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Entdeckung des Pesterregers - dem Schwarzen Tod auf der Spur
Die Pest hat im Laufe der Geschichte immer wieder verheerende Seuchen ausgelöst: Im sechsten Jahrhundert wütete die sogenannte Justinianische Pest, im Mittelalter ging die Krankheit als der "Schwarze Tod" in Europa um und auch in unserer modernen Zeit bedroht die Pest Bevölkerungsgruppen auf der ganzen Welt - erst 2017 brach sie etwa in Madagaskar aus.
Heute wissen wir, dass die berüchtigte Erkrankung durch ein Bakterium verursacht wird. Früher allerdings war das nicht so. Weil ihnen das medizinische Wissen fehlte, fanden die Menschen andere Erklärungen für die Seuche. Sie betrachteten sie als Strafe Gottes oder machten im Zuge des Antisemitismus die Juden als Überbringer der Pest aus.
Spurensuche in Hongkong
Auch nachdem Wissenschaftler schließlich entdeckt hatten, dass bestimmte Krankheiten von Bakterien ausgelöst werden, blieb der wahre Verursacher der Pest zunächst ein Geheimnis. Das änderte sich erst, als Ende des 19. Jahrhunderts die dritte große Pest-Pandemie in China ihren Anfang nahm.
Die Kolonialmacht Frankreich will damals ihren Ruf verbessern und schickt den 31-Jährigen Alexandre Yersin nach Hongkong, um den Auslöser der Seuche zu finden. Yersin hat bei den beiden Pionieren der Mikrobiologie Louis Pasteur und Robert Koch gelernt und trifft in China auf starke Konkurrenz: Ein japanisches Forscherteam um den Bakteriologen Kitasato Shibasaburo ist dem Pesterreger ebenfalls auf der Spur.
Erfolgreich isoliert
Wer wird den Übeltäter als erstes identifizieren? Die Chancen, dass Yersin diesen Wettstreit gewinnt, stehen denkbar schlecht: Er ist weniger gut ausgestattet als die Japaner und wird obendrein von den englischen Kolonialbehörden in seiner Arbeit behindert, die ihm unter anderem den Zugang zu Pestleichen verwehren.
Doch Yersin ist erfinderisch: Nachdem ihn die Untersuchung von Blutproben Erkrankter nicht weitergebracht hat, verschafft sich der Mediziner mithilfe eines Bestatters heimlich Zugang zu Pesttoten. Am 20. Juni 1894 gelingt ihm dann die Sensation - er isoliert den Pestbazillus aus befallenen Lymphknoten und steckt Mäuse und Meerschweinchen mit der Krankheit an.
Aus Nachteil wird Vorteil
Auch sein japanischer Konkurrent behauptet, den Erreger gefunden zu haben. Tatsächlich aber handelt es sich um Pneumokokken, die zufällig in den Proben vorhanden waren. Letzten Endes ist seine schlechtere Ausstattung ein Glück für Yersin. Denn er hat keinen Brutkasten zur Verfügung und muss die Bakterienkulturen bei den herrschenden Außentemperaturen wachsen lassen - rund 27 Grad Celsius. Der Clou: Im 37 Grad warmen Brutkasten der Japaner gedeihen die Pesterreger weniger gut.
Dank Alexandre Yersin ist nun endlich der Verursacher der Pest gefunden. Das verantwortliche Bakterium wird später nach ihm benannt: Yersinia pestis. Doch die Identifizierung des Erregers ist nicht der einzige Erfolg, der dem Forscher in Hongkong gelingt. Er weist auch nach, dass der von ihm entdeckte Keim ebenfalls für das zeitgleich mit der Pest aufgetretene Rattensterben verantwortlich ist.
Von der Ratte auf den Mensch
Zur vollständigen Entschlüsselung der Infektionskette fehlt damit nur noch ein letzter Schritt - die Verbindung zwischen Ratte und Mensch. Nur drei Jahre nach Yersins Entdeckung stellen Wissenschaftler in Bombay fest, dass die Pest durch Bisse von Rattenflöhen von den Nagern auf den Menschen überspringt.
Yersin und seine Nachfolger haben mit ihren Arbeiten die wesentlichen Grundlagen zur Bekämpfung der Pest geschaffen. Heute ist die Krankheit mithilfe von Antibiotika heilbar. Trotzdem fordert der Yersinia-pestis-Erreger immer wieder Tote - vor allem in Regionen mit schlechter medizinischer Infrastruktur.