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Conrad Wilhelm Röntgen und die "X-Strahlung"

Am 10. Februar 1923 starb Wilhelm Conrad Röntgen, der deutsche Physiker, der die Röntgenstrahlung entdeckte – und so eine ganz neue Ära der Medizin und Forschung einläutete. Denn dank des Röntgens konnte man nun erstmals in das Innere unseres Köpers schauen und auch für die Materialforschung, Physik und Astronomie ist die Röntgenstrahlung bis heute unentbehrlich. Wie so oft in der Wissenschaft, war die Entdeckung der Röntgenstrahlung aber purer Zufall.
NPO, 10.02.2023
Wilhelm Conrad Röntgen vor vier Reihen von Röntgenbildern

© Historisch; Röntgenbilder: angkhan, GettyImages

Es ist der 8. November 1895. Der Physiker Wilhelm Conrad Röntgen arbeitet noch spät in seinem Labor an der Universität Würzburg. Noch ahnt er nicht, dass er an diesem Abend durch Zufall eine bahnbrechende Entdeckung machen wird.  Wie viele seiner Kollegen experimentiert Röntgen mit den damals neu entdeckten Kathodenstrahlen. Dabei handelt es sich um energiereiche Ströme von Elektronen, die durch eine Röhre mit Vakuum und geringen Mengen eines Edelgases geleitet werden. Ist die Spannung des Strahls hoch genug, beginnt das Edelgas in der Röhre zu leuchten.

Aber das ist nicht alles: Plötzlich bemerkt Röntgen, dass ein in der Nähe stehender Schirm aus fluoreszierendem Material ebenfalls zu leuchten beginnt. Und das auch dann noch, als er die Entladungsröhre mit einem schwarzen Papier bedeckt. Auch einige auf dem Tisch herumliegende Kristalle beginnen zu leuchten. Doch wie kann das geschehen? Die Elektronenstrahlen der Kathodenstrahlröhre, das weiß der Physiker, können das Glas nicht durchdringen.

"Eine geheimnisvolle Strahlung"

Doch Röntgen hat einen Verdacht: Vielleicht sendet die Entladungsröhre ja eine bisher noch unbekannte und unsichtbare Strahlung aus. Der Physiker behält seine seltsame Beobachtung zunächst für sich und experimentiert weiter: Er testet, ob Holzbretter, Gummi, verschiedene Metallfolien oder Flüssigkeiten die geheimnisvolle Strahlung aufhalten können – ohne Erfolg. "… hinter einem gebundenen Buch von ca. 1000 Seiten sah ich den Fluoreszenzschirm noch deutlich leuchten", beschreibt er später den Effekt. Erst Blei schirmt die geheimnisvolle Strahlung ab, wie Röntgen feststellt.

Und noch etwas entdeckt Röntgen beim Experimentieren: Die Strahlung durchdringt sogar den Körper und hinterlässt auf Fotoplatten Abbilder der Knochenstruktur. Der Forscher teilt seiner Frau daraufhin mit: "Ich mache etwas, wovon die Leute, wenn sie es erfahren, sagen werden: 'Der Röntgen ist wohl verrückt geworden.'" Schon bald macht der Physiker die ersten Röntgenbilder, beispielsweise von der Hand seiner Frau. Wenig später veröffentlicht er seine Entdeckung.

Röntgenaufnahme der Hand des Mediziners Albert von Koelliker, der die Umbenennung der X-Strahlen in Röntgenstrahlen vorschlug.

Gemeinfrei

Der Kaiser, ein Nobelpreis und der große Hype

Die Nachricht von den geheimnisvollen Strahlen, mit denen man Knochen im Körper sehen kann, verbreitet sich wie ein Lauffeuer und macht Wilhelm Röntgen berühmt. Sogar der deutsche Kaiser Wilhelm II. lädt den Physiker zu sich nach Berlin ein, um sich aus erster Hand von den alles durchdringenden Strahlen berichten zu lassen. 1901 erhält Wilhelm Röntgen für seine Entdeckung der Röntgenstrahlen den Nobelpreis für Physik und mehrere weitere Ehrungen. Er arbeitet bis zu seiner Emeritierung weiter in München als Professor für Physik. Nachdem im Jahr 1919 zunächst seine Frau krank wird und stirbt, erkrankt auch Röntgen an Krebs. Am 10. Februar 1923 stirbt er im Alter von 77 Jahren.

Schon zu Lebzeiten des Physikers wird "seine" Röntgenstrahlung in der Öffentlichkeit zum echten Renner: Das Durchleuchten eigener Gliedmaßen oder des Körpers ist etwas völlig Neues und wird bald zu einer amüsanten Zerstreuung in den Salons, auf Jahrmärkten und anderswo. Schon bald kann man in fast jedem Schuhladen seine Füße röntgen lassen, um zu kontrollieren, ob die Schuhe sitzen. Von den Schäden, die zu viel Röntgenstrahlung im Körper anrichten kann, ahnt man da noch nichts.

Laboratorium von Wilhelm Conrad Röntgen an der Universität Würzburg im Jahr 1895.

Historisch

Von der "X-Strahlung" zur Röntgenstrahlung

Um was für eine Strahlung es sich handelt, weiß Röntgen aber zunächst nicht. Er nennt seine Entdeckung daher X-Strahlung. Doch schon bald etabliert sich ihm zu Ehren der Name Röntgenstrahlung. Im Englischen aber hat sich die ursprüngliche Bezeichnung "X-Rays" erhalten.

Heute weiß man: Röntgenstrahlung besteht aus elektromagnetischen Wellen – wie das sichtbare Licht auch. Doch die Wellenlänge des Röntgenlichts ist deutlich kürzer, sie liegt im Bereich von 0,001 bis 10 Nanometern. Deswegen durchdringt Röntgenstrahlung viele Materialien, ohne absorbiert oder abgelenkt zu werden – sie flutscht gewissermaßen einfach zwischen den Atomkernen hindurch. Sehr dichte Stoffe mit großen Atomen absorbieren jedoch einen Teil der Strahlung. Deshalb erscheinen die Knochen im Röntgenbild weißlich, das wasserreiche Gewebe um sie herum aber dunkel.

Chandra-Aufnahme von SNR G292.0+1.8
Aufnahme des NASA-Röntgenteleskops Chandra von dem 20.000 Lichtjahre entfernten Supernovaüberrest G292.0+1.8.

© NASA/CXC/SAO

Medizin war nur der Anfang

Für die Medizin war die Entdeckung der Röntgenstrahlung ein echter Quantensprung. Denn erstmals wurde es nun möglich, Organe und Knochen zu untersuchen, ohne den Körper aufschneiden zu müssen. Inzwischen ist die Röntgentechnik weiterentwickelt, Methoden wie die Computertomografie  haben das Spektrum der Einsatzmöglichkeiten und die Auflösung der Bilder weiter verbessert. Selbst feine Haarrisse oder Krebstumore lassen sich nun erkennen.

Aber auch jenseits der Medizin ist die Röntgentechnik inzwischen unverzichtbar. Röntgenstrahlung hilft beispielsweise dabei, Phänomene des Weltalls zu erforschen – von der Explosion ferner Sterne über Schwarze Löcher bis hin zur Struktur unseres Heimatsterns, der Sonne. Denn bei vielen energiereichen Prozessen im Kosmos wird Röntgenstrahlung frei. In der Materialforschung und Chemie gibt die Röntgenstrukturanalyse Aufschluss über die Beschaffenheit von Materialien und lässt dadurch Aussagen über ihre Eigenschaften zu.

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