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Tollwut, die (fast) vergessene Krankheit

Schaum vorm Mund, Aggression, Tod: Auch wenn die Tollwut in Deutschland als ausgerottet gilt, sterben jedes Jahr immer noch rund 60.000 Menschen weltweit an der meist durch Tierbisse übertragenen Viruserkrankung. Doch stimmt es wirklich, dass Infizierte nicht mehr zu retten sind? Steckt man sich auch dann an, wenn man ein infiziertes Tier lediglich streichelt? Und welches sind die letzten deutschen Wildtiere, die trotz offizieller Ausrottung der Tollwut immer noch entsprechende Viren in sich tragen?
AMA, 28.09.2023

 

Rabiesviren, 3D-Rendering
Tödliche "Patrone": Das Rabiesvirus hat eine längliche Gestalt, ein Ende ist abgerundet, während das andere planar ist. Die Virushülle weist ähnlich wie das bekannte Coronavirus sogenannte „Spikes“ auf.

© EzumeImages, GettyImages

Tollwut ist eine Erkrankung des zentralen Nervensystems, die durch verschiedene Lyssaviren wie das Rabiesvirus ausgelöst wird. Sie tritt bei vielen verschiedenen Tieren auf, darunter Füchsen, Hunden, Katzen, Waschbären und Stinktieren. Auf den Menschen übertragen wird sie über den Speichel infizierter Tiere, etwa wenn man gebissen wird oder der Speichel des infizierten Tieres auf die eigenen Schleimhäute beziehungsweise bereits aufgeschürfte Haut tropft. Die meisten menschlichen Tollwutfälle werden durch Hundebisse verursacht.

Ein Biss bringt den Tod

Wer sich lediglich mit einem infizierten Tier im selben Raum aufhält oder es streichelt, muss jedoch keine Ansteckung befürchten. Das gilt auch für den Kontakt zu Blut, Urin und Kot. Wer allerdings von einem infizierten Tier gebissen wurde, muss schnell handeln, um den tödlichen Folgen zu entgehen. Mediziner empfehlen, die Wunde gründlich mit Wasser und Seife zu spülen und anschließend zu desinfizieren. Danach sollte sofort ein Besuch beim Arzt anstehen, der eine sogenannte Postexpositionsprophylaxe (kurz PEP) verabreicht – eine Art „Impfung danach“. In der Regel ist man dann vor einem Krankheitsausbruch geschützt und kann normal weiterleben.

Ohne PEP hingegen stehen die Überlebenschancen äußerst schlecht. Spätestens, wenn die ersten Krankheitssymptome der Tollwut auftreten, kann kein Mediziner der Welt mehr einen tödlichen Ausgang verhindern. Denn die Todesrate liegt bei nahezu 100 Prozent. Gerade in den ländlichen, medizinisch schlecht versorgten Gebieten Afrikas und Asiens sterben daran zahlreiche Menschen, obwohl eine PEP sie hätte retten können. Weltweit betrachtet kostet die Tollwut jedes Jahr rund 60.000 Menschen das Leben.

Tollwütiger Hund mit Lähmungserscheinungen, Thailand
Tollwütiger Hund mit Lähmungserscheinungen.

© Stopboxstudio, GettyImages

Von Fieber zu Aggression zum Koma

Wie früh die Krankheit nach einer Infektion ausbricht, ist sehr unterschiedlich. Die Spanne, ab der sich die ersten Symptome zeigen, beginnt bei fünf Tagen, kann aber auch mehrere Jahre dauern. In der Regel sind die ersten Krankheitsanzeichen allerdings nach spätestens zwei bis drei Monaten spürbar. Der genaue Zeitpunkt ist auch abhängig davon, wie schnell es die Viren vom Muskelgewebe in die Nervenzellen und schließlich bis ins Gehirn schaffen. Somit bedeutet ein Biss in den Oberarm einen schnelleren Krankheitsausbruch als ein Biss in den Fuß, weil der Weg zum Gehirn für die Viren dann deutlich kürzer ist. 

Tollwut verläuft in drei Stadien. Im ersten, dem sogenannten Prodromalstadium, äußert sie sich durch eher unspezifische Symptome wie Kopf-, Muskel- und Bauchschmerzen sowie Übelkeit und Fieber. Es kommt eine erhöhte  Empfindlichkeit gegenüber Licht und Geräuschen hinzu. In der zweiten Tollwutphase, dem Exzitationsstadium, werden diese neurologischen Symptome ausgeprägter und verändern das Verhalten der Erkrankten. Betroffene schwanken dann zwischen aggressiven und depressiven Gemütszuständen. Wildtiere verlieren in dieser Phase ihre Scheu vor dem Menschen und beißen oft ohne Vorwarnung zu. Indem das Virus seinen Wirt in Angriffslaune versetzt, stellt es seine Verbreitung auf neue Wirte und somit sein Überleben sicher.

Typisch für die zweite Tollwutphase ist außerdem eine ausgeprägte Scheu vor Wasser, bedingt durch schmerzhafte Krämpfe der Schluckmuskulatur. Infizierte Personen wollen daher weder Wasser trinken noch ihren eigenen Speichel schlucken, sodass dieser ihnen aus dem Mund fließt und bei Wildtieren den berühmten Schaum vorm Maul bildet. In einigen Fällen reicht bereits der Anblick von Wasser, um Unruhe und Krämpfe auszulösen. Ein Fünftel der Erkrankten überspringt diese zweite Phase jedoch und geht von Stadium eins direkt in Stadium drei über. In diesem sogenannten Paralysestadium leiden Erkrankte zunehmend an Lähmungen, fallen in ein Koma und sterben schließlich an Atem- oder Herzlähmung.

Jagender Rotfuchs
In der Vergangenheit stellten Rotfüchse in Deutschland das Hauptreservoir für das klassische Tollwutvirus dar. Erst durch die flächendeckende Ausbringung von Impfködern in den 1990er-Jahren konnte die Seuche in Deutschland und den Nachbarländern Ländern ausgemerzt werden.

© sduben, GettyImages

Vorsicht vor Fledermäusen

In Deutschland ist die Tollwut seit 2008 offiziell ausgerottet. Möglich war dies durch große Kampagnen, bei denen bundesweit spezielle Impfköder ausgelegt wurden. Indem Wildtiere wie Füchse diese fraßen, verpassten sie sich selbst eine Schluckimpfung und waren fortan vor der Tollwut geschützt. Auch unsere Nachbarländer haben dank dieser Methode nur noch sporadisch Tollwutfälle zu verzeichnen. Die einzigen menschlichen Tollwuttoten Europas infizieren sich meist während Urlaubsreisen und nicht in ihrem Heimatland.

Es gibt jedoch ein tollwutbelastetes Tier in Europa, das die Viren auch trotz offizieller Ausrottung noch in seinem Körper trägt und theoretisch an den Menschen weitergeben kann. Die Rede ist von der Fledermaus. Aufgrund ihres robusten Immunsystems kann sie Tollwutviren beherbergen, ohne selbst zu erkranken. Geschieht dies doch, so sind immerhin keine Fälle bekannt, in denen eine Fledermaus aktiv einen Menschen angegriffen und gebissen hat.

Dennoch: Wer bei einer Fledermaus ungewöhnliches Verhalten beobachtet, zum Beispiel das Herumflattern am helllichten Tag oder das Herumliegen auf dem Boden, sollte sich an das Veterinäramt wenden und das Tier bis zum Eintreffen der Experten nicht einmal mit Handschuhen berühren. Wer beruflich mit Fledermäusen zu tun hat, sollte außerdem über eine Tollwutimpfung nachdenken. Das gilt ebenso für Menschen, die in tollwutbelastete Gebiete reisen wollen.

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