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An diesen extremen Orten trainieren Astronauten
In diesem Moment sind unbemannte Raumsonden in die verschiedensten Winkel des Sonnensystems unterwegs. Anders als Astronauten, die schon seit über 50 Jahren nicht mehr über den Erdorbit hinausgekommen sind. Das soll sich allerdings bald ändern, denn sowohl die NASA als auch private Raumfahrtunternehmen wie Elon Musks Space X wollen in den nächsten Jahren zum Mond und später sogar zum Mars fliegen. Es gibt sogar schon konkrete Pläne für den Bau einer Mondbasis, die mehrmonatige Aufenthalte ermöglichen soll.
Die Astronauten, die all diese Vorhaben künftig in die Tat umsetzen sollen, müssen vorher ein intensives Training durchlaufen und sich mit den Gegebenheiten des Raumschiffs und ihres Missionsziels – zum Beispiel der Mondoberfläche – vertraut machen. Seit wenigen Tagen können Astronauten das zum Beispiel in einer speziellen Trainingshalle in Köln tun – aber auch an einigen weitaus skurrileren Orten. Wir nehmen euch dorthin mit.
Ein neuer Mond in Köln
Beginnen wir unsere Reise in heimischen Gefilden – in der am 25. September 2024 in Köln eröffneten „LUNA-Halle“. Auf 700 Quadratmetern haben das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die Europäische Weltraumorganisation ESA hier Teile der Mondoberfläche nachgebaut. Die Halle ist gefüllt mit 750 Tonnen täuschend echtem Mondstaub, der aus vulkanischem Basalt erzeugt wurde und ähnliche Eigenschaften wie Gesteinsproben von der Mondoberfläche besitzt. Im Mondstaub-Imitat sind kleine Plexiglas-Elemente vergraben, die unter der Mondoberfläche verborgenes Wassereis nachahmen sollen. Im Untergrund der Halle befindet sich außerdem ein kompletter Lavatunnel, der auf dem echten Mond ein möglicher Standort für eine Station wäre.
Hinzu kommen ein um drei Meter abgesenkter Bereich, der sogar eingefroren werden kann und der das Testen von Bohrtechniken erlaubt, sowie eine verstellbare Rampe für Versuche mit schrägen Ebenen. Ein Sonnensimulator ahmt außerdem die Lichtverhältnisse auf dem Mond nach. Vor allem in den Polarregionen des Himmelskörpers müssen Astronauten sich auf lange, scharfe, dunkle Schatten einstellen. In den nächsten Monaten soll die LUNA-Halle sogar noch um ein System erweitert werden, das die Schwerkraft des Mondes nachbildet.
„LUNA unterstützt die Erforschung des Monds, indem es Astronautinnen und Astronauten sowie Forschenden eine realistische Einsatzumgebung bietet, in der sie trainieren, Ausrüstung testen und Missionsverfahren verfeinern können. Dies hilft sicherzustellen, dass Technologien und Strategien vor ihrem Einsatz auf dem Mond schon intensiv geprüft und optimiert sind“, erklärt Thomas Uhlig vom DLR.
Freiland-Training in Kratern und Vulkanen
Auch in der Vergangenheit diente Deutschland schon einmal als Mondsimulator: 1970 bereiteten sich die Astronauten der Apollo-14-Mission im Nördlinger Ries – einem Einschlagskrater mitten in Bayern – auf ihren Einsatz vor. In verschiedenen Steinbrüchen der Region untersuchten sie die geologische Struktur und Zusammensetzung der Trümmergesteine. Das half ihnen später dabei, neue Informationen zu Fra Mauro, einem 80 Kilometer großen Mondkrater, zu gewinnen. Auch die allererste Mondlandung ist zuerst auf der Erde geprobt worden – und zwar in der unwirtlichen, vulkanischen Landschaft Islands.
An Landschaften und Orten zu trainieren, die denen auf Mond und Mars ähneln, ist unerlässlich für bevorstehende Missionen. Das Nördlinger Ries und Island stellen dabei aber eher das Anfänger-Level dar. Deutlich mond- und marsähnlicher ist es da schon auf der Kanareninsel Lanzarote. In ihrer trockenen, vulkanischen Landschaft erproben Ingenieure und Astronauten immer wieder verschiedene Raumfahrttechnologien. Tests für unbemannte Rover und Erkundungsroboter wiederum finden zum Beispiel auf dem Ätna oder in der Wüste von Arizona statt.
Training an einem der entlegensten Orte der Welt
Wer sich aber endgültig wie im All oder auf einem anderen Himmelskörper fühlen möchte, dem sei ein Überwinterungsaufenthalt auf der antarktischen Concordia-Station ans Herz gelegt. Absolute Dunkelheit, Außentemperaturen bis minus 80 Grad und dünne Luft aufgrund der Lage in über drei Kilometern Höhe lassen recht schnell wahres Raumstations-Feeling aufkommen. Vor allem weil die Besatzung der Concordia länger zur abgeschiedenen Station braucht als ein Flug zur Internationalen Raumstation dauert. Denn die Antarktis-Basis liegt über 1.000 Kilometer von der Küste und 600 Kilometer von der nächsten Forschungsstation entfernt. Wer sich hierher wagt, ist im Winter auf sich gestellt.
Was hart klingt, ist es auch, bietet aber perfekte Voraussetzungen, um sich auf lange Weltraummissionen vorzubereiten, die Langzeitauswirkungen menschlicher Isolation zu untersuchen oder um Schutzanzüge und Raumfahrtmaterialien zu testen. Die ESA schickt daher regelmäßig wissenschaftliche Teams zur Concordia-Station.
Ein Raumschiff unter Wasser
Ebenfalls extrem geht es im sogenannten Aquarius-Habitat vor der Küste Floridas zu. Hier simuliert eine 20 Meter unter der Wasseroberfläche liegende Wohneinheit die Lebensbedingungen in einer Raumstation. „Wir hören seltsame Geräusche, fühlen, wie es sich leicht mit der Strömung bewegt und spüren in unseren Ohren die leichten Schwankungen des Drucks“, beschreibt Aquanaut Herve Stevenin seine Erfahrungen während einer Aquarius-Mission. „Draußen beobachten wir eine fremde Welt. Wir sind hier die Aliens, die diese Welt besuchen. Die Aquarius ist unser Raumschiff.“
Und wie auf einer echten Weltraummission erfordert hier jeder Außeneinsatz penible Vorbereitung. Die Aquanauten müssen klobige Anzüge anlegen, Schleusen passieren und auf ihren begrenzten Luftvorrat achten. Immerhin können sie sich unter Wasser aber frei bewegen – anders als auf der Station, die den sechs Besatzungsmitgliedern einen Schlaf- und Wohnbereich kaum größer als eine Einzimmerwohnung bietet.
Doch wer solche Herausforderungen einmal erfolgreich gemeistert hat, der hat auch gute Chancen, später auf Mond und Mars klarzukommen.