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Käfer: Die heimlichen Herrscher

Können Maikäfer eine Plage sein?

Unter Umständen ja. Wenn sie in großer Zahl auftreten, richten sowohl die im Boden lebenden Larven, die Engerlinge, als auch die ausgewachsenen Tiere an Pflanzen immensen Schaden an. Heutzutage sind Maikäferplagen allerdings selten geworden, so dass man die bis zu drei Zentimeter langen Feldmaikäfer (Melolontha melolontha), die im Frühjahr nur für kurze Zeit fliegen, getrost zu den beliebtesten Käfern zählen darf. Die charakteristischen Fächerfühler sind beim Männchen größer als beim Weibchen. Das Weibchen gräbt sich nach der Begattung im Boden ein, wo es 60 bis 70 Eier legt. Erst im Sommer des dritten Entwicklungsjahres verpuppen sich die Larven; die Käfer schlüpfen im Spätherbst, bleiben aber bis zum nächsten Frühling unter der Erde. Der Maikäfer zählt zu der sehr arten- und formenreichen Familie der Blatthornkäfer (Scarabaeidae), die mit dem Herkuleskäfer (Dynastes hercules) einen der größten Käfer enthält.

Welcher Mistkäfer wurde als heiliges Tier verehrt?

Der nur zwei Gramm schwere Heilige Pillendreher (Scarabaeus sacer), der auch als Skarabäus bekannt ist, galt im alten Ägypten als heilig. Der Käfer formt über 40 Gramm schwere Bälle aus Dung, die er – rückwärts laufend – mit den Hinterbeinen voranbewegt und in seine Bruthöhle schafft, wo er dann ein Ei hineinlegt. Die alten Ägypter hatten den Eindruck, dass die Pillen besonders häufig von Osten nach Westen gerollt wurden, der Sonne folgend. So wurde die Dungkugel zur Metapher für die Sonne, der der Skarabäus hilft, wieder aufzugehen. Außerdem erkannte man in der Anzahl der Fußsegmente (sechs mal fünf, also 30) die Zahl der Tage eines Monats und in der 28-tägigen Entwicklung der Larven den Mondzyklus. Fälschlich wurde angenommen, alle Skarabäen seien männlich, weshalb sie als selbstgenügsame, gut gerüstete Krieger verehrt wurden. Weil der Käfer überdies der Erste ist, der sich nach der Nilüberschwemmung wieder blicken lässt, und seine Larven aus Dung schlüpfen, symbolisierte er für die Ägypter auch den Gott der Erneuerung, Ptah. Nachbildungen aus Stein oder Ton dienten als Amulette oder königliche Siegel; als Zeichen der Hieroglyphenschrift bedeutet der Skarabäus »entstehen« oder »werden«.

Verraten die Punkte auf den Deckflügeln das Alter eines Marienkäfers?

Nein, die Anzahl der Punkte ist artspezifisch und hat mit der Lebensdauer des Käfers überhaupt nichts zu tun. Weltweit gibt es über 4500 Marienkäferarten, die meist nur etwa fünf Millimeter groß, auffällig gefärbt und von halbkugeliger Gestalt sind. Von den 185 mitteleuropäischen Arten sind – neben dem Siebenpunkt-Marienkäfer – vor allem der in 80 Zeichnungsvarianten auftretende Zweipunkt (Adalia bipunctata) und der Fünfpunkt (Coccinella quinquepunctata) bekannt. Der Siebenpunkt mit seinen rot gefärbten Deckflügeln ist ein häufig abgebildetes Glückssymbol. Die Weibchen legen im Schnitt 800 Eier gruppenweise auf die Unterseiten von Blättern; die Larven schlüpfen nach einer Woche und verpuppen sich nach vier bis sechs Wochen. Nach einer Puppenruhe von ein bis zwei Wochen kommt ein erwachsener Käfer zum Vorschein, der etwa 14 Monate lebt.

Helfen Marienkäfer gegen Blattläuse?

Der Marienkäfer selbst nicht, aber seine Larven. Über 3000 Schildläuse fressen die Larven mancher Marienkäfer in ihrem Leben und eine Larve des weit verbreiteten Siebenpunkts vertilgt täglich bis zu 20 Blattläuse – sehr zur Freude von Gärtnern und Landwirten. In mittlerweile 32 Ländern hat ein australischer Marienkäfer, den man seit 1888 zur Schädlingsbekämpfung einsetzt, den Zitrusanbau vor der Wollschildlaus gerettet.

Sind Glühwürmchen leuchtende Würmer?

Nein, Glühwürmchen können zwar tatsächlich mit ihrem Hinterleib Licht erzeugen, doch sie sind keine Würmer, sondern Käfer. Diese faszinierenden Tiere gehen in der Abenddämmerung des Frühsommers mit Licht auf Partnersuche. Sie werden von vielen Menschen gar nicht als Käfer erkannt, denn die am Boden hockenden Weibchen haben – anders als die fliegenden Männchen – keine Flügel, was ihnen ein wurmartiges Aussehen verleiht. Bei uns gibt es lediglich drei nur entfernt verwandte Arten, weltweit existieren immerhin 2000.

Das Leuchtorgan im Hinterleib besteht aus drei Schichten: Die unterste enthält winzige Kristalle und wirkt als Reflektor. In der mittleren Schicht findet man ein feines Netz aus Nervensträngen und Tracheen; die Leuchtzellen enthalten viele Mitochondrien und die Substanz Luciferin, die mit Sauerstoff reagiert und dabei Licht aussendet. Die oberste Schicht ist eine transparente Haut.

Am stärksten ist das Licht des südamerikanischen Leuchtschnellkäfers (Pyropherus noctilus), 40 dieser Tiere sind so hell wie eine Kerze. Auch Eier, Larven und Puppen leuchten schwach – angeblich sogar Frösche, die hinreichend viele dieser Käfer gefressen haben.

Wie verteidigen sich Käfer gegen Feinde?

Die Käfer haben die verschiedensten Methoden entwickelt, um sich gegen Feinde zu schützen. Allgemein verteidigen sich viele Insekten und somit auch eine große Zahl von Käferarten, indem sie Stoffe herstellen oder mit der Nahrung aufnehmen, die ihnen einen schlechten Geschmack verleihen oder sie sogar giftig machen. Ihre Ungenießbarkeit signalisieren sie ihren Fressfeinden durch Warnfarben – interessanterweise meist dieselben, die auch uns Menschen vor Gefahrensituationen warnen: Rot, Orange und Gelb, durch Schwarz kontrastiert. Die Flügeldecken der Spanischen Fliege (Lytta vesicatoria) – dem Namen zum Trotz ein Käfer – beispielsweise enthalten Cantharidin, eines der stärksten Gifte: Schon 0,03 Gramm können beim Menschen tödlich wirken. (In hinreichender Verdünnung soll es als Aphrodisiakum wirken.)

Es geht aber auch anders: Nach dem Motto »Angriff ist die beste Verteidigung« spritzen manche Käfer ihren Feinden Wehrsekrete entgegen. Der Nordamerikanische Dunkelkäfer (Gattung Eleodes) macht einen Kopfstand und feuert eine stinkende Flüssigkeit aus seinen Hinterleibsdrüsen ab, wobei er noch Ziele in einem Meter Entfernung trifft. Im wahrsten Sinne des Wortes bombastisch geht der Bombardierkäfer (Brachinus crepitans) vor: Er stellt in seinen Nebenafterdrüsen mehrere Chemikalien her, die getrennt gelagert werden: 23-%iges Wasserstoffperoxid in der einen, Hydrochinone in der anderen Kammer. Bei Gefahr bringt er sie in einer besonders dickwandigen Reaktionskammer zusammen, wo sie mithilfe eines Katalysators explosionsartig reagieren. Es entsteht die 100 °C heiße, stark ätzende Chemikalie p-Benzochinon, die von dem bei der Reaktion freigesetzten Sauerstoff herausgeschleudert und fein zerstäubt wird. Bei den größeren Arten ist sogar ein kleiner Knall zu hören.

Wo sind die Kinder blutrünstiger als die Eltern?

Beim Gemeinen Sandlaufkäfer (Cicindela hybrida). Die Art und Weise, mit der die Larven dieses 13 bis 17 Millimeter langen Käfers ihre Beute machen, ist nichts für zart besaitete Tierfreunde. Die räuberischen Larven leben in selbst gegrabenen Bodenröhren von bis zu 50 Zentimetern Tiefe. An der Öffnung der Röhre lauern sie auf Beute. Dabei ist die Brust im rechten Winkel zum Hinterleib abgeknickt und verschließt gemeinsam mit dem Kopf den Röhreneingang. Mit einem Stemmpolster am Hinterleib klemmen sich die Larven so fest, dass nur die Kieferzangen aus der Erdoberfläche hervorragen. Mit diesen werden die Opfer gepackt, beim Rückzug in die Röhre so lange an die Wand geschlagen, bis sie sich nicht mehr rühren, und dann geköpft. Die Überreste der ausgesaugten Beute werden hinausgeworfen. Man kann die Position solch einer Röhre recht einfach an den herumliegenden ausgeworfenen Kadavern erkennen. Der erwachsene Käfer selbst zeichnet sich dadurch aus, dass er schnell und geschickt davonfliegt, wenn man sich ihm auf zwei bis drei Schritte genähert hat, und sich einige Meter weiter wieder niederlässt.

Haben Schwimmkäfer eine Schwimmblase wie Fische?

Nein. Sie regulieren ihren Auftrieb auf andere Art und Weise. Die Echten Schwimmkäfer (Familie Dytiscidae) sind eng mit der Familie der Laufkäfer verwandt, haben sich aber ganz andere Lebensräume erschlossen: Klare Gebirgsbäche, trübe Tümpel, Flüsse, Seen, ja sogar unterirdische Quelltümpel oder salziges Brackwasser sind ihre Heimat.

Am bekanntesten ist der Gelbrandkäfer (Dytiscus marginalis). Seinen stromlinienförmigen Körper bewegt er mithilfe der flachen Hinterbeine durchs Wasser, deren Ruderwirkung von Schwimmborstensäumen verstärkt wird. Den nötigen Auftrieb gewährleistet eine Atemluftblase unter den Deckflügeln; auch der Ballast aus Kot und Wasser in den Enddarmampullen beeinflusst das spezifische Gewicht und damit den Auftrieb.

Wird im angestammten Gewässer das Futter knapp oder droht es einzutrocknen, so fliegt der Gelbrandkäfer nachts einfach davon. Oft finden sich die Tiere dann auf Gewächshäusern oder regennassen Straßen, deren glänzende Oberflächen sie für Gewässer halten. Auch im Herbst verlässt der Gelbrandkäfer seinen feuchten Lebensraum und sucht sich an Land ein trockenes Winterquartier.

Die Männchen der Gelbrandkäfer sind an den Saugnäpfen der Vorderbeine zu erkennen, mit denen sie sich bei der Paarung an den Weibchen festhalten. Die Weibchen legen im Laufe mehrerer Wochen bis zu 1000 Eier in die Blätter von Wasserpflanzen. Ihre räuberischen Larven fangen Mückenlarven, Wasserschnecken, Würmer, aber auch Kaulquappen und Stichlinge. Auch die erwachsenen Käfer, die über ein Jahr alt werden können, jagen Wassertiere, fressen aber auch Aas.

Tragen Hirschkäfer ein Geweih?

Nein. Die geweihartigen Auswüchse von Hirsch- und Bockkäfern sind umgebildete Fühler oder Kiefer und bestehen aus Chitin und nicht aus Horn. Der Amazonas-Riesenbock (Titanus giganteus) ist mit bis zu 17 Zentimetern Körperlänge und 100 Gramm Gewicht der absolute Riese unter den Käfern. Seine Larven sollen sogar bis zu 25 Zentimeter lang werden! Die etwa 200 bei uns heimischen Bockkäfer können zwar ihren tropischen Verwandten nicht annähernd das Wasser reichen. Aber der in Mitteleuropa vorkommende Mulmbock (Ergates faber) mit sechs Zentimetern Länge und der über fünf Zentimeter lange Große Eichen- oder Heldbock (Cerambyx cerdo) sind durchaus eindrucksvolle Vertreter ihrer Art.

Wussten Sie, dass …

sich in den Körperflüssigkeiten des Marienkäfers dank des natürlichen Frostschutzmittels Glyzerin auch bei Minusgraden keine Eiskristalle bilden?

die Unterfamilie der Rosenkäfer dank kleiner Ausbuchtungen in den Decken mit geschlossenen Flügeldecken fliegen kann und damit zu den ausdauerndsten Fliegern unter den Käfern gehört?

Fressen Mistkäfer Mist?

Ja, sie sind sozusagen die Recycling-Firmen der Natur. Sie erfüllen mit der Beseitigung von Tierkot eine ökologische Aufgabe, deren Wert man nicht unterschätzen sollte. In Australien, wo diese ökologische Nische in Ermangelung von großen Weidetieren unbesetzt war, musste man nach der Etablierung der Schaf- und Rinderzucht bald einsehen, dass der Dung der Weidetiere den Boden zu vernichten drohte: Pro Rind gingen jährlich 400 Quadratmeter Agrarfläche verloren. Erst die Einführung afrikanischer Dungkäfer löste das Problem.

Wussten Sie, dass …

die Fühler des männlichen Bockkäfers Batocera kibleri bis zu 23 Zentimeter lang werden können?

der stärkste Käfer der nur drei Gramm schwere Nashornkäfer (Oryctes nasicornis) ist, der das 850-Fache seines eigenen Gewichts schleppen kann?

der Sandlaufkäfer der Gattung Mantichora eine Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde erreichen kann und damit – in Relation zu seiner Körpergröße – weit schneller ist als ein Gepard?

dank des Glyzerins in ihrem Blut manche Käfer auch extremen Frost vertragen? Der Rekord liegt unter –80 °C.

im alten Rom große Bockkäfer zum Schutz von Obstbäumen eingesetzt wurden? Da ihr vernehmliches Grunzen und Zirpen angeblich andere Schädlinge abschreckte, band man die Tiere an den Baumstämmen fest.

Sind alle Insekten Käfer?

Natürlich nicht, doch die Käfer sind die artenreichste Ordnung im Tierreich. Schätzungsweise vier Fünftel aller Tierarten sind Insekten und von diesen zählen ein Drittel bis die Hälfte zu den Käfern. Hat man also eine gänzlich unbekannte Tierart vor sich, so handelt es sich rein statistisch gesehen mit 30–40 % Wahrscheinlichkeit um einen Käfer!

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