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Wann soll die Schulglocke läuten?
Unser Stoffwechsel, unsere Hormone, aber auch viele andere Vorgänge in unserem Körper folgen einem regelmäßigen Tag-Nacht-Zyklus. Dieser Takt der inneren Uhr wird durch bestimmte Gene gesteuert und durch äußere Zeitgeber wie das Tageslicht mit der Umwelt synchronisiert. Das Problem jedoch: Unser Alltag steht diesem natürlichen Rhythmus oft entgegen und bringt ihn durcheinander - schon Schüler sind von diesem Effekt betroffen.
Debatte um Unterrichtsbeginn
Der hierzulande frühe Schulbeginn führt gängigen Annahmen zufolge dazu, dass viele Jugendliche aufstehen müssen, wenn ihr interner Taktgeber noch auf Schlafmodus steht. Die Folgen: Sie können sich im Unterricht schlechter konzentrieren und sind weniger leistungsstark. Zusätzlich könnte der Schlafmangel sogar dazu führen, dass sich Gelerntes nicht so gut im Gedächtnis verankert.
Aus diesem Grund wird immer wieder darüber diskutiert, den Schulbeginn um ein bis zwei Stunden nach hinten zu verschieben. Wie sinnvoll das ist, daran scheiden sich jedoch die Geister. Denn Fakt ist auch: Das Schlafbedürfnis ist individuell sehr unterschiedlich. Während viele Schüler besser mit einem späteren Unterrichtsbeginn zurechtkommen, gibt es auch solche, die genetisch bedingt eher zum Frühaufstehen neigen.
Was sagen die Jugendlichen?
Sollte die Schulglocke also weiterhin um 8:00 Uhr klingeln oder doch lieber erst um 9:00 oder 10:00 Uhr? Wissenschaftler um Andreas Klocke von der Frankfurt University of Applied Sciences haben nun bei den Betroffenen selbst nach einer Antwort gesucht: den Schülern. Für ihre Studie werteten sie Daten einer Längsschnittstudie der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung aus, die sich mit dem Thema "Gesundheitsverhalten und Unfallgeschehen im Schulalter" beschäftigt hatte.
Im Schuljahr 2018/2019 wurden dabei auch an 116 weiterführenden Regelschulen rund 7.700 Schüler der Jahrgangsstufe 9 befragt, welche Unterrichtszeit sie an einem Schultag mit sechs bzw. acht Unterrichtsstunden bevorzugen würden. Das überraschende Ergebnis: 52 Prozent der Befragten favorisierten bei einem Sechs-Stunden-Tag eine Unterrichtszeit von 8:00 bis 13:00 Uhr - die Mehrheit wünscht sich demnach, dass alles so bleibt wie bisher.
Mehrheit will um 8:00 Uhr starten
37 Prozent der Schüler sprachen sich dagegen für einen Schultag aus, der um 9:00 Uhr beginnt und dafür erst um 14:00 Uhr endet. Nur fünf Prozent würden gerne noch später, nämlich erst um 10:00 Uhr, mit dem Unterricht anfangen und dafür eine Unterrichtszeit bis 15:00 Uhr in Kauf nehmen. Noch deutlicher fällt das Ergebnis aus, wenn es um einen Schultag mit acht Schulstunden geht: 69 Prozent wählten hier die Option "von 8:00 bis 15:00 Uhr", rund 22 Prozent sprachen sich für das Zeitfenster von 9:00 bis 16:00 Uhr aus und nur vier Prozent wünschten sich einen Unterrichtsstart um 10:00 Uhr.
"Dieses Stimmungsbild zeugt davon, dass die Schülerinnen und Schüler der Freizeit am Nachmittag offenbar einen sehr hohen Stellenwert zuschreiben", kommentiert Klocke. Dies sei vor allem deshalb interessant, weil diese Präferenzen offenbar nicht mit dem Schlafrhythmus der meisten Jugendlichen übereinstimmten. Denn gleichzeitig bezeichnete sich eine klare Mehrheit der befragten Schüler (59 Prozent) als Spätaufsteher, nur 27 Prozent sehen sich selbst als Frühaufsteher.
Spät- versus Frühaufsteher
Tatsächlich unterscheidet sich das Stimmungsbild zwischen diesen beiden Gruppen. So plädierte unter den Spätaufstehern eine knappe Mehrheit von 51 Prozent für eine Unterrichtszeit von 9:00 bis 14:00 Uhr oder von 10:00 bis 15:00 Uhr, während 45 Prozent am Schulstart um 8:00 Uhr festhielten. Die Frühaufsteher sprachen sich dagegen eindeutig (zu 66 Prozent) für das Zeitfenster von 8:00 bis 13:00 Uhr aus. Für den Schultag mit Nachmittagsunterricht zeigen sich diese Unterschiede analog - allerdings spricht sich hier selbst unter den Spätaufstehern eine deutliche Mehrheit von 65 Prozent für eine Unterrichtszeit ab 8:00 Uhr aus.
Die Wissenschaftler fanden auch Hinweise darauf, dass Spätaufsteher tatsächlich unter dem frühen Schulbeginn leiden könnten. "Die Spätaufsteher berichten deutlich häufiger von körperlichen und mentalen Gesundheitsproblemen", berichtet Klockes Kollege Sven Stadtmüller. Diese Schüler leiden demnach häufiger unter Kopfschmerzen, können sich schlechter konzentrieren und sind häufiger gereizt als jene Jugendliche, die sich zu den Frühaufstehenden zählen.
"Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass es für Jugendliche auf Dauer belastend ist, wenn ihr Tagesablauf nicht ihrem präferierten Schlafrhythmus entspricht", betont Stadtmüller.