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Long Covid – die Spätfolgen der Corona-Infektion

Eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 hat nicht nur unmittelbare Folgen: Immer häufiger zeigt sich, dass selbst bei zunächst milden Verläufen von Covid-19 Spätfolgen zurückbleiben können. Die Spanne dieser "Long Covid"-Symptome reicht von Erschöpfung, Kopfschmerzen oder Muskelschwäche bis hin zu geistigen Einbußen und schweren Autoimmunreaktionen. Aber was weiß man bisher über "Long Covid" und was kann man dagegen tun?
NPO, 22.04.2016

Muskelschwäche, Erschöpfung und Angstzustände, aber auch Lungen- und Nierenprobleme sind häufige Spätfolgen von Covid-19.

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Wenn das Coronavirus SARS-CoV-2 unseren Körper befällt, kann es in einer ganze Reihe von Organen und Geweben Schäden anrichten – von dem Atemwegen und der Lunge über die Blutgefäße und das Herz bis in den Darm oder die Nieren. Auch die Nerven und das Gehirn können im Verlauf einer Covid.19-Erkrankung in Mitleidenschaft gezogen werden. Ein Symptom dafür sind unter anderem die Riech- und Geschmacksstörungen, die bei rund einem Drittel der mit dem Virus Infizierten auftreten.

Verläuft die Covid-Erkrankung mild, klingen die Symptome meist nach einer bis zwei Wochen ab. Das Immunsystem hat dann die Virenvermehrung gestoppt oder zumindest soweit abgebremst, dass die akute Infektion vorüber ist. Bei schweren Verläufen, in denen sich eine Lungenentzündung oder sogar eine schwere, körperweite Entzündungsreaktion entwickelt, dauert es oft mehrere Wochen, bis die Patienten allmählich genesen und aus dem Krankenhaus entlassen werden können.

Mit der Infektion ist es oft nicht vorbei

Doch wie sich nun immer deutlicher zeigt, ist damit das Kapitel Corona für viele Patienten noch lange nicht beendet. Neueren Studien zufolge leiden fast drei Viertel der Covid-19-Patienten auch im Nachhinein noch an Spätfolgen ihrer Infektion. Besonders häufig betroffen sind ältere Menschen und Frauen, aber auch junge Patienten können unter Long Covid leiden.

Einer Studie zufolge steigt das Risiko für solche Spätfolgen, wenn man schon in der Akutphase der Infektion unter mehrere unterschiedlichen Symptomen leidet – also beispielsweise Riechstörungen, Verdauungsproblemen, Kopfschmerzen und Halsschmerzen. „Die Patienten, die in der ersten Woche mehr als fünf Symptome dokumentierten, hatten ein signifikant größeres Risiko, auch nach mehr als einem Monat noch unter Beschwerden zu leiden“, berichtet Carole Sudre vom King’s College London.

Erschöpfung, Schmerzen und Depressionen

Am häufigsten äußert sich Long Covid durch chronische Erschöpfung und Muskelschwäche, aber auch anhaltende Schlafstörungen sowie Angststörungen oder Depressionen treten oft auf. Einige Patienten sind so stark betroffen, dass sie nicht mehr arbeiten können. Diese Symptome treffen teilweise auch Menschen, bei denen die akute Infektion eher mild verlief und die beispielsweise nicht beatmet werden mussten, wie Studien belegen.

In manchen Fällen kommen noch schwerwiegendere Folgen vor: Die Menschen, deren Lunge bei der akuten Infektion stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, leiden oft noch Monate später unter Atemnot und herabgesetzter Lungenfunktion. Andere sind anhaltend heiser, leiden unter Kopfschmerzen, Fieber und verschiedene Organe betreffenden Schäden. Einige Symptome wie Herzentzündungen, Nierenprobleme oder sogar Diabetes-ähnliche Störungen des Zuckerstoffwechsels können sich sogar erst Wochen nach Ende der akuten Corona-Infektion entwickeln.

Das Coronavirus SARS-CoV-2 kann auch die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse angreifen – Folge ist ein Diabetes.

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Auch Gedächtnis und Konzentration sind betroffen

Long Covid macht sich jedoch nicht nur körperlich bemerkbar – oft treten auch kognitive Einbußen auf: Betroffene leide besonders häufig unter Konzentrationsschwächen, viele haben sogar ausgeprägte Gedächtnisprobleme. „Diese Symptome sind nicht auf schwere Verläufe von Covid-19 beschränkt“, erklären Jonas Hosp von der Universität Freiburg und seine Kollegen. Vor allem die kognitiven Störungen seien auch bei milden bis mittelschweren Fällen häufig.

Das Problem jedoch: Wenn die Patienten zum Neurologen gehen und sich beispielsweise einem Hirnscan unterziehen, zeigen sich oft keine Auffälligkeiten, was eine klare Diagnose erschwert. Erst vor Kurze haben Forscher über eine spezielle Untersuchung des Zuckerstoffwechsels im Gehirn eine charakteristische Signatur von Long Covid gefunden. Bei den Patienten war Glucosestoffwechsel der Großhirnrinde vor allem im Stirn- und Scheitellappen signifikant verringert – ein Indiz für eine geringere Aktivität der betroffenen Hirnareale.

„Diese Befunde belegen, dass neurokognitive Probleme nach einer Covid-19-Erkrankung eine messbare Ursache haben“, sagt Peter Berlit von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Immerhin zeigten die Untersuchungen auch, dass sich die kognitiven Defizite bei vielen Long-Covid-Patienten mit der Zeit langsam bessern – das allerdings kann Monate dauern.

Pandemie nach der Pandemie

„Weil Covid-19 eine so neue Krankheit ist, beginnen wir erst zu verstehen, welche Langzeitfolgen dies für die Gesundheit der Patienten haben kann“, sagt Bin Cao von der Medizinischen Universität Peking. Einige Mediziner befürchten sogar schon eine Pandemie nach der Pandemie – eine Schwemme von Menschen, die noch Monate nach ihrer Infektion krank sind und behandelt werden müssen.

Immer mehr Mediziner fordern daher eine bessere Nachsorge und Rehabilitation auch nach der akuten Covid-19-Erkrankung. In einigen Orten in Deutschland gibt es bereits Zentren für die ambulante Nachbehandlung und Betreuung von Long-Covid-Patienten, auch spezielle Reha-Kuren werden angeboten – allerdings bislang nur in begrenzter Kapazität. Der beste Schutz vor Long Covid ist es allerdings, sich gar nicht erst mit SARS-CoV-2 zu infizieren. Das bedeutet: Abstand halten, Maske tragen und sich impfen lassen, sobald die Möglichkeit besteht.

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