Lexikon
Minderheiten
nationale Minderheiten; Minoritätenim Staats- und Völkerrecht Volksgruppen, die sich durch Abstammung, Sprache, Kultur, u. U. auch Konfession von der Mehrheitsbevölkerung unterscheiden und über ein politisches Gruppenbewusstsein verfügen. Die genannten Kriterien können (aber müssen nicht) zu einer Volksgruppenbildung führen. Ob dies geschieht, hängt von der geschichtlichen, politischen und soziologischen Besonderheit des konkreten Falls ab.
Deutsche Minderheiten bestehen bzw. bestanden in Polen, der Tschechoslowakei, Ungarn, Jugoslawien, Rumänien, im Baltikum, Nordschleswig, Südtirol. Vor und während des 2. Weltkriegs wurden zahlreiche deutsche Volksgruppen teils freiwillig, teils unter Druck in das Reich zurückgeführt. Nach 1945 nahmen Polen und die Tschechoslowakei umfangreiche Aussiedlungen vor (Vertriebene).
Der rechtliche Schutz der Minderheiten – im 18. Jahrhundert zunächst der religiösen Gruppen (Juden, Christen in der Türkei), im 19. und 20. Jahrhundert der nationalen Gruppen – bestand vorwiegend in der Gewährung der Autonomie und wurde zunächst als eine individualrechtliche Garantie verstanden. Erst in der zweiten Stufe wurde der Kollektivschutz (zugunsten der Volksgruppe) eingeführt, nunmehr vielfach umgekehrt als Recht auf politische Teilhabe am Wirtsstaat aufgefasst.
Ein umfassender vertraglicher Minderheitenschutz hat sich noch nicht erzielen lassen, da die Vereinten Nationen mit Rücksicht auf die Einwanderungsländer keine Neigung zu grundlegenden Kodifikationen auf diesem Gebiet zeigen. Wenn auch die Minderheitenprobleme vorwiegend eine europäische Angelegenheit waren, sind nach 1945 neue Probleme in den Vordergrund getreten: die arabische Minderheit in Israel, die Muslimfrage zwischen Indien und Pakistan u. a. Eine rechtliche Neuerung allgemeiner Art stellt das Genocid- („Völkermord“-)Abkommen vom 9. 12. 1948 dar, das auch von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert wurde. Es bezweckt den Schutz der nationalen, ethnischen und religiösen Gruppen und untersagt die Tötung, Eingriffe in die körperliche und geistige Unversehrtheit, die physische Vernichtung, Geburtenbeschränkung, die zwangsweise Überführung von Kindern in eine andere Volksgruppe u. Ä., gewährt aber darüber hinaus keinen besonderen Minderheitenschutz (Völkermord).
Die Menschenrechtskonvention der Vereinten Nationen für bürgerliche und politische Rechte vom 16. 12. 1966 enthält in Art. 27 eine umfassende Schutzklausel für Minderheiten.
Die Rechte der dänischen Minderheit (ca. 50 000 Menschen) in Schleswig-Holstein – ebenso wie die der deutschen in Dänemark – sind in den Erklärungen Dänemarks und der Bundesrepublik Deutschland vom 29. 3. 1955 umrissen; u. a. gilt die Fünfprozentklausel für dänische Parteien bei Bundestags- und schleswig-holsteinischen Landtagswahlen nicht.
Österreich verpflichtete sich zum Schutz der Minderheiten im Staatsvertrag von Saint-Germain 1919 und im Staatsvertrag von Wien 1955. Danach haben österreichische Staatsangehörige der slowenischen und kroatischen Minderheiten in Kärnten, im Burgenland und in der Steiermark u. a. Anspruch auf Elementarunterricht in slowenischer bzw. kroatischer Sprache und auf eine verhältnisentsprechende Zahl von höheren Schulen. Die Ausführungsgesetzgebung hat geregelt, in welchen Orten bzw. Gerichtsbezirken Slowenisch bzw. Kroatisch (gleichberechtigte) Amts- und Gerichtssprachen sind.
In der ohnehin dreisprachigen Schweiz leben 0,5% Rätoromanen (17,1% der Bevölkerung des Kantons Graubünden). Ihre Sprache ist seit 1938 als vierte Nationalsprache der Schweiz anerkannt, sie ist in Graubünden auch Amts- und Gerichtssprache; es gibt in diesem Kanton eine Reihe rätoromanischer Schulen.
In der DDR hatte man die weit reichende kulturelle Autonomie der ca. 60 000 Sorben (Wenden) im Gebiet von Bautzen und Hoyerswerda sowie im Spreewaldgebiet rechtlich abgesichert u. a. durch Art. 40 der DDR-Verfassung von 1968 und durch das 1948 beschlossene sächsische Landesgesetz (Sorben-Gesetz).
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