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Hyperakkumulatoren - pflanzliche Metallsammler
Ob Kupfer, Nickel, Arsen oder Zink: All diese Stoffe sind Schwermetalle – und extrem giftig. Für Lebewesen, die diese Metalle in zu hohen Konzentrationen aufnehmen, kann das fatale Folgen haben. Auch für Pflanzen: Sie benötigen einige Schwermetalle zwar als Spurenelemente für ihren Stoffwechsel. Gelangen jedoch größere Mengen der Stoffe in ihren Organismus, wirken sie toxisch.
Aus diesem Grund haben manche Pflanzen Wege entwickelt, die giftigen Metalle von der Aufnahme auszuschließen oder bereits aufgenommene Metalle wieder aus ihrem Körper zu transportieren. Andere gehen auf schwermetallreichen Böden schlicht zugrunde. Doch nicht die sogenannten Hyperakkumulatoren im Pflanzenreich: Diese "Super-Sammler" nehmen Schwermetalle sogar ganz gezielt und in großen Mengen über ihre Wurzeln auf.
Pflanzen mit Metallvorliebe
Pflanzen wie das Gelbe Galmei-Veilchen, das Alpen-Hellerkraut oder die Hallersche Schaumkresse reichern die giftigen Stoffe in Konzentrationen in ihrem Gewebe an, die hundert- bis sogar tausendfach höher sind als bei "normalen" Pflanzen. Eines der extremsten Beispiele ist die in den Regenwäldern Neukaledoniens heimische Art Pycnandra acuminata. Dieser Baum zieht in schier unvorstellbaren Mengen Nickel aus dem Boden: Ritzt man in seine Rinde, tritt ein blaugrüner Pflanzensaft hervor, der aus bis zu 25 Prozent Schwermetall besteht.
Wie und warum aber machen die Pflanzen das? Forscher haben herausgefunden, dass die Hyperakkumulatoren Strategien entwickelt haben, damit das Gift ihren Stoffwechsel nicht beeinträchtigen kann. So schleusen viele von ihnen die Schwermetalle geschickt durch den Pflanzenkörper und lagern sie weit weg von dem für die Photosynthese wichtigen Chlorophyll ein, etwa in speziellen Speichervakuolen in der äußeren Blattschicht.
Bodensanierung 2.0
Möglicherweise dient diese ungewöhnliche Anreicherung von Metallen den Pflanzen als Schutz vor Blattfraß oder aber als Wettbewerbsvorteil gegenüber konkurrierenden Arten. Denn sie können an Standorten gedeihen, an denen sonst kaum andere Pflanzen überleben. Doch nicht nur die Hyperakkumulatoren selbst profitieren von ihrer Metallvorliebe. Auch der Mensch macht sie sich zunehmend zunutze.
Zum Beispiel bei der Bodensanierung: Weil die pflanzlichen Metallsammler Schwermetalle gezielt aus dem Erdreich ziehen, können sie kontaminierte Böden auf natürliche Weise reinigen. Diese Idee wird auf der Pazifik-Insel Neukaledonien bereits umgesetzt. Die größten Nickel-Vorkommen der Welt wurden dort jahrzehntelang ohne Rücksicht auf die Umwelt ausgebeutet. Nun sollen Hyperakkumulatoren die in Mitleidenschaft gezogenen Böden im Umfeld der Minen entgiften und so deren Erholung fördern.
Metalle statt Gemüse ernten
Diese Form der Bodenreinigung dauert zwar deutlich länger als konventionelle Sanierungsverfahren. Sie ist jedoch oftmals günstiger und auch unter ökologischen Gesichtspunkten vorteilhafter als viele gängige Methoden. Außerdem ergibt sich dabei ein interessanter Nebeneffekt: Die von den Pflanzen aus der Erde gezogenen Metalle lassen sich gewinnbringend weiterverwerten.
In Albanien beispielsweise pflanzen Landwirte im Zuge eines Pilotprojekts in der Nähe des Ohridsees Mauer-Steinkraut auf ihren mit Schwermetallen belasteten Äckern an – und ernten nun Metalle statt Gemüse. Das mit Nickel vollgesogene Kraut wird dafür einfach getrocknet, zu Asche verbrannt und verkauft. Aus der Asche lassen sich mithilfe chemischer Verfahren dann die interessanten Verbindungen herauslösen: Nickelsalze und -oxide, die bisher für Farben und Korrosionsschutzmittel verwendet werden, aber auch als Rohstoffe für Handy-Akkus genutzt werden könnten.
Erzabbau der anderen Art
Einige Wissenschaftler träumen davon, dieses sogenannte Phytomining eines Tages ganz gezielt zum Erzabbau einzusetzen. Schließlich lassen sich mit Hyperakkumulator-Pflanzen neben Nickel theoretisch auch Palladium, Platin oder begehrte seltene Erden wie Scandium und Neodym aus dem Boden ziehen.
Für bestimmte Rohstoffe könnte diese alternative Art der Erzgewinnung tatsächlich finanziell rentabel sein. Interessant wäre der Ansatz nach Ansicht von Experten vor allem dort, wo sich normale Minen nicht lohnen. Dies ist zum Beispiel in sehr abgelegenen Regionen der Fall oder auf Böden, in denen die Metalle nicht konzentriert, sondern gleichmäßig verstreut vorkommen. Denn bilden sich keine geklumpten Metallvorkommen aus, ist die bergmännische Gewinnung schwierig. Mithilfe von Pflanzen lassen sich solche Flächen hingegen problemlos bearbeiten.