & Co: Bedrohung für etablierte Marken aus der westlichen Welt?

Mit dem Billig-Shop Temu haben chinesische Produzenten die westlichen Märkte erschüttert. Der Slogan „Shoppen wie Milliardäre“ bewirbt die derzeit populärste und am häufigsten heruntergeladene App in Deutschland. Warum also noch teuer kaufen, wenn es mit ein wenig Wartezeit zu Dumpingpreisen funktioniert? Sind Temu, Shein und Co. das Aus für westliche Händler und woran liegt es, dass die Preise so günstig sind?
Symbolbild Online-Shopping
Im Internet zu shoppen ist bequem von zu Hause aus möglich und oft auch günstig.

© justynafaliszek, pixabay.com (CC0)

Ist die „Marke“ zu teuer?

Für die Lieblingsmarke bezahlen viele Menschen bereitwillig einige Euro extra, aber ist das gerechtfertigt? Selbst namhafte Marken produzieren nicht immer in Deutschland, sondern nutzen Outsourcing. Vertrieben werden die Produkte dann über verschiedene Shops.

Ein Beispiel stammt aus der Modewelt. Um möglichst vielfältig zu agieren, verkauft das bekannte Modelabel Gant auf boozt.com und verschiedenen weiteren Plattformen. Bei der Preisbildung wird klar, dass vor allem kleinere Shops höhere Preise für Top-Marken verlangen und alteingesessene Plattformen günstiger sind.

Das liegt daran, dass die Marge für kleinere Stores zu gering ist. Um überhaupt einen Gewinn zu erzielen, müssen die Verkäufer die Preise hochhalten. Gerechtfertigt sind sie deshalb aber noch lange nicht.

Sofern Markenprodukte aus hochwertigem Material gefertigt werden, ist ein höherer Preis gerechtfertigt. Stammt die Produktion aber ebenfalls aus China und der Konsument zahlt nur für den Markennamen, sind die Preise psychologische Faktoren. Der Verbraucher ist bereit, für die Marke zu zahlen, folglich wird der Preis hoch gesetzt.

Günstig ohne Zwischenhändler: Was Temu und Co. anders machen 

Deutsche Experten sind besorgt um den Wirtschaftsstandort Deutschland und das liegt nicht zuletzt an Dumpingpreisen, wie sie von Händlern wie Wish, Shein, Temu und Co. angeboten werden. Zudem sind die chinesischen Verkaufsplattformen stark mit sozialen Netzwerken verknüpft und haben die Auswertung von Algorithmen perfektioniert.

Dadurch gelingt es ihnen, früher als die Konkurrenz aktuelle Trends zu entdecken und mit einem entsprechenden Angebot darauf zu reagieren. Auf Plattformen wie TikTok und Instagram sind es vor allem Influencer, die als Sprachrohr für die Billig-Händler fungieren. Unter anderem ist deren hohe Reichweite dafür verantwortlich, dass Temu rund 200.000 Pakete täglich Richtung Europa verschickt.

Aber es sind weitere Faktoren, die den Erfolg erklären:

  • Nachbildung von Produkten von Top-Marken zum niedrigen Preis
  • Verzicht auf Zwischenhändler und Verkauf direkt aus der Fabrik
  • Geringere Sicherheit der Produkte, mit teils fatalen Folgen für den Endkunden

Wer bei einem der Billig-Händler nach AirPods sucht, wird das begehrte Produkt aus dem Hause Apple nicht finden. Stattdessen werden ihm günstige Nachbildungen angezeigt, die zumindest auf Bildern täuschend echt aussehen. Der Preis? Kaum nennenswert, die Qualität aber oft minderwertig und nicht für eine nachhaltige und lange Nutzungsdauer ausgelegt.

Kostenersparnis durch fehlende Lager

Der typische Offline- oder Onlinehändler lagert seine Ware ein und versendet sie bei einem Kauf direkt an den Kunden (oder bietet sie im Ladengeschäft an). Wish, Temu und andere Billig-Händler verkaufen ab Werk und verzichten auf sämtliche Zwischenstationen.

Die Ware wird produziert und geht direkt in den Versand. Die fehlenden Lagerkosten lassen sich auf den Konsumenten umlegen, die Preise sinken. Versendet wird über die PDD Holdings, ein Unternehmen, das mit vielen Fabrikanten verbunden ist.

Tricks beim Zoll bringt Billig-Portalen mehr Umsatz

Sparpotenzial gibt es aus Sicht der Händler aber auch bei Steuern und am Zoll. Kommt eine Sendung mit einem Warenwert von weniger als 150 Euro in Deutschland (aus dem Nicht-EU-Ausland) an, darf sie steuerfrei eingeführt werden. Daher setzen die Billig-Händler bewusst darauf, die Verkaufspreise zu drosseln und günstig zu rechnen.

Das wiederum senkt auch die Einfuhrumsatzsteuer, die vom Warenwert abhängig ist. Die hohe Anzahl an verschickten Paketen trägt dazu bei, die Arbeit am Zoll zu erschweren. Zwar werden Stichproben durchgeführt, jede einzelne Sendung zu kontrollieren, ist allerdings faktisch unmöglich.

Aktive Tricks der Anbieter sind:

  • Versand in einzelnen Paketen, um den Warenwert unter 150 Euro zu halten.
  • Lieferung in andere Länder, um eine Besteuerung in Deutschland zu verhindern (z.B. Temu = Belgien).

Durch dieses Verhalten schaffen sich die Billig-Shops erhebliche Vorteile gegenüber hiesigen Versandhändlern und der Zoll ist beinahe machtlos. Ein Problem ist auch die schlechte Ökobilanz der Billig-Händler aus China.

Nicht nur der Import ist eine Herausforderung, sondern auch die permanente Aufteilung der Produkte in mehrere Pakete. Die Kapazitäten der Logistiker sind schneller ausgeschöpft, es wird mehr Verpackungsmaterial benötigt und häufig wird primär auf Plastik gesetzt.

Betrug oder seriös? Ist Shopping bei Temu und Co. empfehlenswert?

Für Natur & Umwelt sind die chinesischen Fabriken eine Herausforderung. Die Arbeitsbedingungen lassen sich mit europaweit geltenden Standards nicht vergleichen, sodass sich beim Kauf auch eine ethische Frage stellt. Generell gelten die Anbieter jedoch als seriös, es handelt sich um echte Unternehmen, die ihre Produkte auch versenden.

Ob sie beim Empfänger ankommen, kann bei Paketen aus dem Nicht-EU-Ausland nie garantiert werden. Aus Verbrauchersicht sind die günstigen Preise ein klarer Vorteil. Darüber hinaus gilt es aber Nachteile zu beachten, die nicht zuletzt eine Gefahr für die Sicherheit bedeuten können:

  • Lange Lieferzeiten durch den direkten Versand aus Fernost
  • Fehlende CE-Zeichen bei elektronischen Produkten
  • Aggressive Werbung durch E-Mails und Push-Nachrichten
  • Keine Verpflichtung zur Einhaltung von EU-Standards

Probleme mit den Einkaufsparadiesen gibt es immer wieder. So wurde insbesondere der Händler Wish bei den Verbraucherzentralen gemeldet. Nicht gesendete Produkte, verzögerte Lieferungen und Mahnschreiben von Händlern wie Klarna wurden zum Problem. Verantwortlich hierfür ist allerdings nicht Klarna selbst, sondern der dahinterstehende Händler.

Die Zahlungszeiten von Zahlungsdienstleistern sind im Median 14 Tage (außer es werden Optionen zur Verlängerung genutzt). Zahlt der Kunde erst bei Erhalt der Ware (oft länger als 14 Tage), kann das zu Überschreitungen führen und die ausstehende Summe geht ins Mahnverfahren.

Obwohl die Fabrikhändler grundsätzlich nicht unseriös sind, gibt es eine Reihe von Problemen, über die sich der Konsument vor dem Kauf bewusst sein sollte. Günstige Alternativen gibt es ebenfalls, allerdings in Europa ansässig und an die Verkaufsbedingungen der EU gebunden.

Fazit: Temu und Co. als Herausforderung für den westlichen Handel

Echte Markenliebhaber werden auch angesichts von Dumpingpreisen wie bei Temu und Co. nicht von ihren Lieblingsprodukten abweichen. Durch Preisvergleiche lassen sich auch hier häufig günstige Angebote finden. Für den Durchschnittskonsumenten sind die Billig-Händler trotz all ihrer Probleme aber eine sehr attraktive Ergänzung bzw. sogar ein Ersatz.

Made in China ist kein neues Konzept im Shopping, „Shop in China“ allerdings schon. Wenn der Boom so weitergeht, könnte das zu ernsthaften Folgen für die hiesige Wirtschaft führen.

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