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Hinter Glasscheiben und Gittern: Tierhaltung in Zoos

Zur Schau gestellt: Zoos und Tierparks sind beliebte Ausflugsziele. Aber die Haltung von Wildtieren in solchen Anlagen ist auch umstritten. Wie artgerecht sind Zoos und Tierparks in Deutschland? Und welche Vor- und Nachteile haben sie - beispielsweise für den Artenschutz?
ABO, 06.11.2020

Besonders verlockend sind Zoos für viele Besucher, weil man dort auch Tierer erleben kann, die es in der freien Wildbahn in Deutschland nicht gibt

iStock.com, FamVeld

In Deutschland gibt es rund 700 Zoos - dazu zählen neben klassischen Zoologischen Gärten auch Aquarien, Vogelparks, Wildgehege und Reptilienhäuser. Millionen Menschen in Deutschland besuchen jährlich diese Einrichtungen. Aber was genau ist eigentlich ein Zoo? Die EU-Zoorichtlinie bezeichnet alle dauerhaften Einrichtungen, die mindestens sieben Tage im Jahr einige lebende Wildtiere zur Schau stellen, als einen Zoo. Darunter finden sich oft auch exotische Tiere. Der Begriff Tierpark meint hingegen meist, dass es sich um eine kleinere Anlage handelt, in denen vor allem in unseren Breiten heimische Tiere leben. In sogenannten Wildparks werden grundsätzlich nur in der jeweiligen Region heimische Tiere gehalten.

Einblick in die faszinierende Tierwelt

Besonders verlockend sind Zoos für viele Besucher, weil dort auch Tiere zur Schau stehen, die es in der freien Wildbahn in Deutschland nicht gibt. Deutsche Zoos setzen dabei vor allem auf beliebte Exoten - die zum Beispiel häufig in Kinderbüchern oder in Filmen vorkommen, wie Löwen, Giraffen und Elefanten. Die Besucher können die Tiere aus der Nähe betrachten und manchmal sogar füttern.

Schon lange sind Zoos aber nicht nur zur Erholung und Unterhaltung gedacht: Sie dienen heute auch der Bildung, um den Besuchern die Probleme des Arten- und Naturschutzes nahe zu bringen. Gerade die Kleinsten sollen ein Gefühl für die Vielfalt der Tierwelt und die Lebensweise der Tiere bekommen, die sie sonst meist nur aus Filmen kennen. Tierpfleger erklären etwa am Beispiel von Pinguinen und Delfinen den Besuchern die Bedeutung von sauberem Meerwasser. Vor jedem Gehege zeigen zudem Informationstafeln, woher die Tiere ursprünglich kommen und wie sie leben. Und wer die Tiere live sieht, setzt sich Schätzungen zufolge auch eher für sie und das Bestehen ihrer natürlichen Lebensräume ein.

Beliebte Zootiere sind Exoten, die häufig in Kinderbüchern oder in Filmen vorkommen, wie Elefanten, Löwen, oder Giraffen.

Gehege für den Artenschutz

Nach Angaben vieler Zoobetreiber nützen Zoos gerade vom Aussterben bedrohten Tierarten: „Zoos leisten einen erheblichen Beitrag zum Artenschutz – und der wird leider immer notwendiger“,  erklärt Dag Encke vom Nürnberger Tiergarten. „Naturschutzorganisationen kümmern sich nicht mehr um einzelne Tierarten, sondern um ökologische Hotspots, an denen es noch die höchste Artenvielfalt gibt. Zoos sind die letzten Organisationen, die eingreifen, wenn zum Beispiel eine kleine graue Papageienart auszusterben droht, die außerhalb dieser Hotspots vorkommt.“

Durch Haltung und Zucht solcher bedrohter Tierarten in Zoos könne man, so erklärt Encke, immer wieder Arten vor dem Aussterben schützen, indem man sie in Gehegen schützt und später wieder in die Wildnis entlässt. Zum Beispiel zählte das Goldene Löwenäffchen vor einigen Jahren zu den auf der Roten Liste gefährdeter Arten. Verschiedene Zoos züchteten die kleinen Krallenaffen nach, und konnten sogar schon mehr als 1.000 Exemplare auswildern. „Natürlich können wir nicht alle Tiere auswildern“, erklärt der Experte. „Eisbären zum Beispiel sind ja nicht bedroht, weil sie gejagt werden, sondern weil sie verhungern. Da brauchen wir nicht über eine Auswilderung zu diskutieren, die würde nichts bringen.“

Da die Aufzucht einzelner bedrohter Wildtierarten allein das globale Artensterben nicht aufhalten kann, engagieren sich Zoos zunehmend auch im Schutz der Natur außerhalb ihres Geländes. Es geht dabei um die Erhaltung der Lebensräume der Tiere. Auswilderungsprogramme, internationale Naturschutzprogramme und die Wildhüter in den Heimatländern der Tiere werden deshalb von vielen großen Zoos unterstützt. Auch große Naturschutzorganisationen wie zum Beispiel der "World Wide Fund For Nature" (WWF) arbeiten mit Zoos zusammen.

Von Riesengehegen wie dem 2011 eröffneten Gondwanaland des Leipziger Zoos versprechen sich die Betreiber nicht nur eine Attraktion, sondern auch verbesserte Haltungsbedingungen für die Tiere.

Arche oder Titanic?

Dieses Engagement für den Artenschutz wirkt zwar sehr positiv, doch Studien belegen, dass der weitaus größte Anteil aller Tiere in unseren Zoos keine gefährdeten Arten sind. So werden nur 20 bis 25 Prozent aller weltweit bedrohten Säugetiere in Zoos gehalten – bei Reptilien sind es sogar nur drei Prozent. Darüber hinaus kritisieren Tierschützer, dass Zoos ethisch gesehen fragwürdig seien. „Für uns sind Zoos nichts anderes als Gefängnisse“, sagt Peter Höffken von der Tierrechtsorganisation PETA.

Die Begründung: Die meisten Wildtiere haben hohe Ansprüche an ihren Lebensraum, die die Zoos nicht erfüllen können. Laut einer Studie, die 2012 die Tierhaltung in 25 deutschen Zoos untersuchte, stand den Tieren in den meisten Gehegen beispielsweise nicht ausreichend Verhaltens- und Beschäftigungsmaterial zur Verfügung. Auch der natürliche Platzbedarf vieler Wildtiere wird in den Gehegen und Käfigen nicht einmal ansatzweise erfüllt.

Und was die Besucher in Zoos beobachten, hat mit dem natürlichen Verhalten eines Tieres oft nicht viel zu tun: Menschenaffen hocken stundenlang herum anstatt nach Nahrung zu suchen - dabei verbringen Gorilla und Co. in der Wildnis einen großen Teil ihres Tages mit der Futtersuche. Tiger können nicht jagen, weil ihnen schlicht keine Beute über den Weg läuft, und Vögel können nicht so lange und weit fliegen wie in Freiheit. Auch soziale Interaktionen mit Artgenossen wie das Paarungsverhalten fehlen im Zoo weitgehend. Die meisten Regenwaldbewohner brauchen zudem ein feuchtwarmes Klima und leiden unter den fehlenden natürlichen Reizen – wie einer Landschaft, die sich verändert.

Das "Schlaraffenland" Zoo birgt den Nachteil, dass intelligente Tiere wie Schimpansen oder Elefanten zu wenig gefordert werden.

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Auch in Zukunft kein natürliches Leben

Wildtiere sind in ihrem Verhalten und Körperbau auf ein Leben in Freiheit ausgerichtet - nach Meinung von Tierschützern verkümmern die Tiere daher in ihren Gehegen. Ein Anzeichen für psychische und gesundheitliche Störungen sind die sogenannten Stereotypien, also die immer gleichen Bewegungsabläufe: etwa das Schwenken mit dem Kopf oder pausenloses Hin- und Herlaufen. Besonders häufig beobachten Experten solches Verhalten bei Bären und Großkatzen. „Das begeistert Kinder nicht für den Artenschutz, sondern vermittelt ihnen ein völlig falsches Bild“, so Tierschützer Höffken weiter.

Der Großteil der Zootiere, so der Vorwurf, fühle sich zudem von den Besuchermassen gestört und werde aggressiv. Manche töteten sogar ihre Artgenossen oder verstümmelten sich selbst. Außerdem kommt es schneller zu Erbkrankheiten, weil die Tiere manchmal auch innerhalb ihrer Familie gezüchtet werden und es so an genetischer Vielfalt fehlt.

Die in Tierparks geborenen und aufgewachsenen Tiere sind außerdem nicht mit ihren in der Wildnis lebenden Artgenossen zu vergleichen, so Zoogegner. Diese Umstände zeigen sich auch in Auswilderungsversuchen: Bei der Wiederauswilderung ergeben sich oft Schwierigkeiten, weil die Zootiere in der freien Wildbahn kaum überlebensfähig sind, da sie nicht gelernt haben, sich durchzusetzen oder um Nahrung zu konkurrieren - einige natürlichen Instinkte verschwinden im Zoo.

Mit Tieren Profit machen

Aktivisten betonen zudem, dass Zoos Wirtschaftsunternehmen sind, die auf finanzielles Einkommen durch hohe Besucherzahlen angewiesen sind – sie seien schlicht für die Besucher da. Deshalb züchten Zoobetreiber zum Beispiel auch regelmäßig Tiere nach, um mit den Tierbabys mehr Gäste anzulocken. Dabei entsteht meist Nachwuchs, der aus Platzmangel irgendwann wieder getötet werden muss. Die Tierrechtsorganisation PETA wies nach, dass allein der Zoo und Tierpark Berlin zwischen 2007 und 2009 über 1.000 Tiere an einen Tierhändler verkaufte, zu dessen Kunden unter anderem ein Tierversuchslabor und ein Exotenrestaurant zählten.

Der Deutsche Tierschutzbund beklagt, dass viel Zoos züchten würden, obwohl sie nicht genügend Platz besäßen. Die Jungtiere dienten als Besuchermagneten.

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Wie werden Zoos artgerechter?

Obwohl Zooanlagen unumstritten Tiere gefangen halten, sind Zoobetreiber heutzutage in der Regel darauf bedacht, dass ihre Tiere möglichst artgerecht gehalten werden – auch damit die Besucher glückliche Tiere zu sehen bekommen. So bemühen sie sich seit den letzten Jahren zum Beispiel, Tiere in möglichst natürlicher Umgebung mit viel Platz unterzubringen. Inzwischen bieten viele Zoos Landschaften im Freien statt Tiere in Käfigen zu halten. Außerdem gibt es in vielen Gehegen Bereiche, die der Besucher nicht einsehen kann.

Zudem wird versucht, die Tiere auf verschiedene Art und Weise zu beschäftigen, indem es ihnen zum Beispiel erschwert wird, an ihr Futter zu gelangen. So müssen Eisbären Fleischbrocken erst aus großen Eiswürfeln holen oder Schimpansen ihre Rosinen aus einem ausgehöhlten Baumstamm pulen. Darüber hinaus kooperieren mittlerweile Zoos weltweit, um Tiere untereinander auszutauschen. Die Zoos achten dabei meist auf den Stammbaum der Tiere, um Inzucht zu vermeiden.

Zoobesuch: Ja oder nein?

Ob man sich für einen Zoobesuch entscheidet, bleibt aber stets eine persönliche Entscheidung. Im Gegensatz zu Ländern außerhalb von Europa gibt es hierzulande zwar einige Tierschutzverordnungen, an die sich Zoobetreiber zu halten haben. Dabei sind die meisten Regelungen aber so allgemein, dass sie eine Vielzahl von ganz unterschiedlicher Ausprägung zulassen.

Wer also sicher gehen möchte, dass die Tiere artgerecht leben, kann beispielsweise statt einem Zoobesuch auch Entdeckungsreisen durch die heimische Natur oder dem Besuch eines Lebenshofs vorziehen. Auch vermitteln Dokumentarfilme oft ein viel realistischeres Bild über das Leben von Wildtieren, als das bei Tieren im Zoo der Fall ist. Dabei lernen Kinder, dass Elefanten, Löwen, Affen und Co. natürlicherweise nicht in Deutschland leben.

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