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Seen unter dem Eis: Von wegen still und starr
Seen im Winter zufrieren, bildet das Eis eine Blockade: Es sperrt Licht aus, hemmt den Austausch von Gasen und auch kleinere Tiere kommen nicht mehr hindurch. Deshalb dachte man bisher, dass auch das Leben im See im Winter quasi eine Pause einlegt: Algen gehen in den Ruhezustand und vermehren sich nicht mehr, Krebse, Planktontiere und Fische versinken in einer Art Winterschlaf.
Aber ist das wirklich so? Erst vor etwa zehn Jahren begannen Wissenschaftler wie der Seenforscher Georgiy Kirillin vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin, einen genaueren Blick unter die Eisdecken zugefrorener Seen zu werfen. "In all unseren Langzeitbeobachtungen hatten wir eine Lücke", sagt Kirillin. Denn die Eisbildung bringt das System eines Sees zwar in einen völlig neuen Zustand – aber dieser ist keineswegs still und starr.
Wind und Wetter unter dem Eis
Unter der Eisdecke können Strömungen entstehen, die teilweise stärker sind als bei eisfreiem Wasser. Die Oberfläche steht zwar still, der Wind kann die Eisdecke jedoch leicht nach unten drücken und neigen. Mit bloßem Auge ist das kaum zu sehen, aber verteilt auf eine große Fläche steckt viel Energie in diese subtilen Schwingungen des Eises.
Wenn das Eis den ganzen See bedeckt, kann das verdrängte Wasser nur dahin ausweichen, wo der Druck des Windes auf die Eisdecke weniger stark ist. Es entstehen Strömungen, die eine beachtliche Stärke erreichen können. Ein See, der im Sommer ganz ruhig ist, kann so im Winter – unsichtbar unter dem Eis – ziemlich bewegt sein. In gewisser Weise herrscht dadurch sogar unter dem Eis eine Art Wetter.