Die Entwicklung sucht ihresgleichen: Rund zwei Jahre nachdem die Deutsche Telekom an der Börse mit über vierhundert Milliarden Euro bewertet wurde, ist die T-Aktie zum Objekt von Spekulanten verkommen. Mitte Juni notierte die Deutsche Telekom erstmals im einstelligen Kursbereich – Konzernchef Ron Sommer ist zur Zielscheibe gefrusteter Telekom-Aktionäre geworden. Keine deutsche Aktie hat in den letzten fünf Jahren mehr polarisiert als die Telekom: Erst Wegbereiter einer breiteren Aktienkultur in Deutschland, ist die T-Aktie inzwischen zum Symbol des Bärenmarktes der letzten Jahre verkommen – ein chronologischer Abriss des Verfalls.
Mit Manfred Krug an die Börse
Anfang 1996. Aller Anfang war viel versprechend: “Das ist der helle Wahnsinn, was die Telekom alles drauf hat”, lässt der Rosa Riese Schauspieler Manfred Krug im Frühjahr 1996 fabulieren – eine Nation wird auf den größten Börsengang ihrer Geschichte vorbereitet. Tatsächlich zeigt die Kampagne, in die der Ex-Monopolist geschätzte 50 Millionen Euro investiert, Wirkung. Kleinanleger interessieren sich für das Papier, die Neuemission ist fünffach überzeichnet – das geflügelte Wort der “Volksaktie” macht die Runde.
18. November 1996. Der IPO der Deutschen Telekom wird zum Triumphzug des ehemaligen Sony-Managers Ron Sommers. Der kritisch beäugte ehemalige Staatskonzern weckt ungeahntes Anleger-Interesse: Zu 28,50 DM (14,57 Euro) debütiert Europas größter Telefonkonzern an der Frankfurter Wertpapierbörse – und legt gleich eine beachtliche Rallye aufs Parkett. Satte sechzehn Prozent legt die T-Aktie am ersten Handelstag zu und schließt bei 33,90 DM. Die Operation Börsengang scheint geglückt: Über 500 Millionen Aktien werden platziert, mehr als 10 Milliarden Euro in die Konzernkassen gespült.
Frühjahr 1999. Die Börsenkarriere der T-Aktie verläuft rasant. Zweieinhalb Jahre nach dem erfolgreichen Debüt legt das Bonner Unternehmen mit der Ausgabe junger Aktien nach. Manfred Krug wirbt abermals und lockt zu spät Gekommene mit der “Zweiten Chance” – ein nahe liegendes Gedankenspiel, hat die Telekom inzwischen doch mehr als 150 Prozent zugelegt.
22. Mai 1999. Im Vorfeld der zweiten Tranche erleidet die Telekom jedoch ihre erste Schlappe bei ihren Internationalisierungsplänen. Die wenige Wochen zuvor angekündigte Fusion mit der Telecom Italia (TI) zum nach MCI Worldcom zweitgrößten Telekom-Unternehmen der Welt scheitert überraschend. Der italienische Mischkonzern Olivetti sichert sich über Nacht durch eine feindliche Übernahme mit 51 Prozent die mehrheitlichen Stimmrechte an der Telecom Italia – Ron Sommer ist blamiert. Schlimmer als der Image-Schaden wiegt indes das Ende der Partnerschaft mit der France Telecom: Die FT fühlt sich von den Fusions-Plänen ihres deutschen Partners düpiert und kündigt die strategische Allianz mit der Telekom auf.
28. Juni 1999. Nach einer wilden Kursrallye im Vorfeld der zweiten Tranche platziert die Telekom die jungen Aktien schließlich zu einem Emissionspreis von 39,50 Euro. Die Börse nimmt die Papiere abermals dankbar auf – Aktionäre sehen bis zum Ende des ersten Handelstages einen Kurszuwachs bis auf 40,30 Euro.