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Haareis: Rätselhaftes Naturphänomen im Wald
Schon der Geologe und Polarforscher Alfred Wegener staunte vor knapp 100 Jahren über dieses Phänomen: Bei bestimmten Wetterbedingungen bilden sich auf abgestorbenem Holz von Laubbäumen zarte weiße Büschel aus feinsten Eishaaren. Diese filigranen Gebilde erinnern an Zuckerwatte, Schafwolle oder an das Fädengeflecht eines Schimmelpilzes. Jedes Eishaar ist nur rund 0,02 Millimeter dünn, kann aber bis zu 20 Zentimeter lang werden.
Ungewöhnlich auch: Das Haareis wächst nicht wie ein Eiszapfen am Ende, sondern von seiner Basis aus. Die Eishaare bilden sich mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit. Bei fünf bis zehn Millimetern pro Stunde kann so ein Eiskunstwerk über Nacht entstehen. Lange ist das Naturkunstwerk aber nicht zu bestaunen: Wenn die Wetterbedingungen sich auch nur geringfügig ändern, verschwindet es wieder.
Wie entsteht dieses Eis?
Klar scheint: Die Wetterbedingungen müssen stimmen. Das zarte Haareis entsteht nur bei Temperaturen knapp unter Null, wenn die Luftfeuchtigkeit hoch ist und kein Wind weht. Sinkt die Temperatur unter den Gefrierpunkt, beginnt das Wasser an der Holzoberfläche zu gefrieren. Dabei setzt es latente Wärme frei, die auf das Holz übertragen wird. Weil das Eis beim Weitergefrieren immer mehr Wasser anzieht, bildet sich in jeder Pore ein kleiner Kristall.
Das allerdings erklärt noch nicht die ungewöhnlich haarige Form dieses Eises. Es muss noch einen anderen Faktor geben – aber welchen? Dieses Rätsel haben Forscher erst vor wenige Jahren gelöst. Einen ersten Hinweis lieferte ihnen ein Experiment, bei dem sie Totholz erst in kochendem Wasser sterilisierten und dann den normalerweise Haareis-fördernden Bedingungen aussetzten. Es geschah – nichts. Das Haareis blieb aus.