wissen.de Artikel
Herbstmond September – ein Monat für die Demokratie
Regierungsbildung – ein Kinderspiel
Setzen wir anstelle der Parteibezeichnungen doch einmal die Namen Paul, Anna, Lotte, Lars und Timm. Das verlegt die Szene auf einen Kinderspielplatz – ist ja im Hinblick auf die Bundespolitik mitunter gar nicht so abwegig. Anna hätte gern mit Timm gespielt, aber der muss zum Nachhilfeunterricht und kann nicht mehr mitspielen. Sie würde auch mit Paul oder Lars spielen, aber die sind unschlüssig, ob sie nicht lieber zusammen ihre Zeit verbringen – wie schön könnten die beiden gemeinsam Anna ärgern! Und dann ist da noch Lotte, die findet Paul und Lars eigentlich ganz nett, aber die beiden wollen partout nichts mit ihr zu tun haben. Am Ende stehen alle blöd da: Das gemeinsame Spiel kommt zum Erliegen, aber nach Hause zu gehen ist auch keine Option.
Was auf Spielplätzen ganz normal ist, gestaltet sich auf der politischen Bühne zäh – schließlich sollen hier die Freundschaften vier Jahre halten, und das will wohlüberlegt sein. Demokratie ist eben nichts für Kindsköpfe.
Es lebe die Demokratie
Das könnte damit zusammenhängen, dass Demokratie, ist sie erst einmal etabliert, die Politik ganz schön uninteressant macht. Mal von den üblichen Missständen abgesehen geht der Alltag seinen Gang – ob nun die SPD oder die CDU oder wer auch immer die Regierung anführt, macht für viele Menschen kaum einen Unterschied. Trotzdem läuft das Wer-mit-wem-Spiel der Koalitionssuche allen anderen tagesaktuellen Ereignissen den Rang ab. Selbst Syrien ist auf die Innenseiten der Zeitungen gewandert, und ob die EU in der Krise oder unsere Daten in der Hand unberechenbarer Spione sind, interessiert weniger als die Frage, mit wem Anna die nächsten vier Jahre auf den Spielplatz geht.
In einem System mit Mehrheitswahlrecht wie in den USA gäbe es nur Anna und Paul, einer der beiden würde die Sandkiste für sich allein gewinnen. Hier haben wir ein Verhältniswahlrecht, das Platz für viel mehr Kinder auf dem Polit-Spielplatz zulässt. Eigentlich ja schön. Das funktioniert aber nur, wenn dann am Ende auch irgendjemand bereit ist, mit dem anderen zu spielen.
Vielleicht sollten wir es bei der nächsten Bundestagswahl einfacher gestalten und anstelle von Parteien direkt Koalitionen wählen. Dann wäre alles schnell entschieden, und am Ende hätten die wirklich weltbewegenden Themen wieder Platz auf den Titelseiten.