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Königin Viktoria
Bald darauf begann ein rasanter Aufschwung des nationalen Wohlstands. Zölle wurden abgeschafft und 1853 wurde der Freihandel in vollem Umfang eingeführt, Wirtschaft und Industrie blühten und England galt als "Werkstatt der Welt" – zugleich aber wuchs auch die soziale Ungleichheit. Daneben trat das Empire mit einem unverhohlenen Streben nach kolonialer Ausdehnung auf, baute seine Machtstellung aus und öffnete überseeische Märkte für die heimische Industrie.
DIE PARTEILICHE MONARCHIN
Zeitlebens begleitete Viktoria engagiert alle Aspekte der Tagespolitik. Zu Beginn ihrer Regentschaft hatte die junge Königin im zweimaligen Premierminister Lord Melbourne einen ihrer engsten Vertrauten gefunden. Dank dessen Einfluss schenkte sie den Whigs, der späteren Liberalen Partei, ihre volle Unterstützung – zunächst jedenfalls. Denn im Oktober 1839 lernte sie ihren Vetter Prinz Albert von Sachsen-Coburg-Gotha kennen und schon im Februar darauf war die Hochzeit. Die Ehe, aus der zwischen 1840 und 1857 neun Kinder hervorgingen, verlief überaus glücklich und harmonisch.
Mit ihrem Gatten teilte Viktoria zudem die Ansicht, der Monarch sei nicht nur zum Repräsentieren da und forderte das Mitspracherecht der Krone vor allem in außenpolitischen Angelegenheiten, ein Anliegen, das der Liberale Palmerston, von 1846 bis 1851 Außenminister und später zweimal Premier, allerdings geflissentlich überhörte.
SCHICKSALSSCHLAG
Als ihr geliebter Mann Prinz Albert 1861 unerwartet im Alter von nur 42 Jahren starb, stürzte Viktoria in eine tiefe Depression. Fortan verbrachte sie jährlich mehrere Monate auf ihren Landsitzen Balmoral und Osborne und nahm nur noch wenige öffentliche Aufgaben wahr.
Persönlichen Beistand in der Trauer um Alberts Tod bot ihr Disraeli, Peels Nachfolger als Führer der Konservativen Partei. Als Premier verfolgte Disraeli eine Außenpolitik der imperialen Expansion, was ihm die ungeteilte politische Sympathie seiner Königin garantierte. Zudem schmeichelte er Viktoria mit großen Gesten: Den Erwerb der Suezkanal-Aktien 1875 inszenierte er als persönliches Geschenk und 1876 schmückte er Viktoria mit dem Titel "Kaiserin von Indien".
Symbol einer Epoche
Viktoria hatte die Monarchie rehabilitiert und die Königsfamilie wieder zur angesehenen, die Gesellschaft verbindenen Instanz erhoben. Der Nachwelt gilt ihre fast 64-jährige Regentschaft als eigene Epoche der englischen Geschichte, als Viktorianisches Zeitalter, und die Königin als Symbol des Empire.