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Antike – Verlorengegangene Improvisationskunst

Welchen Stellenwert hatte die Musik in der Antike?

Es kann kein Zweifel bestehen, dass der Musik in der altgriechischen Kultur eine hohe Bedeutung zukam. Dafür sind die mannigfachen Zeugnisse in Philosophie und Literatur, in Malerei und Skulptur zu eindeutig. Wie diese Musik klang, wird man allerdings nie rekonstruieren können. Das Gleiche gilt für die Musik des antiken Roms, das die Kultur des eroberten Hellas übernahm. »Musik ist eine heilige Kunst«, heißt es in »Ariadne auf Naxos« von Richard Strauss. Die Götter höchstselbst haben sie erfunden, glaubte man in der Antike. Von Orpheus, dem Sohn des Apoll und der Muse Kalliope, weiß die Sage zu berichten, er habe als Sänger und Lyraspieler sogar Tiere, Steine und Bäume bezaubert. Opfer- und Weihehandlungen, Siegesfeiern, Wettbewerbe aller Art, die Vorträge der Rhapsoden – allen voran Homer –, die kultischen Aufführungen im Theater, Hochzeiten, Begräbnisse, Gastmähler: Jede öffentliche und private Feierlichkeit wurde im alten Griechenland von Musik begleitet, und Aristophanes rief: »Lasst strömen des Liedes geweihte Musik aus der göttlichen Kehle.«

Wie Aristoteles war auch Platon von der ethischen Kraft, aber auch der staatstragend-propagandistischen Macht der Musik überzeugt; Platon ließ Sokrates es so zusammenfassen: »Nun, so ist gute Dichtung, gute Melodie, gutes Betragen, guter Rhythmus eine Folge der gutartigen Seelenverfassung.«

Gab es Musiktheorie?

Ja, der Mathematiker Pythagoras entwickelte erstmals eine Musiktheorie. Er verkündete: »Alles ist Zahl«, auch die Welt der Musik. So schuf er die mathematischen Grundlagen der Intervallzuordnung, befasste sich mit dem Problem, wie die Instrumente zu stimmen seien, und übertrug die Gesetze der musikalischen Harmonie auf die Bewegungen der Himmelskörper. Die bei diesen Bewegungen entstehenden Töne nannte er »Sphärenmusik«.

Schrieb man gespielte Stücke mit Noten auf?

Nein, man nutzte nur ein skizzenhaftes Notationssystem als Gedächtnisstütze. Doch soweit Musik von Generation zu Generation weitergegeben wurde, gaben die Hörerlebnisse den Ausschlag, nicht anders als im Volkslied. Der Entstehungsprozess des Augenblicks, die Improvisation, war in der Antike also weitaus wichtiger als die Überlieferung. Zu Ausgang der Renaissance entwickelte man die Theorie, die griechische Musik sei monodisch (einstimmig) gewesen. Beweisen lässt sich diese Behauptung nicht. Sie ist nur eine Schlussfolgerung aus der Tatsache, dass mehrstimmiges Musizieren eine feste kompositorische Struktur verlangt, die ohne einen Notentext nicht auskommt.

Übrigens: An Instrumenten gab es keinen Mangel: Harfe, Blasinstrumente aller Art (etwa der Aulos), Leiern in erfindungsreichen Ausführungen (zum Beispiel die Kithara) sowie die unterschiedlichsten Perkussionsinstrumente. Streichinstrumente gab es allerdings noch nicht.

Brachte die griechische Tonkunst eine Neuerung?

Ja, Griechenland hatte jene Tonleiter »erfunden«, die der abendländischen Musik das Fundament gab. Entscheidend dafür war der Wechsel von der in allen Kulturen üblichen Pentatonik, einer halbtonlosen Fünftonleiter, zur siebenstufigen Tonleiter, der als Abschluss die erste Tonstufe noch einmal folgt, jetzt um eine Oktave versetzt. Abgeleitet wurde dieses neue System aus der viersaitigen Phorminx, einer Kastenleier, deren Umfang eine Quart von c bis f bildet, also einen Tetrachord (Folge von vier Tönen), in den ein Halbtonschritt von e nach f eingebunden ist; als diesem Tetrachord ein zweiter angeschlossen wurde, und zwar mit einem analogen Halbtonschritt, hatte Griechenland die abendländische Musik weiterentwickelt.

Prägte Rom eine eigene Musik?

Nein, die Etrusker, die Griechen und die Völker der hellenistischen Staatenwelt waren die Quellen, aus denen sich Rom musikalisch nährte. Wesen der römischen Kultur war es, die Elemente der Völker zu übernehmen, die von den Römern erobert wurden. Auch der improvisatorische Charakter der römischen Musik beruht auf fremder Tradition. Was Rom von seinen Vorbildern unterschied, war der ungleich größere Bedarf an Musik, wie ihn eine auf Repräsentation bedachte Weltmacht nun einmal forderte. Das betraf weniger den kultischen Bereich als die Unterhaltung, deren musikalischen Teil ein Heer von Sklaven bestritt. Hier gab bereits der Geschmack der Masse den Ton an. Doch auch den Klang der römischen Musik kann man nicht rekonstruieren, gibt es doch keine Aufzeichnungen.

Erfanden die Götter Instrumente?

Der Gott Apollo gilt in der griechischen Mythologie als Erfinder des ersten Saiteninstruments. Apollo befestigte zwei Stierhörner an einem Schildkrötenpanzer und spannte Saiten zwischen die Hörner. Ergebnis war das sanft tönende Zupfinstrument Lyra. Auch der Gott Pan erfand ein Instrument: Als er einst der Nymphe Syrinx nachstellte, verwandelte die sich in ein Bündel Schilf. Das Schilfbündel im Arm, seufzte Pan, und in den Schilfrohren entstand ein Ton: die Geburt der Flöte.

Wussten Sie, dass …

die Musik im alten Griechenland eine der sieben freien Künste war? Die sechs anderen waren Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie und Astronomie.

die Seikilos-Stele eines der ältesten Zeugnisse mit Ansätzen zu einer Notation von Musik ist? Der Grabstein aus Kleinasien trägt als eingemeißelte Inschrift einen griechischen Liedtext in phrygischer Tonart.

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