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Warum misstrauen viele den Gesundheitsinfos?

Ob Coronaleugner oder Impfskeptiker – das Misstrauen gegenüber Gesundheitsinformationen scheint gerade während der Pandemie besonders hoch zu sein. Aber sind allein Fake-News und Verschwörungstheorien daran schuld, dass viele Deutsche den Informationen von Medien, Behörden oder Experten nicht trauen? Eine repräsentative Studie hat jetzt gezeigt, dass diese Faktoren nicht die einzigen Ursachen sind.
ABO, 27.01.2021

Heute besteht das Problem weniger darin, Zugang zu Gesundheitswissen zu haben, als vielmehr darin, die Informationen zu verstehen und vor allem ihre Vertrauenswürdigkeit beurteilen zu können.

iStock.com, da-kuk

Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie ist es wichtiger denn je, auf seine Gesundheit zu achten und die richtigen medizinischen Entscheidungen zu treffen - beispielsweise in der Frage der Corona-Impfung. Doch um solche Entscheidungen treffen zu können und sich überhaupt erst einmal eine Meinung zu bilden, muss man Informationen finden, verstehen, beurteilen und auch anwenden können. Im Gegensatz zu früher besteht das Problem heute weniger darin, Zugang zu Gesundheitswissen zu haben, als vielmehr darin, diese Informationen zu verstehen und vor allem ihre Vertrauenswürdigkeit beurteilen zu können. Erst dadurch kann sich Gesundheitskompetenz herausbilden.

Wie sich diese Gesundheitskompetenz in den letzten Jahren in Deutschland entwickelt hat, haben Forscher um Doris Schaeffer von der Universität Bielefeld untersucht. Sie befragten dazu mehr als 2.000 über 18-jährige Frauen und Männer. Diese Daten wurden mit einer früheren Erhebung aus dem Jahr 2014 verglichen. Zusätzlich führten das Forscherteam im Spätherbst 2020 eine weitere Umfrage mit über 500 Menschen durch, um die Auswirkungen der Coronapandemie näher zu erfassen.

Keine Übersicht übers Gesundheitsangebot

Dabei zeigte sich: Während 2014 etwa 54 Prozent der Befragten beklagten, dass sie sich im unüberschaubaren Angebot von Gesundheitsinformationen nicht orientieren konnten, so waren es 2020 schon fast 60 Prozent. „Der Grund für den Anstieg liegt nach den Angaben der Befragten in der Menge, Vielfalt und auch Widersprüchlichkeit der Informationen“, sagt Schaeffer. Beispielsweise werden Beipackzettel heute weitaus häufiger als zuvor für schwer verständlich gehalten.

Drei Viertel der Befragten finden es schwierig, Gesundheitsinformationen richtig einzuschätzen. Immer mehr Menschen sind nicht sicher, ob die Informationen zuverlässig sind, weil es vor allem im Internet viele, teils stark voneinander abweichende Ratschläge und Hinweise gibt. 76 Prozent finden es beispielsweise schwer, zu beurteilen, ob Informationen zu Krankheiten in den Medien vertrauenswürdig sind. 61 Prozent der Befragten fühlen sich überfordert, konkrete Handlungsempfehlungen aus den Medien abzuleiten, beispielsweise um sich vor Krankheiten zu schützen.

Besonders Bildungsschwache betroffen

Die Schwierigkeiten treten laut der Experten gerade bei Menschen mit einem niedrigen Bildungsgrad verstärkt auf. „Gesundheitsinformationen sind inzwischen offenbar so vielfältig und unübersichtlich geworden, dass da nur noch Menschen mit einer guten Ausbildung durchblicken können“, erklärt Klaus Hurrelmann von der Hertie School in Berlin. „Hier baut sich eine neue Form von gesundheitlicher Ungleichheit auf.“

Diese Entwicklung sei ernst zu nehmen, weil eine geringe Gesundheitskompetenz viele negative Folgen habe, betont der Experte. Wer nicht richtig über gesundheitliche Themen informiert ist, bewegt sich zum Beispiel tendenziell weniger, ernährt sich ungesünder und hat häufiger Übergewicht, was zu mehr Arztbesuchen, Krankenhausaufenthalten und Notarzteinsätzen führt.

Ältere nutzen digitale Infos kaum

Welche Rolle das Internet und soziale Medien für das Suchen und Aneignen von Gesundheitsinformationen spielt, haben die Wissenschaftler in ihrer aktuellen Studie erstmals näher untersucht. „Die digitale Gesundheitskompetenz wird zunehmend wichtig – auch angesichts der jetzt umzusetzenden Digitalisierungsgesetze“, so die Forscher.

Der Umgang damit ist aber nicht für alle einfach: „Auffällig ist, dass die digitale Gesundheitskompetenz sehr schwach ausgeprägt ist.“ Rund 75 Prozent der Befragten weisen hier eine geringe Kompetenz auf und empfinden den Umgang mit digitalen Informationen als enorm schwierig. Das zeigt sich auch daran, dass digitale Informationsmöglichkeiten nur sehr zurückhaltend genutzt werden. 36 Prozent der Befragten greifen nie auf sie zurück. Das gilt besonders für Menschen über 65 Jahre.

Keine Kenntnisse über das System

Um sich um die eigene Gesundheit kümmern zu können, müssen sich Menschen aber nicht nur informieren, sondern sich auch im Gesundheitssystem zurechtfinden. Zu dieser sogenannten „navigationalen Gesundheitskompetenz“ gehört zum Beispiel, dass man weiß, wie das Gesundheitssystem funktioniert, und dass man seine Rechte als Patient kennt. Wann ist beispielsweise mein Hausarzt die richtige Anlaufstelle? Wann sollte man den Notarzt rufen? Und welche Leistungen übernimmt die Krankenkasse? All diese Fragen sind im Krankheitsfall, aber auch bei der Vorsorge wichtig.

Und auch dabei zeigten sich Schwierigkeiten: Unabhängig vom Alter hatten nahezu vier Fünftel der Befragten eine geringe navigationale Gesundheitskompetenz und empfanden den Umgang mit Informationen zur Navigation und Orientierung als sehr schwierig – besonders Menschen mit niedrigem Bildungsgrad und Sozialstatus.

Fehlende Kompetenz führt zu Misstrauen

Da die Gesundheitskompetenz stetig abnimmt und viele Menschen dadurch grundlegende Informationen zur Gesundheit nicht verstehen, steigt das Misstrauen in die Gesundheitsinformationen immer mehr. „Eine solche Unübersichtlichkeit ist gerade in einer Pandemie problematisch, wenn Menschen zum Beispiel klären wollen, wo sie sich auf eine Infektion testen lassen können“, erklärt Schaeffer. „Hinzu kommt, dass auch Falsch- und Fehlinformationen zu Gesundheitsthemen zugenommen haben, wie wir seit der Corona-Pandemie besonders intensiv beobachten können“.

Interessant jedoch: Die Zusatzerhebung im Spätherbst 2020 zeigte, dass die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung sich seit Beginn der Pandemie sogar leicht verbessert hat und auch der Umgang mit digitalen Gesundheitsinformationen leichter fällt. „Am Beispiel der Coronapandemie wird sichtbar, dass umfangreiche, verständliche und wiederholte Gesundheitsinformationen sich rasch auf die Gesundheitskompetenz der Bevölkerung auswirken“, folgert die Expertin. Um also das Vertrauen in die Gesundheitsinfos zu steigern, sollten sie für alle verständlich und plakativ gemacht werden.

Wie erkennt man seriöse Informationen?

Weil es gerade jetzt wichtig ist, beim Umgang mit dem Coronavirus auf dem neuesten Stand zu bleiben, sollten Leser beim Recherchieren auf die Seriosität der Informationen achten. So bieten sich zum Beispiel die Webseiten der Bundes- und Landesregierungen an oder die Seite des Robert-Koch-Instituts. Generell sollten die Quellen neuer Gesundheitsinformationen immer geprüft werden. Und auch, ob die Information nur einmal bei einem Experten auftaucht oder von mehreren bestätigt wurde.

Außerdem gilt: Der Erkenntnisstand zum Coronavirus kann sich jederzeit ändern, da auch die Wissenschaftler und Ärzte noch immer nicht alles darüber wissen und weiter daran forschen. Deshalb ist es sinnvoll, zu prüfen, wann die jeweilige Information veröffentlicht oder bearbeitet wurde, um auf dem neuesten Stand zu sein.

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