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Wie schädlich ist blaues Licht?

Es steckt im Tageslicht, aber auch in der Strahlung von Handy- und Computerdisplays: Der blaue Anteil des sichtbaren Lichts ist der kurzwelligste und energiereichste. Er dient unserer inneren Uhr als "Wecker" und beeinflusst unseren Tag-Nacht-Rhythmus. Gleichzeitig aber könnte das energiereiche blaue Licht auf Dauer möglicherweise unserer Netzhaut schaden. Aber was ist dran am "schädlichen" blauen Licht?
NPO, 10.06.2020

Moderne Leuchtmittel strahlen meist einen höheren Anteil blaues Licht ab als klassische Glühbirnen.

iStock.com, choness

Als Licht bezeichnet man elektromagnetische Strahlung in einem bestimmten, für uns wahrnehmbaren Wellenlängenbereich. Unser Sehsystem reagiert auf Strahlung im Bereich vom kurzwelligen blauen Licht im Bereich von 380 Nanometer Wellenlänge bis zu längerwelligem rotem Licht mit 780 Nanometern. Strahlung mit noch kürzeren Wellenlängen gehört zum ultravioletten Bereich, der längerwellige Bereich jenseits des roten Lichts ist die Infrarotstrahlung.

Warum wir heute mehr blauem Licht ausgesetzt sind

Natürliches blaues Licht umgibt uns den ganzen Tag, weil es Teil des von der Sonne abgestrahlten natürlichen Lichtspektrums ist. Das Problem jedoch: Vor der Erfindung der Glühbirne und anderer künstlicher Lichtquellen war das menschliche Auge diesem energieriechen Lichtanteil nur bei hellem Tageslicht ausgesetzt. Am Feuer und bei der Abenddämmerung dominierten dagegen warme, langwelligere Lichtanteile. An diesen Rhythmus – morgens und tagsüber blauer, abends und nachts rötlicher, ist auch unsere innere Uhr angepasst.

Mit der modernen Zivilisation und Technik hat sich das aber geändert. Heute umgibt uns immer mehr künstliches blaues Licht. Vor allem die modernen Leuchtmittel wie LEDs, Energiesparlampen und die Displays von Fernsehern, Tablets, Handy und Computer strahlen einen hohen Anteil blaues Licht ab – weit mehr als die klassische Glühbirne. Insgesamt sind wir dadurch über einen viel längeren Zeitraum als früher dem potenziell schädlichen blauem Licht ausgesetzt und dies auch abends und bis in die  Nacht hinein.

Was hat blaues Licht mit unserm Schlaf zu tun?

Ein Problem dabei: Gerade abends kann das blaue Licht unsere innere Uhr durcheinander bringen. Denn sie ist darauf geeicht, im Takt des natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus zu arbeiten. Deshalb besitzen wir in den Augen, aber auch anderen Körpergeweben das lichtempfindliche Pigment Melanopsin. Dieses reagiert auf den Lichteinfall und gibt dann Signale an die innere Uhr und bestimmte Hormondrüsen weiter.

Unter dem Einfluss von bläulichem Licht bremst beispielswiese die Zirbeldrüse die Produktion des Schlafhormons Melatonin. Dieses sorgt normalerweise dafür, dass wir müde werden und signalisiert unserem Körper, dass sich die Schlafphase nähert. Doch nur knapp 40 Minuten einer normalen Glühbirne reichen abends bereits aus, um die Menge an ausgeschüttetem Schlafhormon auf die Hälfte zu drosseln. Moderne Leuchtdioden (LED) senden noch wesentlich mehr blaues Licht aus. Auch die Displays von Smartphones, Tablets und Notebooks, die besonders viel blaue Anteile in ihrem abgestrahlten Licht aufweisen, stören die Ausschüttung des Melatonins.

Als Folge können wir Probleme bekommen einzuschlafen – wir fühlen uns einfach nicht müde genug. Schlafmediziner empfehlen daher, solche Geräte nicht unmittelbar vor dem Schlafengehen zu benutzen – wir sollten mindestens 30 bis 60 Minuten vorher das Tablet oder Smartphone zur Seite legen.

Kann blaues Licht schädlich sein?

Der bläuliche Anteil des Tageslichts oder einer künstlichen Beleuchtung ist der energiereichste, kurzwelligste Anteil des von uns wahrnehmbaren Lichts. Zwischen 380 und 400 Nanometer Wellenlänge geht er bereits in den UV-Bereich über. Und genau das weckt die Frage, wie blaues Licht auf unsere Augen wirkt und ob zu viel davon möglicherweise gesundheitsschädlich sein kann. Denn für ultraviolettes Licht ist erwiesen, dass es eine gesundheitsgefährdende und zellschädigende Wirkung haben kann. In welchem Maße blaues Licht schädlich für die Augen ist, wird jedoch noch diskutiert.

So machen einige Wissenschaftler de blauen Lichtanteil für Schäden auf zellularer Ebene an der Retina verantwortlich und sprechen von Blaulichtgefährdung (Blue Light Hazard). Einige von ihnen sind sogar der Überzeugung, dass sie einen wesentlichen Beitrag zur Entstehung der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) leistet. Die Idee dahinter: Das energiereiche Licht regt chemische und physikalische Reaktionen in den Netzhautzellen an, die auf lange Sicht – über viele Jahre hinweg – möglicherweise zur Schädigung der sensiblen Strukturen in der Retina führen.

Allerdings: Ob diese sogenannte photochemischen Effekte wirklich stark genug sind, um gesundheitlich bedeutende Schäden herbeizuführen, ist stark umstritten. Einerseits besitzt die Netzhaut natürliche Schutzmechanismen gegen die vom Licht verursachten Schädigungen, darunter bestimmte Pigmente, die die Strahlung absorbieren. Zum anderen ist noch völlig unklar, ob beispielsweise die Dosis der von Displays abgestrahlten blauen Lichts überhaupt ausreicht, um solche Effekte zu erzeugen. Studien zeigen bislang kein erhöhtes Schädigungsrisiko durch moderne Displays, solange diese die offiziellen Standards einhalten. Über mögliche Langzeitfolgen gibt es aber bislang nur sehr wenige wissenschaftliche Studien.

Schlafmediziner empfehlen, Smartphones, Tablets und Notebooks nicht unmittelbar vor dem Schlafengehen zu benutzen.

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Kann und sollte man sich vor blauem Licht schützen?

Nach aktuellem Stand der Forschung scheint daher von Displays oder Innenraum-Beleuchtung jeglicher Art kein akutes Risiko einer Netzhautschädigung auszugehen. Weder LEDs noch Energiesparleuchten und auch nicht die intensive Nutzung digitaler Displays sind gefährlich für die Augengesundheit.

Anders ist dies draußen im direkten Sonnenlicht. Hier ist es wichtig, die Augen in jedem Fall vor der energiereichen UV-Strahlung zu schützen. Sonnenbrillen sollten diese Strahlung am besten bis einschließlich 400 Nanometer herausfiltern – damit werden auch die kurzwelligsten Blauanteile des Lichts mit erfasst. Wer sich zusätzlich vor blauem Licht schützen möchte, kann dies als Brillenträger sehr einfach tun. Denn es gibt Blaulichtfilter, die man beim Brillenkauf als Veredelung zusätzlich bestellen kann.

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