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Nichts als heißes Wasser

von Iris Hilberth, wissen.de

Eine sprudelnde Ölquelle hatte sich ein großer Ölkonzern vor mehr als 20 Jahren versprochen, als er in der Nähe von München den Bohrer ansetzte. Das gewünschte schwarze Gold fand er dort nicht, allerdings traf man auf etwas anderes: auf heißes Wasser. Damals wurde die Bohrung als Misserfolg gewertet. Heute weiß man: heißes Wasser aus der Tiefe ist ein Glücksfall. Geothermie gilt inzwischen als eine Energie der Zukunft. Deshalb wird südlich von München wieder gebohrt.
Im September 2004 hatte Unterhachings Bürgermeister seinen Glückstag. Von der Bohrstelle auf seinem Gemeindegebiet meldeten sie: Der Durchbruch ist geschafft! Und es sollte ein historischer werden. Denn in 3446 Metern Tiefe stießen die Bohrer auf thermales Wasser mit einer Temperatur von 122 Grad Celsius mit einer Schüttung von 150 Litern pro Sekunde Wassermenge. Das sind Werte, die den Bürgermeister und seine Gemeinde jubeln lassen, und mit denen er in dieser Höhe nicht gerechnet hatte. Jetzt wird eines der weltweit modernsten und ergiebigsten Erdwärmekraftwerke gebaut, das im so genannten Niedrigtemperaturbereich (bis 200 Grad) arbeitet und 2007 ans Netz gehen soll. Es ist die erste und größte Anlage mit der neuartigen Kalina-Technik zur Stromerzeugung aus geothermischer Energie in Deutschland. Das heiße Wasser wird also nicht nur für das örtliche Fernwärmenetz genutzt, sondern es kann bis zu 3,36 Megawatt Storm erzeugen. Damit lassen sich 10.000 Durchschnittshaushalte versorgen.

Erdwärme hat eine lange Tradition

Beim Kalina-Prozess wird einer Mischung aus Wasser und Ammoniak eingesetzt. Das Mischungsverhältnis der Medien im Kreislauf kann beliebig verändert werden. Im Gegensatz zu reinen Arbeitsmedien wie Wasser siedet das Gemisch über einen großen Temperaturbereich bei vorgegebenem Druck. Der Wirkungsgrad eines Erdwärmekraftwerkes mit Kalina-Technik liegt deshalb im Vergleich zum Wasser-Dampf-Kreislauf deutlich höher und ermöglicht bereits bei niedrigen Temperaturen gute Wirkungsgrade. Die Stromerzeugung aus Thermalwasser im Temperaturbereich zwischen 100 und 150 Grad wird so wirtschaftlich.

Zum Heizen hat Erdwärme schon eine lange Tradition. Auf der Insel Lipari bei Sizilien wurde bereits 1500 von Christus ein Thermalbad gemauert und in der Toskana existierte schon 1904 die erste moderne Erdwärmeheizung. Dort nahm neun Jahre später das erste geothermische Kraftwerk seinen Betrieb auf. Island gewinnt heute den größten Teil seiner Energie aus Erdwärme und Neuseeland erzeugte 2005 acht Prozent seines Strombedarfs durch Geothermie. Auch in Deutschland hat Erdwärme Zukunft. In Norddeutschland, Thüringen, am Oberrhein, im südlichen Baden-Württemberg und in Bayern gelten die Bedingungen dafür als besonders günstig.

Etwas Mut gehört allerdings dazu, sich an eine Bohrung zu wagen. Denn exakt können die Wissenschaftler die Temperatur aus der Tiefe nicht vorhersagen. Die Prognosen für Unterhaching waren gut, aber das Restrisiko, dass es für die erforderlichen 100 Grad und 100 Liter pro Sekunde nicht reichen könnte, blieb. Und genau dieses so genannte Fündigkeitsrisiko ist meist das größte Investitionshindernis der geothermischen Energieerzeugung. Allerdings hatte die Gemeinde eine Förderzusage durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit in der Tasche sowie die weltweit erste privatwirtschaftliche Fündigkeitsversicherung abgeschlossen.

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