Wie konnte er nur in den Besitz einer Schusswaffe kommen? Fassungslos stellte sich die deutsche Öffentlichkeit nach Amokläufen wie Erfurt 2002 diese Frage. Wer wann Waffen besitzen darf, ist in Deutschland genau rechtlich geregelt. wissen.de stellt die aktuellen Regelungen zum Waffenbesitz vor.
In Deutschland liegt das Gewaltmonopol prinzipiell beim Staat. Nur der Staat hat das Recht, im Notfall physische Gewalt gegen Menschen anzuwenden. Waffenbesitz zur Selbstverteidigung ist prinzipiell verboten. In Deutschland ist aber Bürgern, die keine Vorstrafe haben, unter bestimmten Voraussetzungen der Besitz von Waffen bzw. entsprechender Munition gestattet. Der Waffenbesitz wird in Deutschland seit 1972 bundeseinheitlich durch ein Waffengesetz geregelt, das den privaten Waffenbesitz zum Zweck der inneren Sicherheit kontrollieren und den illegalen Waffenbesitz und Waffenhandel bekämpfen soll. Das Waffengesetz wurde seitdem regelmäßig reformiert, insbesondere nach den Ereignissen von Erfurt 2002 und Winnenden 2009, und gilt heute als eines der strengsten weltweit. Es ist wesentlich rigider als die EU-Waffenrichtlinie, die den europäischen Mindeststandard vorgibt. Schätzungen zufolge gibt es in Deutschland rund zehn Millionen legale Waffen. Die Daten sind bisher auf über 600 Behörden verstreut. Derzeit wird ein computergestütztes nationales Waffenregister eingeführt. Anfang 2013 sollen alle Waffen zentral erfasst und registriert sein.
Grundsätzliches zum Waffenbesitz
Gesetzlich reglementiert sind alle Schusswaffen und andere Gegenstände wie Messer, die potentiell verletzen und auch töten können sowie entsprechendes Zubehör wie Munition. Grundsätzlich verboten im Umgang und Handel sind – mit ganz wenigen Ausnahmen - vollautomatisierte Waffen, Schuss- und Stoßwaffen, die nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen sind sowie bestimmte Messer wie Fall-, Faust-, Butterfly- und Springmesser. Um mit anderen Waffen legal Umgang zu haben, muss eine behördliche Erlaubnis vorliegen. Dafür müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Volljährigkeit
- persönliche Zuverlässigkeit und Eignung, d.h. der Besitzer darf z.B. nicht vorbestraft sein
- erforderliche Sachkenntnis, d.h. er muss mit der Waffe zweckmäßig umgehen können
- Abschluss einer Haftpflichtversicherung
Außerdem muss ein legitimes Bedürfnis vorhanden sein, d.h. es wird beurteilt, ob der Waffenbesitz überhaupt erforderlich ist. Dieses legitime Bedürfnis wird – abgesehen von Bewachungspersonal und besonders gefährdeten Personen – allgemein bei bestimmten Personengruppen anerkannt, deren Zugehörigkeit nachgewiesen werden muss. Dazu gehören Jäger, Sportschützen, Brauchtumsschützen (sprich: Mitglieder von Schützenvereinen) sowie Waffen- oder Munitionsssammler.
Diese Personengruppen dürfen eine Waffe besitzen, wenn sie eine Waffenbesitzkarte, einen Munitionserwerb- und einen Waffenschein nachweisen, der höchstens drei Jahre Gültigkeit hat. Spätestens dann muss der Bedarf erneut nachgewiesen werden. Dabei sind die Waffen grundsätzlich so aufzubewahren, dass sie von anderen nicht entwendet oder missbraucht werden können.
Verschärfungen des Waffenrechts
Diese grundlegenden Bedingungen des Waffenbesitzes sind unmittelbar nach den Erfahrungen aus dem Amoklauf von Erfurt 2002 in einigen Punkten noch deutlich verschärft worden: So wurde die Altersgrenze für den Waffenbesitz für Sportschützen auf 21 Jahre angehoben, eine medizinisch-psychologische Untersuchung für alle Antragsteller unter 25 Jahre zur Pflicht gemacht und eine Genehmigungspflicht für Schießsportordnungen eingeführt. 2008 wurde als weitere Maßnahme das Führen von Schusswaffenimitaten verboten. Die Amoktat von Winnenden 2009 hatte weitere Verschärfungen zur Folge: So wurden die Kriterien für den Waffenbesitz von Sportschützen noch enger gefasst und vor allem nochmals stärkere Kontrollen zur Aufbewahrung von Schusswaffen festgelegt. Jetzt kann auch unangemeldet und ohne konkreten Verdacht geprüft werden, ob die Waffen sicher gegen fremden Zugriff aufbewahrt sind, was in der Regel technisch gesicherte Waffenschränke voraussetzt.
Waffenverbot versus Freiheitsrecht
Die Frage nach den Bedingungen des Waffenbesitzes ist vor allem nach Amokläufen immer wieder Teil der öffentlichen politischen Diskussion. Viele politische Kräfte kämpfen für zusätzliche Instrumente, die Zahl legaler Waffen in Deutschen weiter deutlich zu reduzieren, bzw. letztendlich für ein vollständiges Verbot des Waffenbesitzes, weil nur so Taten wie in Erfurt oder Winnenden verhindert werden könnten. Versuche einiger Länder, Gebühren oder Steuern auf Waffen zu erheben und so den Waffenbesitz noch unattraktiver zu machen, sind bislang gerichtlich gescheitert. Sportschützen und die Waffenlobby fühlen sich diskriminiert und zu Unrecht kriminalisiert. Sie verweisen darauf, wie selten Tötungsdelikte mit legalen Waffen begangen werden. Für Amokläufe wären außerdem nie die Waffen, sondern nur der Mensch verantwortlich. Waffenbesitz wäre nicht zuletzt auch ein Freiheitsrecht des Einzelnen gegenüber dem Staat. Dabei fällt gerne das umstrittene Diktum von Bundespräsident Gustav Heinemann: “Ein Staat ist immer nur so frei wie sein Waffengesetz.”